Heimische Bauern zittern vor Enteignung in Ungarn

Attaché Zimmerl: Das Vorgehen ist „sicher nicht korrekt“ Günter Gelbmann betreibt einen Mittelbetrieb. Noch macht ihm die drohende Enteignung keine Sorgen.
Österreicher sollen ab Mai in Ungarn ihre Nutzungsrechte verlieren. Minister interveniert.

Geht es um Österreicher, die in Ungarn eine Landwirtschaft betreiben, dann werden sowohl im Nachbarland als auch hierzulande die Messer geschliffen. Denn seit Jahresende mehren sich die Meldungen, dass sich ausländische Bauern in Ungarn Sorgen um ihre Gründe machen müssen.

Auslöser dafür ist ein neues Gesetz in Ungarn. Das besagt, dass Ausländer die Nutzungsverträge für Ackerflächen (im Original: Haszonélvezeti Szerzödések) mit 1. Mai 2014 verlieren (siehe Zusatzbericht).

Die Suppe wird bereits heiß gegessen. Denn unlängst kündigte Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) an, sich des Themas zu bemächtigen. In einem Brief an seinen ungarischen Kollegen Sandor Fazekas hat er bereits sein „Unverständnis“ darüber ausgedrückt, dass von Ausländern legal erworbene Nutzungsrechte an ungarischen Ackerflächen ab dem Frühjahr ihre Gültigkeit verlieren sollen. Auch im Nationalrat macht man Druck. Die Liste Stronach wollte zuletzt von Außenminister Sebastian Kurz wissen, was er in dieser Sache unternehmen werde.

Unkorrekt

Heimische Bauern zittern vor Enteignung in Ungarn
ernst zimmerl, attache in ungarn
Für den österreichischen Agrarattaché in Budapest, Ernst Zimmerl, sind die Zeiten derzeit hart. Für ihn handle die ungarische Verwaltung in dieser Causa „sicher nicht korrekt. Es handelt sich bei diesem Gesetz schlicht und einfach um eine Enteignung.“

Wie viele Personen von der drohenden Enteignung betroffen sind, könne Zimmerl aber „nicht einmal dem Minister sagen, weil ich es nicht weiß“.

Von 200 Österreichern, die an die 200.000 Hektar Grund und Boden (vier Prozent der ungarischen Ackerfläche) bewirtschaften, ist die Rede. Die von ungarischen Behörden kolportierte Zahl, wonach Österreicher sogar eine Million Hektar bewirtschaften würden, will der Agrarattaché nicht glauben. „Das stimmt mit Sicherheit nicht.“ Österreichs Bauernvertretung ist nun bemüht, genauere Fakten zu erhalten. Ein Aufruf an die Betroffenen ist bereits ergangen.

Bei dem Konflikt geht es aber nicht nur um Nutzungsverträge. Ausländische Grundbesitzer, die Flächen in einem Nationalpark erworben haben, stehen ebenfalls unter Druck. Vor eineinhalb Jahren hat Ungarn ein Gesetz verabschiedet, mit dem Grundeigentümer aufgefordert wurden, ihren Besitz zu verkaufen. Anderenfalls werde man sie enteignen. Davon betroffen sind sowohl Ausländer wie auch Ungarn. Erste Verfahren laufen.

Irritationen

Die so bedrohten Grundbesitzer aus Österreich sind verunsichert, wollen aber in dieser angespannten Situation nicht Öl ins Feuer gießen. Einer von ihnen ist Günter Gelbmann aus Andau. Er bewirtschaftet einen „Klein- bzw. Mittelbetrieb“ mit weniger als 500 Hektar in Ungarn.

Vor neun Jahren hat er eine Ges.m.b.H. gegründet. Auf den Grundstücken nahe der Grenze baut er Zuckerrüben, Weizen, Gerste und Mais an. Offiziell hat er den Grund von seinem Schwiegervater gepachtet. Im Grundbuch steht er dennoch: „Bis dato hatte ich keine Schwierigkeiten – weder mit dem Gemeindeamt noch mit dem Grundbuchamt.“ Hier, in Ungarn, gehe „alles glatt“ über die Bühne, sagt der 41-Jährige auf KURIER-Anfrage.

Heimische Bauern, die sich mehr Sorgen machen, wollen dagegen nicht öffentlich auftreten. Sie warten jetzt ab, was die Politik in Verhandlungen erreicht.

Spannungen rund um den ungarischen Boden hat es immer wieder gegeben. Der ungarischen Regierung war die Nutzung des Ackerbodens durch Ausländer ein Dorn im Auge. Bis 1. Mai 2014 konnte Ungarn den Landverkauf an Ausländer durch ein Moratorium der EU verbieten, deshalb gibt es das neue Bodengesetz.

Es besagt, dass nur jene Personen Ackerland in Ungarn kaufen oder pachten dürfen, die hauptberuflich Landwirte sind. Drei Jahre sollten die Käufer oder Pächter ständig in Ungarn gewohnt haben und ein in Ungarn versteuertes Einkommen nachweisen. Spekulationen mit Land würden durch das neue Gesetz ein Riegel vorgeschoben. Denn wer Grund kauft, muss auch das Bodennutzungsrecht aktiv ausüben. Lokale Bodenkommissionen, die den Kauf von Agrarflächen genehmigen, sollen das überprüfen.

Bisher gab es viele Investoren, die sich in den vergangenen 20 Jahren über ungarische „Strohmänner“ und mittels Taschenverträgen landwirtschaftliche Flächen sichern konnten. Ein Ungar bekommt von einem ausländischen Investor Geld, um Grund zu pachten oder zu kaufen. Über eine gemeinsame Gesellschaft wird die Fläche bewirtschaftet. Diese Vorgangsweise will die ungarische Regierung mit dem Gesetz jetzt unterbinden.

Rechte im Grundbuch

Sogenannte Nießbrauchverträge waren zwischen 1994 und 2001 möglich und wurden entweder auf eine bestimmte Anzahl von Jahren oder auch bis zum Ableben einer natürlichen oder juristischen Person vereinbart. Diese Rechte wurden auch ins ungarische Grundbuch eingetragen. Es gibt dazu eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Ungarns aus dem Jahre 2010, gemäß der ein derartiger Vertrag als legal angesehen wird.

Agrarattaché in Ungarn, Ernst Zimmerl: Tel.: 0036 1 47970 85

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