Islamische Gemeinschaft: "Antisemitismus verboten"

IGGiÖ-Präsident Sanac findet deutliche Worte zum Platsturm in Bischofshofen.
IGGiÖ-Präsident Sanac verurteilt Platzsturm, aber: "Unsere Möglichkeiten sind begrenzt."

Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Fuat Sanac, hat die Ausschreitungen in Bischofshofen beim Freundschaftsspiel zwischen dem französischen Oberhausclub OSC Lille und dem israelischen Verein Maccabi Haifa vom Mittwochabend verurteilt.

"Was die Jugendlichen gemacht haben, ist inakzeptabel, das lehnen wir ab. Wir distanzieren uns von solchen Aktionen und Menschen, die dem Frieden in Österreich schaden. Ich nenne sie Unruhestifter", sagte er im Ö1-Morgenjournal am Samstag. Er habe daher an die Obleute aller Mitgliedsvereine E-Mails geschrieben: "Ich appelliere an alle, dass sie Ruhe bewahren und den Jugendlichen beibringen, das das falsch ist. Wir müssen die Linien richtig erkennen."

Darüber hinaus werde auch versucht, durch soziale Medien wie Facebook vor allem auch junge Menschen zu erreichen und ihnen klar zu machen, dass man Kritik an der Politik Israels sehr wohl äußern dürfe, aber Antisemitismus schon aufgrund der Religion verboten sei: "Eines ist der Krieg zwischen zwei Staaten, das andere ist Antisemitismus. Antisemitismus ist für uns Rassismus und damit für uns verboten."

"Wir sind manchmal machtlos"

Obwohl die Islamische Glaubensgemeinschaft die staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft aller Anhänger des Islam in Österreich ist und damit die größte muslimische Vereinigung, sind auch ihre Durchgriffsmöglichkeiten begrenzt, so der Präsident gegenüber Ö1: "Wir tun unser Bestes. Aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Wir sind manchmal machtlos, leider."

Seit dem Besuch und den Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayip Erdogan in Wien, wird befürchtet, dass es auch in Österreich zu noch mehr antisemitischen Aktionen kommen könnte. Zu den Aussagen von Erdogan wollte sich der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft nicht äußern. Nur so viel: In seiner Glaubensgemeinschaft gebe es keinen, der Krieg wolle, und er setze weiter auf Gespräche und Vernunft, so Sanac.

Unter strenger Beobachtung wird am Samstag das Fußballspiel zwischen dem israelischen Club Maccabi Haifa und dem deutschen SC Paderborn in Leogang im Salzburger Pinzgau stehen.

"Es ist vorgesorgt", lautet die knappe Auskunft der Polizei. Aus taktischen Gründen wolle man keine Details verraten. Die Nervosität dürfte aber groß sein. Die Attacke auf israelische Spieler durch türkischstämmige Jugendliche bei einem Testspiel am Mittwoch in Bischofshofen (siehe Berichte unten) hatte international für Empörung gesorgt. Jetzt schaut die Welt auf Leogang.

Klemens Kögl von der Spielorganisation gibt sich entspannt: "Wir sind in ständigem Kontakt zum Verfassungsschutz und vertrauen auf die Profis." In Leogang sind die Israelis seit zehn Jahren regelmäßig auf Trainingslager, so auch diesen Sommer. "Leogang ist eine willkommene Alternative. Die Spieler kennen sich hier aus, das gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit", sagt Kögl.

Am Vortag stand das Testspiel noch an der Kippe. Der ursprünglich geplante Austragungsort, die Gemeinde Kirchbichl in Tirol, hatte nach dem Platzsturm propalästinensischer Angreifer einen Rückzieher gemacht.

"Ein Skandal", meint Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde zum KURIER: "Das ist ein Kniefall vor den Antisemiten. Wenn wir anfangen, uns von Extremisten Vorschriften machen zu lassen, dann gute Nacht, Österreich."

