Österreichs Gefängnisse sind zum Bersten voll

Österreichs Gefängnisse sind zum Bersten voll
Enge macht die Häftlinge aggressiv, tägliche Übergriffe belasten die Beamten der Justizwache.

1300 Insassen in einem Gefängnis, das für 900 Personen konzipiert ist: Dass so viel kriminelle Energie auf so kleinem Raum wie in der Justizanstalt Wien-Josefstadt enormen Zündstoff in sich birgt, ist nicht weiter verwunderlich. Das Justizwachepersonal bekomme die angespannte Lage Tag für Tag am eigenen Leib zu spüren, prangert der Vorsitzende der Justizwachegewerkschaft, Albin Simma, „unzumutbare Verhältnisse“ an.

Österreichs Gefängnisse sind zum Bersten voll
Simma spricht von einem deutlichen Ungleichgewicht zwischen Insassen und Wachpersonal in den Gefängnissen. Bei annähernd gleich bleibendem Personalstand habe seit eineinhalb Jahren die Zahl der Haftinsassen deutlich zugenommen. Die Brennpunkte liegen besonders in den Justizanstalten mit Untersuchungshäftlingen in Ostösterreich. Die Häuser Wien-Josefstadt oder Wiener Neustadt (NÖ) platzen laut Gewerkschaft aus allen Nähten. Wiener Neustadt verfügt bei einem Personalstand von 68 Justizbeamten über 211 Haftplätze, zu Spitzenzeiten sind dort aber 260 Strafgefangene und U-Häftlinge untergebracht. 248 weibliche und männliche Insassen waren es am vergangenen Freitag.

Die Justizanstalt Wien-Josefstadt ist mit einer Belagsfähigkeit von 921 Insassen das größte Gefangenenhaus Österreichs. Freitagabend mussten die Justizwachebeamten 1150 Personen unterbringen. „In einer einzigen Nacht sind dort 36 Personen eingeliefert worden. Die Fluktuation ist gewaltig“, sagt Simma. Durch den Überbelag müssen Zellen mit weit mehr Insassen belegt werden als vorgesehen. Außerdem kommen Häftlinge in den offenen Wohngruppenvollzug, die auf Grund ihrer Gefährlichkeit dort gar nicht sein dürften. „Der Ausländeranteil liegt bei 70 Prozent. Es treffen verschiedenste Nationalitäten und Religionen aufeinander. Das ist wie ein Druckkochtopf. Es gibt permanent tätliche Angriffe“, sagt der Gewerkschafts-Vorsitzende.

Forderungspaket

Obwohl Justizministerin Beatrix Karl die Problematik kennt und gesprächsbereit sei, bedarf es einer weit umfassenderen Lösung. Um mehr Planstellen genehmigt zu bekommen, müsse das Ministerium für den Öffentlichen Dienst sowie das Finanzressort mitspielen. Die Gewerkschaft denkt an eine Lösung im Zuge der Heeresreform. „Wie auch immer diese Reform aussieht, muss man versuchen, Planstellen vom Heer in den Justizbereich zu verschieben“, sagt Simma.

General Peter Prechtl ist Leiter der Vollzugsdirektion und somit Herr über 27 Gefängnisse in Österreich.

KURIER: Ist die Situation so, wie von der Gewerkschaft dargestellt?

Es ist unbestritten, dass es einen Überbelag gibt. Die Sicherheit ist aber nicht gefährdet. Ich verstehe aber, dass es eine Belastung für das Personal darstellt.

Was tut man dagegen?

In Wr. Neustadt haben wir zum Beispiel zusätzliches Personal zugeteilt. Eine Entspannung sollte auch der Ausbau der Justizanstalt Eisenstadt bringen. Dort werden Plätze für weibliche U-Häftlinge geschaffen. Die sind derzeit auch in Wr. Neustadt untergebracht.

Gibt es für Frauen generell zu wenig Plätze?

Das ist der eher unangenehme Teil der Emanzipierung. Vor Jahren hatten wir österreichweit im Schnitt etwa 300 weibliche Strafgefangene. Jetzt sind es durchschnittlich schon 600.

Justizbeamte berichten, dass selbst als gefährlich eingestufte Straftäter wegen des Platzmangels im offenen Wohngruppenvollzug untergebracht werden?

Das könnte in dem einen oder anderen Fall so gewesen sein. In wirklich brisanten Fällen vermeidet man das natürlich. In der Haft muss man aber selbst zwischen Mördern unterscheiden. Von einem Auftragskiller geht sicher eine andere Gefahr aus wie von jemandem, der eine Beziehungstat begangen und seine Frau ermordet hat.

Gibt es ein Rezept, welche Straftäter wie unterzubringen sind?

Nein, es gibt kein Rezept. Generell ist es so, dass sich Insassen mit sehr langen Haftstrafen damit gut abfinden und sich arrangieren. Sie passen sich an und sorgen für wenig Probleme.

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