Heimskandal: Land pocht auf Verjährung

Zwei Ex-Zöglinge des Heims St. Martin haben das Land verklagt.
Vor Gericht müssen Heim-Opfer beweisen, dass sie für Klagen zu traumatisiert waren

2,1 Millionen Euro hat das Land bisher an Missbrauchsopfer bezahlt, die in Tiroler Erziehungsheimen nach 1945 systematisch gequält wurden. Für Andreas Brugger von der Liste Fritz sind die Beträge von jeweils bis zu 25.000 Euro nicht mehr als "Gnadengeschenke", wie er am Freitag bei einer Pressekonferenz erklärte.

Betroffenen, die ihre Ansprüche durch die Entschädigungszahlungen nicht abgedeckt sehen, bleibt nur der Klagsweg. Landtagsabgeordneter Brugger kritisiert, dass dann das Land jedoch auf Verjährungsfristen pocht: "Zu sagen 'Pech gehabt, ihr hättet früher kommen müssen' ist schäbig". Die Oppositionspartei fordert die Landesregierung nun in einem Antrag auf, von dieser Praxis Abstand zu nehmen.

Zwei Fälle sind derzeit gerichtsanhängig, bei denen ehemalige Zöglinge des Erziehungsheims St. Martin in Schwaz auf 900.000 bzw. 280.000 Euro geklagt haben. Die Anwälte der Frauen begrüßen den Vorstoß der Liste Fritz. "Die Haupthürde würde wegfallen", erklärt der deutsche Jurist Christian Sailer, der den größeren der beiden Fälle betreut. So muss seine Mandantin jedoch glaubhaft machen, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten zu traumatisiert war, um rechtliche Schritte zu setzen.Sie wird Anfang März von einem Gutachter untersucht.

Das selbe gilt für die Mandantin des Innsbrucker Anwalts Albert Heiss. Sie soll Ende der 1970er-Jahre in St. Martin unter anderem sexuell missbraucht und geschlagen worden sein. Würde das Land auf den Einwand der Verjährung verzichten, wäre das für Heiss "ein rechtsethisches Entgegenkommen" gegenüber den Opfern.

Doch das wird es nicht geben, wie Soziallandesrätin Christine Baur (Grüne) erklärt: "Das wäre ein willkürlicher Akt. Hier geht es auch um Rechtssicherheit. Es stellt sich sonst die Frage, in welche Fällen man auf Verjährungsfristen verzichtet." Bei der Opferschutzkommission seien diese hingegen bewusst nicht zum Kriterium gemacht worden.

Auch die beiden Klägerinnen wurden von der Anlaufstelle abgefunden. Dabei mussten sie erklären, keine weiteren Ansprüche zu erheben. "Viele Opfer sind nicht mit finanziellen Mitteln gesegnet. Da wird schnell etwas unterschrieben", erklärt Heiss.

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