Justiz ermittelt gegen Priklopil-Freund

Justiz ermittelt gegen Priklopil-Freund
Indes fanden Experten keine Beweise für weitere Täter.

Ernst H., dem einzigen und gleichzeitig höchst auffälligen Freund des Eigenbrötlers Priklopil, beschert die Kampusch-Evaluierungskommission noch gravierende Nachwirkungen. Einerseits kann er sich, wie alle anderen angeschwärzten Personen, freuen, den Verdacht der Mittäterschaft losgeworden zu sein. Andererseits hat ihn aber die Kommission bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen Betrugsverdachtes angezeigt. Er soll sich unrechtmäßig aus dem Nachlass des Priklopil eine Wohnung erschlichen haben.

H. ist der Öffentlichkeit vor allem durch seine schrägen Auftritte und dem Austausch von Tätlichkeiten vor dem Gerichtssaal mit dem Vater von Natascha Kampusch bekannt. Auffällig war auch, dass Ernst H. nach dem Selbstmord Priklopils die Eigentumsrechte an jener Wohnung übertragen bekommen hatte, in der die Priklopil-Mutter Margarete wohnte. Der Frau blieb nur das Wohnrecht.

Bewusste Täuschung

Der Verdacht der Ermittler: Ernst H. habe den Nachlassverwalter mit Überweisungen an Priklopil getäuscht, die er fälschlicherweise als Zahlungen für den Wohnungskauf ausgegeben habe. Tatsächlich sollen es aber Rückzahlungsraten für einen Privatkredit von Priklopil gewesen sein. Bei der Staatsanwaltschaft Wien wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Ernst H. eingeleitet. Mit dem Entführungsfall Kampusch hat aber dieses Verfahren nur indirekt zu tun.

Der Terminkalender von Jörg Ziercke, dem Präsidenten des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA), weist in diesem Monat nur noch einen freien Tag aus. Das ist der kommende Montag. Und das ist auch der Grund, warum am Montag der Endbericht der Kampusch-Evaluierungskommission präsentiert wird. Denn mithilfe der US-amerikanischen Bundespolizei FBI und des deutschen BKA wurde die innenpolitisch so brisante Entführungsaffäre noch einmal aufgerollt. Ziercke soll als unbelasteter Zeuge das Ergebnis präsentieren.

Zum Ergebnis heißt es aus dem Innenministerium noch „kein Kommentar“. Aber aus Ermittlerkreisen ist durchgesickert, dass die viel diskutierte Mehrtäter-Theorie zerbröselt sei. Auch ein Justiz-Sprecher bestätigt dem KURIER, dass es keine neue Erhebungsansätze gegen angebliche Mittäter gibt.

Verschwörungstheorie

Kurz nach ihrer Flucht aus dem Verlies, das Entführer Wolfgang Priklopil in seinem Haus in Strasshof angelegt hatte, sah sich Natascha Kampusch 2006 schon mit ersten Verschwörungstheorien konfrontiert. Diese gipfelten in der Behauptung, sie sei Teil eines Kinderpornoringes gewesen und würde Mittäter schützen.

Kampusch versuchte geradezu verzweifelt darzustellen, dass sie immer nur einen Entführer gesehen habe. Einem vernehmenden Beamten stellte sie die Frage: „Was sollte ich davon haben, wenn ich einen schützen sollte?“ Doch im damaligen Spannungsfeld zwischen Justiz und Polizei sowie zwischen politischen Parteien blieb sie ungehört. Zu viele angebliche Beweise hatten Verschwörungstheoretiker aus dem Umfeld des verstorbenen Kampusch-Ermittlers Franz Kröll zusammengetragen. Sie waren überzeugt, dass Priklopil Teil eines Kinderpornoringes war, der von höchster Stelle gedeckt wurde.

Das einzige Substrat für diese Theorien war die Erstaussage einer Zeugin der Entführung, die anfangs meinte, sie habe zwei Täter gesehen. Das Mädchen widerrief zwar später diese Aussage, doch die Mehrtäter-Theorie hatte sich längst verselbstständigt. So mussten Polizisten, Staatsanwälte und ein Freund von Priklopil nach meist anonymen Strafanzeigen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen über sich ergehen lassen. Auch ein Parlamentsausschuss befasste sich mit der Affäre.

Das vorläufig letzte Opfer der Verdächtigungskampagne ist der leitende Beamte im Bundeskriminalamt, Ernst Geiger, dem vor wenigen Tagen in einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ ziemlich unverblümt unterstellt wird, er würde einen Pornoring decken.

Nachdem auch der parlamentarische Untersuchungsausschuss kein brauchbares Ergebnis gebracht hatte, richteten Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Justizministerin Beatrix Karl im Oktober 2012 eine abschließende Evaluierungskommission ein. Mit Unterstützung des FBI und des BKA sollten die – insgesamt 270.000 Seiten umfassenden – Kampusch-Akten auf Fahndungspannen und eventuelle Mittäter untersucht werden. Im Lenkungsausschuss saßen neben Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, auch BKA-Präsident Jörg Ziercke und Steven Paulson, Chef der Rechtsabteilung in der US-Botschaft.

Nervenkrieg

Die Kommission sollte eigentlich mit Jahresbeginn fertig sein, was aber durch ein Störfeuer der Verschwörungstheoretiker verhindert wurde. So wurden stückweise angeblich neue, brandheiße Beweismittel aus dem Besitz-Nachlass des Franz Kröll präsentiert. Außerdem sollte ein Privatgutachten beweisen, dass Priklopil nicht durch einen Selbstmord starb, sondern von Komplizen ermordet wurde. Dieser Nervenkrieg ist nun auch beendet, die Einzeltätertheorie steht fest. Fragen, wieweit es im Umfeld von Priklopil zu weiteren Straftaten gekommen ist, und welche Fahndungspannen der Polizei geortet wurden, werden die Präsentation am Montag aber noch spannend machen.

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