Der Feind im eigenen Schlafzimmer

Die Zahl der Home-Invasions steigt rasant an.
Zahl der speziellen Überfälle nimmt dramatisch zu. Opfer erzählen von ihrem Martyrium.

Für die Psyche der Opfer ist es extrem traumatisierend. Die meist sehr brutalen Täter dringen in die intimste Privatsphäre ein und stehen mitten in der Nacht schwer bewaffnet im Schlafzimmer. "Home Invasion" nennt sich diese besonders skrupellose Verbrechensform, die bei Kriminellen derzeit hoch im Kurs steht.

In Niederösterreich ist die Zahl dieser speziellen Überfälle von einem Jahr auf das andere regelrecht explodiert. 2014 waren es gerade einmal zwei Home-Invasions, 2015 bereits elf. Und auch in Wien, das bis dato verschont geblieben ist, scheint dieses Verbrechen nun Schule zu machen. Nach gleich zwei Überfällen auf wohlhabende Ärzte-Ehepaare in Döbling ist die Exekutive seit dieser Woche in Alarmbereitschaft. Die Nobelbezirke werden bereits verstärkt überwacht.

Der Feind im eigenen Schlafzimmer
Home-Invasion,Puchberg,Martha Postl,ein Jahr danach

Frosch-Bande

Was es bedeutet, wenn um zwei Uhr nachts mehrere maskierte Männer im Schlafzimmer stehen und wie wild auf einen losprügeln, mussten Bettina und Friedrich Mank am eigenen Leib verspüren. Das Ehepaar wurde vergangenen Juni in seiner Villa in Alland (NÖ) von der berüchtigten "Frosch-Bande" heimgesucht. Die Rumänen sind für mindestens sieben Überfälle in Österreich, der Schweiz und Deutschland verantwortlich. "Die Opfer wurden teilweise auch vergewaltigt. Bei einem Überfall in Bayern im September töteten sie einen 72-jährigen Mann", erklärt Chefinspektor Josef Deutsch vom nö. Landeskriminalamt. Die mittlerweile elf Täter warten in der Justizanstalt Wiener Neustadt auf ihren Prozess.

"Obwohl der Überfall fast ein Jahr her ist, ist an ein normales Leben nicht mehr zu denken", sagt Bettina Mank. Sie quälen Schlafstörungen und Angstzustände, das Paar schließt sich nachts im Schlafzimmer ein und verbarrikadiert die Türen. Friedrich Mank wurde von den Räubern übel zugerichtet. Er erlitt eine Gehirnerschütterung, außerdem zertrümmerten die Männer ihm den Kiefer. "Sie zwangen uns, den Tresor aufzusperren. Dann haben sie mich in die anderen Räume gezerrt, weil sie noch mehr wollten", sagt Friedrich Mank (72). Die Männer ließen ihre Opfer gefesselt zurück.

Der Feind im eigenen Schlafzimmer
Home-Invasion,Alland,Familie Mank,Herr Mank

Drei Wochen später blickte Martha Postl (69) in ihrem Bett in den grellen Lichtschein einer Taschenlampe. Die "Frosch-Bande" hatte die Pensionistin im Schlaf in ihrem Haus in Puchberg am Schneeberg überrascht. Vergessen kann sie das traumatische Ereignis nicht. Ihre linke Gesichtshälfte ist von den wuchtigen Schlägen immer noch taub. "Ich habe jetzt die Fenster vergittert und einen Hund. Aber die Angst ist immer noch da. Das wird auch nicht mehr", erzählt Postl.

Tipps

Hundertprozentigen Schutz gibt es keinen, allerdings hat die Polizei wichtige Tipps. Generell werden Häuser ohne Alarmanlage von Kriminellen öfter heimgesucht als jene mit. "Beim Zusammentreffen mit Tätern im Haus oder der Wohnung ist es wichtig, zu kooperieren und keine Gegenwehr zu leisten. Auf ein aggressives Entgegentreten reagieren Kriminelle meist mit noch größerer Brutalität", erklärt Deutsch. Gerade bei Home-Invasion werden meist ältere Menschen als Opfer ausgewählt, weil von ihnen kaum Gegenwehr zu erwarten ist.

Menschen, die in Österreich einem Verbrechen zum Opfer fallen, steht umfassende Hilfe zu – vom Schmerzensgeld bis hin zur Prozessbegleitung. Die Opferschutz-Organisation Weisser Ring hat allerdings die Erfahrung gemacht, dass sehr viele Opfer darüber nicht Bescheid wissen und das Angebot daher gar nicht annehmen.

"Bei Fällen von häuslicher Gewalt ist die Behörde verpflichtet, die Gewaltschutzzentren einzuschalten. Das ist aber bei anderen Delikten nicht so", erklärt Dina Nachbaur vom Weissen Ring. Am 4. April diskutiert der Justizausschuss des Parlaments darüber, auch bei anderen Verbrechen eine verpflichtende Kontaktaufnahme einzuführen.

Der Weisse Ring hat im vergangenen Jahr 2000 Betreuungen von Verbrechensopfern durchgeführt. "Die wenigsten wissen, dass ihnen nach dem Verbrechensopfer-Gesetz vom Staat Schmerzensgeld zusteht. Wir helfen dabei, dafür sind wir da", sagt Nachbaur. Ein Antrag kann beim Sozialministerium gestellt werden. Für eine schwere Körperverletzung bis hin zu einer Körperverletzung mit Dauerfolgen stehen den Opfern zwischen 2000 und 12.000 Euro zu.

"Jeder hat außerdem Anrecht auf eine rasche Krisenintervention und psychologische Betreuung, damit sich Symptome nicht verfestigen", erklärt Nachbaur.

Ein wichtiger Punkt sei die Prozessbegleitung. Wer Opfer eines Verbrechens wurde, kann vollkommen kostenlos rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen. "Gerade Strafverfahren, wo die Betroffenen wieder auf die Täter treffen, sind enorm belastend. Daher ist es wichtig, begleitet zu werden und eine rechtliche Vertretung zu haben", sagt Nachbaur.

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