Jede fünfte Österreicherin ist Opfer von Gewalt

Jede fünfte Österreicherin ist Opfer von Gewalt
Internationale Konferenz im Wiener Rathaus gegen Gewalt an Frauen.

Ob sexuell, körperlich oder psychisch – 25,4 Prozent der Frauen in Europa sind laut Schätzungen mit Gewalt konfrontiert. Um auf diese erschreckenden Zahlen aufmerksam zu machen, findet im Wiener Rathaus seit Montag die internationale Konferenz gegen Gewalt an Frauen statt. Die Tagung ist Auftakt einer 16 Tage dauernden, weltweiten Kampagne. Rund 200 Expertinnen diskutieren über Konzepte und Probleme in der internationalen Gewaltprävention.

Dunkelziffer

Vor allem die Dunkelziffer ist hoch. So gab es in Österreich 2012 etwa „nur“ 28.505 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt. Laut der Wiener Frauenstadträtin Sandra Frauenberger, liegt diese hohe Dunkelziffer mitunter daran, dass den Frauen oftmals erst sehr spät selbst klar wird, dass sie Opfer sind. Das sei vor allem bei psychischer Gewalt ein großes Problem. Denn die nicht sichtbaren Verletzungen können eben nicht dokumentiert und angezeigt werden. Die Kosten um psychische Folgeschäden zu behandeln, bleiben dann oft an den Opfern hängen. Die nachweisbaren Kosten – wie etwa für Polizei und Sozialhilfe betragen in Österreich 78 Millionen Euro.

Aufholbedarf

Österreich ist in Sachen Opferschutz zwar eine der EU-weit führenden Nationen, dennoch gibt es Mängel die es zu beheben gilt. Der gesetzlich verpflichtende Opferschutz in Krankenanstalten muss diesbezüglich in den Fokus rücken, sagt Expertin Andrea Berzlanovich von der Medizinischen Universität Wien: „Ärzte und Pflegepersonal spielen eine Schlüsselrolle bei der Versorgung gewaltbetroffener Frauen. Es fehlt aber bislang noch an Schulungen.“ Es sei wichtig, das Klinikpersonal auf die richtige Dokumentation von Verletzungen zu schulen, um eine Anzeige überhaupt möglich zu machen.

Hilfe

Für Frauen, die Hilfe suchen, bietet der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser Betreuung von professionellen Mitarbeiterinnen rund um die Uhr und österreichweit unter der Helpline 0800/222555 an. Zudem gibt es vom Frauenministerium die neue fem:HELP-App. Sie soll Frauen in Österreich helfen, die sich in einer Notsituation befinden und ihnen die Möglichkeit bieten, Hilfseinrichtungen rasch und unkompliziert zu kontaktieren.

Sie ist schwer zu greifen, oft von Außenstehenden auch nicht wahrnehmbar, und dennoch ein großes Thema: Psychische Gewalt in der Familie. Kontaktverweigerung, Verlust der Selbstbestimmung, Erzeugung von Unsicherheit und Attacken - in diese Themenbereiche haben betroffene Frauen die ihnen vom Partner zugefügte psychische Gewalt zusammengefasst. Das Institut Karmasin führte eine qualitative Untersuchung im Auftrag des Vereins Wiener Frauenhäuser durch, der zufolge 94 Prozent der Bewohnerinnen bedroht werden.

50 Frauen, die entweder aktuell im Frauenhaus wohnen oder in der Vergangenheit dort gelebt haben, wurden im August interviewt. Etwa drei Viertel kannten Aussagen wie "Ich bringe dich um, wenn du mich verlässt" oder "Dich finde ich überall". 68 Prozent wurde gedroht, die Kinder wegzunehmen, 62 Prozent erlebten Drohungen in Hinblick auf eine Abschiebung in ihr Heimatland.

84 Prozent wurde vom Partner ein Kontaktverbot zu anderen Personen auferlegt, 64 Prozent verboten, Hobbys auszuüben oder an Freizeitaktivitäten teilzunehmen. Die Hälfte der Befragten wurde schon einmal eingesperrt oder daran gehindert, die Wohnung zu verlassen.

Kontrolle und Demütigungen

Kontrolle ist ein wesentliches Thema psychischer Gewalt, so die Zusammenfassung des Meinungsforschungsinstituts. Das Einkommen von 70 Prozent der Frauen wurde kontrolliert, 68 Prozent wurden überprüft, mit wem sie unterwegs waren. Das Öffnen von Post bzw. die Kontrolle des Handys waren bei 60 Prozent ein Thema. 58 Prozent bekamen Schwierigkeiten mit dem Partner, wenn sie sich verspäteten. Demonstration von Macht erlebten 86 Prozent der Frauen in Form eines spürbaren Abhängigkeitsverhältnisses; 78 Prozent mussten um Geld bitten, 66 Prozent bekamen Kleidungs-, Schmink- und Fernsehvorschriften.

84 Prozent wurden im Beisein der Kinder beleidigt, 86 Prozent mit Erniedrigungen wie "Du bist ein Nichts" konfrontiert. Rund drei Viertel der Frauen wurden wegen ihres Aussehens oder Charakters beleidigt, fast ebenso viele durch sexuelle Beschimpfungen.

Resignation

Die Reaktion der Betroffenen verläuft meist nach folgendem Modell: Nach einer anfänglichen Rechtfertigungsphase folgt die Phase des passiven Akzeptierens und schließlich die der Resignation. Schlafstörungen, chronische Müdigkeit, Ängste, Alkoholmissbrauch sind einige Folgen. Überlegungen zur persönlichen Zukunft werden meist völlig ausgeblendet, die primäre Sorge gilt meist dem Wohl der Kinder und dem Aufrechterhalten des Alltags.

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