HCB: Notfallpläne greifen laut Grünen zu spät

Wolfgang Pirklhuber: "Verwirrungen und Zeitverzögerungen"
Kritik an komplexer Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern. Fünf Punkte für Krisenmanagement vorgelegt.

Die Grünen haben am Mittwoch in Sachen HCB-Skandal in Kärnten davor gewarnt, dass die Notfallpläne zur Lebensmittelsicherheit "viel zu spät" greifen. Diese kämen erst zum Tragen, wenn eine Gesundheitsgefährdung droht bzw. eine überregionale Auswirkung erwartet wird, hieß es bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Partei präsentierte daher fünf Forderungen für ein besseres Krisenmanagement.

Die Bevölkerung wurde erst Ende November über mit Hexachlorbenzol belastete Lebensmittel aus dem Görtschitztal informiert, obwohl die Grenzwertüberschreitungen bereits am 27. März bekannt waren, kritisierte Wolfgang Pirklhuber, Grünen-Sprecher für Lebensmittelsicherheit. Er machte unter anderem die komplexe Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern dafür verantwortlich. Außerdem sei der Anlassfall für die Aktivierung eines Notfallplans nicht genau definiert. Das führe zu Verwirrungen und Zeitverzögerungen.

Einsatzgruppe

Die Grünen schlugen daher die Einrichtung einer Einsatzgruppe der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) für Krisen-und Vorsorgemaßnahmen mit gesetzlich festgelegter Kompetenz vor. Es brauche eine Eingreiftruppe, die vor Ort aktiv werden kann, beispielsweise für zusätzliche Probenziehungen, sagte Pirklhuber.

Der Notfallplan soll mit koordinierten Maßnahmen bereits bei spezifischen Verdachtsmomenten greifen, so eine weitere Forderung. Auch bei einer systematischen Kontamination unterhalb gesetzlicher Grenzen könne es sein, dass diese Grenzwerte plötzlich überschritten werden, wenn die Ursache der Kontamination nicht bekannt ist und daher nicht beseitigt werden kann, warnte Pirklhuber.

Außerdem sollen nach dem Wunsch der Grünen verstärkt Experten aus den Länderbehörden, dem wissenschaftlichen Bereich sowie der Zivilgesellschaft und von NGOs eingebunden werden. Viertens müsse die Ursachenforschung frühzeitig und ressortübergreifend durch die AGES-Einsatzgruppe koordiniert werden.

Transparenz

Als letzten Punkt forderte Pirklhuber, Ergebnisse der internationalen und eigenen Risikoforschung und die Interpretation von Grenzwerten durch die AGES allen Bürgern transparent zugänglich zu machen. Zur Ausgewogenheit sollen mehrere Studien - zum Beispiel auch von Umweltorganisationen - berücksichtigt werden. Diese Vorschläge der Grünen sollten am Mittwoch auch im Gesundheitsausschuss mit Ministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) diskutiert werden. Von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) forderte Pirklhuber, Mittel aus dem Katastrophenfonds beizusteuern, um die "unschuldig zum Handkuss gekommenen Bauern" aus dem Görtschitztal ausreichend zu entschädigen.

Unterdessen will das Zementwerk Wietersdorfer im Kärntner Görtschitztal gegen den Bescheid des Landes Einspruch erheben, der dem Werk die Verwendung von Blaukalk verbietet (mehr dazu unten)

Das Wietersdorfer Zementwerk im Kärntner Görtschitztal wird gegen den am Dienstag erlassenen Bescheids, der dem Werk die Verwendung von Blaukalk verbietet, Einspruch erheben. Es gehe nicht um das Erzwingen der weiteren Blaukalk-Verarbeitung, wurde betont, sondern um eine "rechtliche Klärung". Das Unternehmen weist für das vergangene Jahr einen Bilanzgewinn von 22,7 Millionen Euro aus.

Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) der "w&p Zement GmbH" lag bei 3,9 Millionen Euro, im Jahr davor waren es 2,6 Millionen gewesen. Eigentümer sind zu 75 Prozent die Wietersdorfer Zementholding GmbH und zu 25 Prozent die Wietersdorfer Finanz und Beteiligungs GmbH. Beide Firmen gehören wieder anderen Unternehmen, letztlich münden aber alle Verflechtungen in der Knoch, Kern & Co. KG, die von Christina Fromme-Knoch und Michael Kern geleitet wird und den Eigentümerfamilien gehört. Wie viel die Muttergesellschaft umsetzt und verdient, ist seit jeher ein gut gehütetes Geheimnis, als Kommanditgesellschaft muss sie keine Zahlen veröffentlichen.

Wie die Kronen Zeitung berichtet, hat die "w&p Zement GmbH" im Grundbuch mehreren Banken per 30. Juni 2014 ein Pfandrecht mit dem Höchstbetrag von 24 Millionen Euro eingeräumt. Die Verbindlichkeiten des Unternehmens gegenüber Kreditinstituten betrugen mit Ende 2013 laut Bilanz 26,7 Millionen Euro, die Sachanlagen sind in der Bilanz mit 39,6 Millionen bewertet.

Sanierung

Die Sanierung der Blaukalk-Deponie der Donau Chemie in Brückl dürfte für Wietersdorfer bisher kein schlechtes Geschäft gewesen sein, hat man doch für den Blaukalk, der als Rohstoff zur Zementproduktion verwendet wurde, Geld bekommen. Die Sanierung der Deponie ist ein Projekt mit einem Gesamtvolumen von rund 40 Millionen Euro, der weitaus größte Teil davon wird aus dem Altlastensanierungsfonds bezahlt.

Wietersdorfer hat eigenen Angaben zufolge bisher 750.000 Euro an Überbrückungshilfe bereitgestellt. Eigentümervertreterin Christina Fromme-Knoch erklärte, in dieser Summe seien auch "150.000 Euro Soforthilfefonds für besondere Härtefälle" inkludiert. Die von der Politik angekündigte Initiative zum Neustart für das Görtschitztal werde von der w&p Zement GmbH ausdrücklich begrüßt, man sei schließlich ein regional verankertes Familienunternehmen.

Unterdessen hat Greenpeace neue Messwerte bekannt gegeben. Sieben Milchproben waren außer auf Hexachlorbenzuol auch auf Quecksilber und Hexachlorbutadien (HCBD) untersucht worden, gefunden wurde nichts. Eine Milchprobe, in der HCB über dem Grenzwert festgestellt worden war, wurde zusätzlich auf 15 weitere Chlorkohlenwasserstoffe untersucht, ebenfalls mit negativem Ergebnis. Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster will aber noch immer nicht von Entwarnung sprechen, da die Ergebnisse für Dioxine und polychlorierte Biphenyle leider noch ausständig seien.

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