Handgranaten-Mord: Ein Brief vom Angeklagten

Handgranaten-Mord: Ein Brief vom Angeklagten
Motiv: Streit um Geld und angebliche Bedrohung durch die Opfer.

Der Mann mit der modischen Undercut-Frisur, der in Wien-Ottakring sein „Arsenal des Todes“ (Staatsanwalt) zum Einsatz brachte, möchte nicht mehr darüber reden. Kristijan H. hat dem Staatsanwalt und der Richterin einen Brief geschrieben, das müsse genügen. Geständig ist der frühere Berufsschullehrer ohnehin. Am 11. Jänner 2014 hat der 35-Jährige zwei Partner seiner illegalen Treibstoff-Geschäfte in eine Todesfalle gelockt und mit einem Kopfschuss sowie einer im Auto gezündeten Handgranate getötet, ein Sturmgewehr und eine Rohrbombe blieben in der Hinterhand.

Motiv: Streit um Geld, und – wenn man dem Ankläger glaubt – Bedrohung durch die Opfer und deren Umfeld für ihn und seine Familie, selbst noch in der U-Haft – wenn man dem Angeklagten glaubt.

Mitangeklagt sind H.s Schwester Renata, die Waffen aufbewahrte, und Dejan V., der welche besorgte. In beiden Fällen angeblich nur zur Selbstverteidigung von Kristijan H. Die Schwester weint im Mordprozess dauernd und will nichts vom Mordplan gewusst haben, obwohl sie dem Bruder dabei zuschaute, wie er Projektile durch Zuschleifen durchschlagskräftiger machte.

Dejan V. stand beim Zünden der Granate nur fünf Meter entfernt und wäre fast in der Tatortmappe mit den Leichenfotos gelandet, sagt sein Anwalt Ernst Schillhammer: „Wenn er gewusst hätte, was passieren wird, wäre er doch weggelaufen.“

Prozessfortsetzung am Donnerstag.

Am 11. Jänner dieses Jahres herrschte mitten in Wien-Ottakring Krieg. Der 35-jährige Kristijan H. bot laut Anklage ein ganzes Waffenarsenal auf, um zwei Geschäftspartner loszuwerden: Eine 6,3 kg schwere Rohrbombe, die wegen ihrer Unberechenbarkeit dann doch nicht gezündet wurde; einen Revolver Smith&Wesson, bei dessen Projektilen er die Spitzen abschabte, damit sie im menschlichen Körper nach einem Treffer besser zerreißen; ein Sturmgewehr mit zwei Magazinen; sowie eine Splitterhandgranate mit 36 g Sprengstoff und einem Splittermantel aus 3000 Stahlkugeln.

Grausam

Das erste Opfer, den 45-jährigen Zlatko N., soll H. im Auto mit einem Kopfdurchschuss und zwei Schläfenschüssen ermordet haben. Besonders grausam war der Tod des zweiten Opfers, des 57-jährigen Waldemar W.: H. soll die gezündete Handgranate in den Fußraum geworfen haben und aus dem Wagen geflüchtet sein. Waldemar W. war aufgrund seines Gewichts von 124 kg nicht so beweglich. Es "gelang ihm noch, die Handgranate zu fassen und in seine linke Hand zu nehmen, ehe sie darin explodierte" (aus der Anklageschrift). Der 57-Jährige war noch einige Zeit bei Bewusstsein und rief nach Hilfe, ehe er in Ohnmacht fiel und später im Rettungsfahrzeug starb. Die gewaltige Explosion, die Fensterscheiben der umliegenden Häuser zersplittern ließ, wurde von der Videoüberwachung einer Spenglerei gegenüber des Tatortes aufgezeichnet.

Kommenden Mittwoch beginnt im Wiener Landesgericht der Mordprozess gegen Kristijan H. und seine mutmaßlichen Komplizen, seine Schwester Renate H. sowie Dejan V. (als Verteidiger schreiten Marcus Januschke, Erwin Schillhammer, Nikolaus Rast und Philipp Winkler ein). Es wird viel von illegalen Geschäften mit gepanschtem Treibstoff die Rede sein (siehe Zusatzbericht). Kristijan H. und die Opfer sollen damit binnen Monaten 700.000 Euro ergaunert und sich um die Aufteilung gestritten haben. Waldemar W. agierte bei dem Steuerschwindel als "Strohmann" und sollte nach erfolgreichem Abschluss mehrerer Deals untertauchen. Als er jedoch sehr präsent blieb und höhere Anteile verlangte, soll H. den Mordplan geschmiedet und Zlatko N. miteinbezogen haben.

Die Opfer wurden mit einem vorgetäuschten neuen lukrativen Mineralölgeschäft in die tödliche Falle gelockt. Skrupel dürfte der mutmaßliche Haupttäter Kristijan H. keine gehabt haben.

Kurz vor den Attentaten auf die Ex-Geschäftspartner dachte er eigenen Angaben zufolge, dass "die beiden Trottel mit den Geschäften 400.000 Euro verdient haben, da kam ich mir ausgenutzt vor."

Das illegale Geschäft mit Treibstoff, der am Fiskus vorbei eingeführt und bei kleinen Tankstellen in Österreich unter der Hand verkauft wird, ist überaus einträglich. Das steuerfreie Gemisch aus Altöl und Diesel wird billig eingekauft, umgepumpt und kommt mit gefälschten Zertifikaten an den Abnehmer. Der Staat verliert dadurch Millionen an Abgaben.

2013 sollen die Angeklagten gemeinsam mit den späteren Opfern bei 50 Lieferungen rund 1,543.974 Liter Kraftstoff verkauft haben. Sie waren nicht die Einzigen. Nach den vorläufigen Zahlen des Finanzministeriums wurden in dem Jahr mit nachgewiesenem Treibstoffschwindel insgesamt 18 Millionen Euro an Steuern hinterzogen. 2012 waren es 53 Millionen, im Jahr davor sogar 85 Millionen. Die kriminellen Netzwerke werden immer verzweigter und sind kaum mehr zu durchschauen.

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