Integration von Türken: Aufstieg bleibt schwierig

Türken in Österreich
Die Türken seien die am schlechtesten integrierte Migrantengruppe, sagt Ex-Bundesrat Efgani Dönmez.

"Es tut mir leid, mein Deutsch ist nicht gut" – eine Antwort, die der KURIER beim Lokalaugenschein in Wien-Favoriten oft bekommt. Am Tag des Ländermatches Österreich gegen die Türkei geht es um die Frage, wie gut Integration funktioniert. Im Bezirk mit dem größten Anteil an Türken gibt es viele türkische Lokale. Die Menschen sind freundlich, nur für ein Interview ist ihr Deutsch ihrer Meinung nach nicht ausgereift genug.

Schließlich finden sich doch zwei Herren, die über ihre Erfahrungen sprechen. Kemal Irmak und Isa Önder stehen hinter der Theke eines Feinkost-Stands in der Favoritenstraße. "Ich bin seit 40 Jahren in Österreich, dieses Land ist Gold", sagt Irmak. Er wollte am Abend den Österreichern die Daumen drücken: "Ich fühle mich schon viel mehr Zuhause hier." Kollege Isa ist seit 15 Jahren in Wien, er ist punkto Fußball noch unentschlossen.

Kulinarische Leckereien aus der Türkei wissen Österreicher übrigens zu schätzen – das bestätigen auch die Händler Önder und Irmak: "Die Österreicher geben mehr Geld aus für Spezialitäten. 90 Prozent unserer Kunden sind Einheimische, kaufen aber türkische Spezialitäten."

Hintergrund

Das gute Essen verbindet also – bei der Sprache gibt es zuweilen noch Schwierigkeiten: Wie gut hat Integration in Österreich also funktioniert? Soziologe und Migrationsexperte Kenan Güngör erklärt: "Ein Teil schaffte den Aufstieg und gehört längst zur Mittelschicht." Die Aufmerksamkeit liege jedoch vorwiegend auf jenen, die den Aufstieg nicht schaffen – und dafür seien die Gründe vielfältig.

Nennenswerte Migration von der Türkei nach Österreich kam während der Gastarbeiter-Rekrutierung in Gang: "Da holte man nicht Akademiker – sondern junge Männer für harte Arbeit", sagt Güngör. Valeria Heuberger, Forscherin am Institut für Sozialanthropologie, ergänzt: "Außerdem rekrutierte man Arbeiter vorwiegend in Regionen, die eher einfach und ländlich geprägt waren." Die Möglichkeit höherer Bildung bestand dort zumeist nicht.

Dass auch die Nachkommen bildungsmäßig nicht aufstiegen, habe verschiedene Gründe, erläutert Güngör: "Im Schulsystem werden Ungleichheiten verstärkt, nicht ausgeglichen." Ebenso hänge es von den Eltern ab, etwa, ob sie bei Hausübungen helfen können.

Stichwort Spracherwerb: Mittlerweile sind türkische TV-Sender auch in Österreich empfangbar. Lernen Migrantenkinder schlechter Deutsch, wenn sie viele türkische Sendungen sehen? "Es gibt Untersuchungen, die darauf hindeuten", sagt Güngör. "Aber das ist eher dort der Fall, wo ein Ehepartner aus der Türkei geholt wurde."

Omar Al-Rawi von der Initiative muslimischer Österreicher ergänzt: "Es gibt viele, die nur diese Sender schauen." Das halte er zwar für "problematisch", eine Getto-Bildung gebe es in Wien aber nicht: "Die Struktur der Stadt ist überall durchmischt."

Der in der Türkei geborene Ex-Bundesrat Efgani Dönmez (Grüne) glaubt, dass die Integration der meisten in Österreich lebenden Türken, nicht oder nur mangelhaft gelungen sei: "Das ist schmerzhaft, aber die Türken sind die am schlechtesten integrierte Migrantengruppe."

Viele seien auch in dritter oder vierter Generation nur Hilfsarbeiter, könnten schlecht Deutsch und identifizierten sich nicht mit Österreich. Schuld seien türkischen Kulturvereine, wo auch problematische religiöse und politische Ideen verbreitet würden: "Die leben davon, dass eine Spaltung zur Mehrheitsgesellschaft bleibt."

"Türkeifahnen müsste man heute verkaufen", sagt der Mann am Bierstand. "Die würden besser gehen." Tatsächlich verirren sich nur wenige Gäste hierher, um alkoholische Getränke zu konsumieren. "Das Bier gibt es auch alkoholfrei", versucht es der Verkäufer mit allen Mitteln – vergebens. Auch der kleine Stand mit den Österreich-Schals und -Fahnen ist diesmal kaum besucht.

"Turkiye, Turkiye", hallt es über den Vorplatz des Stadions schon zwei Stunden vor dem Anpfiff. Vor dem Wettstand bildeten sich bereits Schlangen, schließlich galt das türkische Team als Außenseiter – 3,50 Euro für einen wurden für einen Sieg geboten. Viele Türken sahen hingegen ihre Mannschaft als Favorit, Hunderte feierten bereits im Vorfeld ihr Team.

Zu sehen war dies auch, als die beiden Mannschaftsbusse gegen 19 Uhr beim Stadion eintrafen. Während das Gefährt des türkischen Teams von Fans umringt wurde und die Polizei erst die Durchfahrt zum Stadion freimachen musste, blieb das österreichische Teams fast unbemerkt – nur eine Handvoll Fans fertigten Selfies an. Rund um das Stadion war deshalb häufig von einem Auswärtsspiel die Rede.

Integration von Türken: Aufstieg bleibt schwierig
Bis zu drei Sicherheitsschleusen bei manchen der Fan-Sektoren.
Polizei war kaum zu sehen, beziehungsweise hielten sich die Beamten im Hintergrund. Gerade einmal 450 Beamte waren vor Ort. "Bei Austria gegen Rapid haben wie drei Mal so viele im Einsatz", hieß es bei der Polizei. Allein daran war ersichtlich, dass die Gefahr im Vorfeld eher medial hochgekocht wurde. Das Spiel gegen die Türken war nicht einmal als Hochrisiko-Spiel eingestuft worden.

Dennoch gab es groß angelegte Sicherheitskontrollen an den Eingängen. In einigen Sektoren musste man drei Sicherheitsschleusen durchdringen, um ins Stadion zu gelangen. Es ging auch darum, zu verhindern, dass – wie beim Albanienspiel – Böller in das Stadioninnere gelangen. Ein Blick auf die konfiszierten Gegenstände zeigte aber: Es wurden fast ausschließlich Dosen und Plastikflaschen mit Getränken abgenommen. Es war ein friedliches Fußballfest.

Ära der Gastarbeiter
Von 1962 bis 1973 wurden Gastarbeiter angeworben; 11,8 Prozent waren Türken.

116.053 Menschen
mit türkischer Staatsbürgerschaft lebten am 1. Jänner 2016 in Österreich.

Türkische Community
240.000 Personen werden der türkischen Community zugerechnet.

Großteil in Wien
2,5 % aller Bewohner der Hauptstadt sind türkische Staatsbürger. Von 1,8 Millionen Menschen haben also 45.934 die türkische Staatsbürgerschaft.

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