Der Verfassungsschutz ermittelt gegen 20 Personen wegen des Verdachts auf Verhetzung, Körperverletzung, Nötigung und Störung der öffentlichen Ordnung. Laut Polizeisprecher Ortwin Lamprecht fehlen noch die Identitäten einiger unbekannter Täter.

Auf die Frage, warum nach den brutalen Attacken niemand festgenommen wurde, erklärt er: "Da die Verdächtigen alle aus der Umgebung kommen, lag keine Fluchtgefahr vor." Außerdem habe sich offiziell bis heute kein Verletzter gemeldet.

Kundgebungen

In Wien sind indes am Samstag wieder zwei antiisraelische Demonstrationen geplant. Beide wurden von Privatpersonen angemeldet. Von 12 bis 19 Uhr findet am Lugeck eine Al-Kuds-Standkundgebung mit rund 150 Teilnehmern statt. Und am Morzinplatz treffen einander um 15.15 Uhr die Teilnehmer der Demo "Zur Unterstützung der Demokratie des palästinensischen Volkes". Ab 16.30 Uhr marschieren rund 300 Menschen via Rotenturmstraße zum Stephansplatz.

Nach dem Platzsturm propalästinensischer Angreifer bei einem Testspiel der israelischen Fußballmannschaft Maccabi Haifa gegen OSC Lille in Bischofshofen am Mittwoch laufen intensive Erhebungen der Polizei. "Das Landesamt für Verfassungsschutz ermittelt gegen rund 20 Personen, vorwiegend türkischstämmige junge Erwachsene aus dem Pongau", sagte Polizeisprecher Ortwin Lamprecht am Freitag.

"Wir müssen die Identität der noch unbekannten Täter ausfindig machen und den Verdächtigen die einzelnen Delikte zuordnen. Dann wird angezeigt." Parallel dazu laufen derzeit die Einvernahmen der Spieler und Trainer der israelischen Gastmannschaft. "Es geht auch darum, ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln."

Ermittelt wird momentan wegen einer Reihe von Delikten: Verdacht auf Verhetzung, Verdacht auf absichtlich schwere Körperverletzung, Verdacht der Nötigung und Störung der öffentlichen Ordnung. Der Vorfall hatte österreichweit für große Empörung gesorgt.

Haifa-Testspiel verlegt

Das für Samstag geplante Testspiel Maccabi Haifas gegen Paderborn in Kirchbichl (Bezirk Kufstein) in Tirol wurde verlegt. "Aufgrund der Vorkommnisse in Salzburg am Mittwoch gibt es massive Sicherheitsbedenken", begründete Wilfried Ellinger, Vizebürgermeister von Kirchbichl, am Freitag die Entscheidung.

"Wir sind eine 5.000 Seelen-Gemeinde und haben nicht einmal eine eigene Polizeiinspektion im Ort", sagte Ellinger. Sollte es zu Ausschreitungen kommen, wäre es von der Sicherheitssituation her "einfach nicht zu bewältigen". Dieses Risiko wolle die Gemeinde nicht eingehen. "Das ist kein unfreundlicher Akt gegenüber den Mannschaften", betonte der Vizebürgermeister, "wir sind einfach nicht in der Lage für die Sicherheit zu sorgen". Stattdessen wird das Spiel in Leogang über die Bühne gehen.

Der Veranstalter des Testspiels, der in Leogang beheimatete SLFC, kann die Entscheidung der Gemeinde Kirchbichl "überhaupt nicht verstehen". Mit erneuten Ausschreitungen bei dem Spiel am Samstag rechnet Geschäftsführer Empl nicht.

"Kein Grund" für eine Absage

Zwar habe der Bürgermeister des Tiroler Ortes schon am Freitagabend angedeutet, das Spiel abzusagen. Die endgültige Entscheidung sei aber Samstagvormittag getroffen worden, ohne ihn davon in Kenntnis zu setzen, so Empl. Es gebe "keinen Grund" für eine Absage, denn vom Innenministerium habe man bereits eine Genehmigung erhalten.

