Mädchen nach Routine-OP schwer behindert

Nadina wurde 2008 als Baby in Innsbruck operiert und erlitt einen Gehirnschaden.
Ein 56-jähriger Anästhesist steht in Innsbruck vor Gericht.

Der Verteidiger sprach am Montag zum Prozessauftakt von einem „Super-GAU“ für die Familie von Nadina. Sein Mandant, ein 56-jähriger Anästhesist, bekannte sich jedoch am Landesgericht Innsbruck für nicht schuldig. Er war im Jänner 2008 für die Narkose und die Nachsorge bei Nadina zuständig. Das damals sechs Wochen alte Mädchen wurde am Landeskrankenhaus Innsbruck wegen eines Leistenbruchs operiert. Nach dem Routineeingriff war sie schwerstbehindert.

Die Anklage lautet auf fahrlässige Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen. Laut Gutachter Gernot Pauser hat Nadina nachweislich eine schwere Hypoxie (Sauerstoffmangel) erlitten, die ihr Gehirn beschädigt hat. Der Angeklagte bestritt jedoch, dass das unter seiner Aufsicht passiert sein könnte: „Eine Hypoxie wäre mir aufgefallen.“ Auffälligkeiten hätten im OP-Saal auch nicht verheimlicht werden können, so der Mediziner. „Bei einem schweren Sauerstoffmangel wäre eine Reanimation notwendig gewesen.“

Kritik an Dosierung

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 56-Jährigen vor, trotz Verabreichung mehrerer Narkosemittel (unter anderem Propofol) in teils sehr hoher Dosierung und festgestelltem Sauerstoffmangel das Kind nicht ausreichend überwacht zu haben. Die Kombination und Dosierung der Medikamente für die Narkose seien völlig normal gewesen, meinte der Anästhesist hingegen. Das Kind habe nach der Operation nur „etwas länger nachgeschlafen“.

Der Mediziner gestand zwar ein, dass es eine Dokumentationslücke in der Überwachung gibt. Die klafft zwischen jener Zeit, in der Nadina vom OP-Tisch in ein Kinderbett verlagert wurde und der Aufnahme des Mädchens in der Aufwachstation. „Ich war ständig bei Nadina. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit“, meinte der Arzt auf die Frage, ob er das Kind immer im Auge behalten hat.

Kritische Fragen musste er sich auch zu den protokollierten Werten anhören. Dabei ging es vor allem um die Sauerstoffsättigung. Die sei zwar nach dem problemlosen Extubieren nicht „befriedigend“ gewesen, sagte der Angeklagte. Man habe aber Sauerstoff über eine Maske verabreicht. „Die Werte waren immer im normalen Bereich“, versicherte er.

Erst im Nachhinein habe er von Herzdefekten erfahren, die das Kind offenbar hatte. „Ich wüsste selbst gerne, was die wirkliche Ursache von Nadinas jetzigem Zustand ist“, meinte der Anästhesist. Er bedauere den Zustand des Mädchens sehr und sei daran interessiert aufzuklären, was damals passierte, fügte er hinzu.

Nadina leidet laut dem Anwalt der Familie unter anderem an tief greifenden Entwicklungs- und komplexen Wahrnehmungsstörungen, einer zerebralen Sehstörung und einer schweren Epilepsie mit therapieresistenten Krampfanfällen. „Die Eltern brauchen finanzielle Unterstützung und man hat sie hier zuerst gegen eine Wand rennen lassen“, kritisierte die Staatsanwältin gestern.

Jahrelanger Streit

Mit Unterstützung der Arbeiterkammer hat die Familie auch eine Zivilklage gegen die Krankenhausanstalt betrieben. Im Mai stellte die Tilak dann eine Haftung für den Fall außer Frage. Der Strafprozess gegen den Anästhesisten wird heute, Dienstag, fortgeführt, ein Urteil für Mittwoch erwartet.

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