In Wien wird drei Mal eher eingesperrt als in Innsbruck

In Wien wird drei Mal eher eingesperrt als in Innsbruck
Im Westen kommen zwei Drittel aller Täter mit Geldstrafen davon, im Osten nur jeder sechste.

Österreichs Strafrichter leben im Elfenbeinturm. Und sie haben nicht die Absicht, ihn zu verlassen, wie die Zahlen des Justiz-Sicherheitsberichts 2014 über den Umgang mit Straftätern belegen.

Das Risiko, zu Freiheitsentzug verurteilt zu werden, ist im Sprengel des Oberlandesgerichts (OLG) Wien mehr als drei Mal höher als im OLG-Sprengel Innsbruck. Dafür ist die Chance, mit einer Geldstrafe davonzukommen, in Tirol und Vorarlberg mehr als vier Mal höher (66,5 Prozent aller Strafen) als in Wien, NÖ und dem Burgenland (15,9 Prozent).

Dieses seit Jahrzehnten zu beobachtende Ost-West-Gefälle hat sich weiter verschärft: 2014 wurden 35,5 Prozent aller Täter im OLG-Sprengel Wien zu einer teil- oder unbedingten Haftstrafe verurteilt (2013 waren es 36 Prozent), im Sprengel Innsbruck nur 18,6 Prozent (2013 waren es noch 20,7 Prozent). Graz und Linz liegen mit rund 24 und 22 Prozent dazwischen.

In Wien wird drei Mal eher eingesperrt als in Innsbruck
Der Kriminologie-Professor und langjährige Gefängnischef Wolfgang Gratz beklagt schon lange eine mangelnde Qualitätssicherung. Seine gemeinsam mit anderen Experten erhobene Forderung von jährlichen Besprechungen der Richter untereinander blieb unerfüllt: „Wie straft man ein paar Kilometer weiter? Und wie erklärt man sich die Unterschiede?“

Gratz führt das vor allem darauf zurück, dass Richter auf den Einzelfall trainiert werden: „Das ist ja auch ihr Kerngeschäft.“ Dabei werde aber ausgeblendet, dass man im Kontext tätig ist. Gratz: „Es gibt ja Alternativen zu den Strafen, die gar nicht exotisch sind und anderswo angewendet werden.“

Weniger Rückfall

Zum Beispiel der Außergerichtliche Tatausgleich zwischen Täter und Opfer. Dieses Modell hat österreichweit die niedrigste Rückfallquote, wurde aber 2014 trotzdem um 6,3 Prozent weniger oft praktiziert als im Jahr davor.

Das vielfach strapazierte Argument der schwereren Kriminalität für strengere Strafen in Wien lässt Gratz nicht gelten: Selbst wenn man diese Delikte herausrechne, seien die Urteile im Osten härter. Wobei Vergleiche mit Deutschland und der Schweiz belegen, dass höhere Strafen auf das Ausmaß der Kriminalität gar keinen Einfluss haben. Gratz: „Der Amokfahrer von Graz wäre durch höhere Strafen nicht zu verhindern gewesen.Gerade schwer gestörte Menschen erreicht man dadurch nicht.“

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