Im Laufe des Vormittags habe es dann auch Angebote anderer Gemeinden - darunter Telfs und Wien - gegeben. Schließlich sei aber die Entscheidung auf Leogang gefallen. Hier trainiere auch Haifa.

Für die Sicherheit im Stadion von Leogang ist nach Empls Worten seine Agentur, die SLFC, selbst verantwortlich und muss sie demnach auch selbst bezahlen. Er wolle zwischen 15 und 20 Polizisten für das Match engagieren. Mit Ausschreitungen - ähnlich derer von Mittwochabend während der Partei Haifa gegen OSC Lille in Bischofshofen - rechne er aber "überhaupt nicht".

Die Salzburger Exekutive äußerte sich über den bevorstehenden Einsatz nur knapp: Die Polizei hat vorgesorgt und wird alle notwendigen Maßnahmen setzen", sagte Polizeisprecher Ortwin Lamprecht. Aus taktischen Gründen können keine darüber hinausgehenden Informationen veröffentlicht werden. Koordiniert wird der Einsatz von der Landespolizeidirektion - in Absprache mit dem Bezirkspolizeikommando Zell am See.

Keine Bedenken

Auch der Bürgermeister von Leogang, Josef Grießner (ÖVP), hat am Freitag keine Bedenken geäußert, dass das in Tirol abgesagte Fußballspiel jetzt in seiner Gemeinde stattfindet: "Das Innenministerium hat dem Veranstalter des Fußball-Camps volle Rückendeckung zugesagt. Die Sicherheit ist gewährleistet, das bekommen wir auch schriftlich."

Maccabi Haifa sei bereits seit zwei Wochen auf Trainingslager im Ort und habe in der Gemeinde auch ein Testspiel gegen Eintracht Braunschweig absolviert. "Es hat in der Zeit des Aufenthalts der Mannschaft keinerlei Zwischenfälle gegeben", sagte Grießner. Er sei heute kurz vor Mittag kurzfristig über die Änderung des Spielortes informiert worden. "Ich halte das für eine gute Idee. Ich bin überzeugt davon, dass man sich von Aktionen wie in Bischofshofen nicht unterkriegen lassen soll. Sport soll ein friedliches Aufeinandertreffen sein." Er rechne beim Spiel am Samstag mit einem großen Aufgebot an Sicherheitskräften. "Ich hoffe, dass nicht unerwartete Ereignisse auftreten."

Traurige Berühmtheit

Islamische Gemeinschaft: "Antisemitismus verboten"
Die deutsche Zeitung"Die Welt"widmete den Attacken in Bischofshofen heute ihr Titelbild. "Der Antisemitismus ist aber keineswegs nur ein Problem der Migranten. Es bleibt in der Mitte der Gesellschaft greifbar", schreibt Ulf Poschardt, der stellvertretende Chefredakteur der WELT-Gruppe und fordert: "Dem Judenhass keinen Zentimeter."
Islamische Gemeinschaft: "Antisemitismus verboten"
Auch anderen deutschen Medien wie zum BeispielSpiegel Online,Zeit Onlineoder dieSüddeutsche berichten über den Vorfall und sind einstimmig der Meinung, dass so etwas "absolut nicht zu tolerieren" ist.

Ebenfalls war der Platzsturm ein Thema in den israelischen Medien. So zitiert die Jerusalem Post ein Statement von Maccabi Haifa: "Wir verurteilen die Gewalt gegen uns. Das hatte nichts mit Sport oder Fußball zu tun, sondern weil wir als Team Israel repräsentieren." Auch im englischen Sprachraum wird über den Vorfall gesprochen und geschrieben - vom britischen Guardian bis hin zu den New York Daily News.

Auch KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter positioniert sich klar: "Dass dieser Hass auf Österreich übergreift, ist unerträglich." (Mehr dazu hier.)

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