Generelles Rauchverbot: Steiermark prescht vor

Das Rauchverbot in Lokalen bleibt weiterhin ein heiß diskutiertes Thema.
Rot-schwarze Landesregierung findet Maßnahme "höchst an der Zeit".

Mitten in den laufenden Koalitionsverhandlungen im Bund schicken SPÖ und ÖVP in der Steiermark eine Botschaft nach Wien: Ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie müsse her.

„Das ist höchst an der Zeit“, begründet Markus Zelisko, SPÖ-Gesundheitssprecher im Landtag. „Der typisch österreichische Weg, da ein bisserl Rauchen, dort ein bisserl Nichtrauchen, bietet keine Rechtssicherheit.“ Seine ÖVP-Kollegin Barbara Riener verweist auf umgesetzte Regelungen in anderen Staaten. „Es ist die Aufgabe des Staates, Menschen vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen.“

Deshalb schrieben sie im Namen ihrer Parteien einen Brief an Werner Faymann und Michael Spindelegger. „Dieses Papier muss im Rahmen der Koalitionsverhandlungen besprochen werden“, fordert Zelisko, auch wenn er darin keine Koalitionsbedingung sieht. „Aber jetzt ist es die richtige Zeit, das auszuverhandeln.“

Keine Klubs

In jeder Art Lokal sollte das Rauchverbot gelten, ohne Ausnahmen. „Es soll auch durch sogenannte Raucherklubs nicht umgangen werden können.“ Mit den Parteichefs Franz Voves und Hermann Schützenhöfer sei das akkordiert. ÖVP-Landesobmann Schützenhöfer hatte im Sommer nach einem Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis bereits ähnliches gefordert: Das Höchstgericht hält es nämlich für unzulässig, dass Nichtraucher durch Raucherbereiche gehen müssen. Das hebelt somit die Variante der „räumlichen Trennung“ in Lokalen aus.

Das geltende Gesetz aus 2009 sieht jedoch vor, dass Lokale zu Nichtraucher-, aber auch Rauchergaststätten deklariert werden können, wenn eine bestimmte Größe nicht erreicht wird. Überschreitet eine Gaststätte eine gewisse Größe, müssen die Wirte Bereiche trennen, notfalls auch umbauen. Der Verwaltungsgerichtshof hält jedoch auch schon den Weg zum WC für einen Nichtraucher durch den Raucherbereich für unzumutbar.

Förderungen

Für Lokalbesitzer, die bereits in dieser Weise umgebaut haben, fordern die steirischen Politiker finanzielle Unterstützung von Bund und Wirtschaftskammer. „Da muss es Förderungen geben“, überlegt Zelisko. „Aber allein auf steirischer Ebene kann man das alles nicht machen.“

SPÖ und ÖVP begründen ihren Vorstoß aber nicht nur mit der für sie unklaren Rechtslage, sondern auch mit Daten aus dem Gesundheitsministerium. Demnach sterben in Österreich jährlich rund 14.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums.

Dabei sei auch der Arbeitnehmerschutz wichtig, betont Riener und Zelisko. Jeder Mitarbeiter habe das Recht auf einen Arbeitsplatz ohne Beeinträchtigungen durch Rauch. Beschäftigte in der Gastronomie seien da bisher schlechter gestellt gewesen als Bedienstete anderer Branchen.

Auf Worte folgen jetzt Taten: Ende Oktober reichte der Wiener Gastwirt Heinz Pollischansky, 50, (Stiegl Ambulanz, Centimeter) Schadenersatz-Klage gegen die Republik ein.

Vertreten durch Rechtsanwalt Wolfgang Zorn wurde dem KURIER am Mittwoch ein brisanter Schriftverkehr zugespielt. Konkret handelt es sich um eine Anfrage der Wirtschaftskammer Österreich an das Gesundheitsministerium aus dem Jahr 2008 (siehe Faksimile).

Darin wollte die Interessensvertretung von 50.000 Gastronomiebetrieben wissen, ob es Nichtrauchern zumutbar wäre, auf dem Weg zu den Toiletten durch den Raucherbereich zu gehen.

Generelles Rauchverbot: Steiermark prescht vor

Franz Pietsch, hoher Beamter im Ministerium und Architekt des umstrittenen Tabakgesetzes, antwortete folgend: „Wenn nunmehr der Hauptraum (Nichtraucher, Anm. der Redaktion) jedoch so gelegen ist, dass Gäste auf ihrem Weg dorthin oder beispielsweise auch zu sanitären Anlagen kurz den Raucherraum zur Durchquerung betreten müssen, so erscheint dies zumutbar ...“

Der Fachverband Gastronomie nahm die ministerielle Rechtsauskunft als Basis zur Information ihrer Mitglieder. Am 1. Jänner 2009 trat schließlich der Nichtraucherschutz in der Gastronomie in Kraft. Tausende Wirte zogen Wände, Glastüren und Lüftungen in ihren Lokalen ein. Die Branche investierte 100 Millionen Euro in die Umbauten.

30.000 Euro vom Staat

Darunter auch Republik-Kläger Pollischansky: „Mich kosteten die Umbauten etwa 30.000 Euro. Die will ich jetzt vom Staat zurück.“

Grund: Im Sommer kippte der Verwaltungsgerichtshof (VwGh) das Gesetz. Seit 31. Juli 2013 ist es laut einer VwGh-Erkenntnis für Nichtraucher nicht mehr zumutbar, durch Raucherbereiche gehen zu müssen. Viele Umbauten waren plötzlich nutzlos. Betroffen davon sind 12.000 Gastronomen. Natürlich fühlt sich auch die Wirtschaftskammer (WKO) hinter das Licht geführt.

Deren Gastro-Chef Helmut Hinterleitner unterstützt daher die Klage gegen die Republik: „In Österreich muss es Rechtssicherheit geben. Wo kommen wir denn hin, wenn man sich auf Rechtsauskünfte des Ministeriums nicht mehr verlassen kann.“

Der zugespielte Schriftverkehr gilt daher als starker Tobak. Selbst die Sprecherin des Gesundheitsministers, Lisa Fuchs, räumte Mittwoch ein: „Das Erkenntnis des VwGh hat auch uns überrascht.“ Minister Stöger selbst sieht der Klage „gelassen entgegen“, ließ aber ausrichten, „während der Koalitionsverhandlungen zu aktuellen Polit-Themen nichts sagen zu dürfen.“

Auf Rauchpausen müssen die 480 Mitarbeiter von Norske Skog bald verzichten: Die Papierfabrik im obersteirischen Bruck an der Mur soll rauchfrei werden. Völlig, wie Unternehmenssprecher Gert Pfleger bestätigt: Nicht einmal mehr Rauchzonen am 20 Hektar großen Gelände im Freien sind vorgesehen.

Damit folge man bloß dem Vorbild des Mutterkonzerns, der solch umfassenden Rauchverbote in Norwegen und Frankreich bereits umgesetzt habe, erläutert Pfleger. Derzeit gäbe es noch „zwei Handvoll Raucherzonen“, die weggeräumt werden. Dafür sei auch schon eine Betriebsvereinbarung mit den Belegschaftsvertretern geschlossen worden.

Der Start ist noch offen, jedenfalls aber 2014. Ob es Kontrollen geben werde, könne er noch nicht sagen, betont Pfleger. „Aber es ist klar, es gibt Regeln, und die sind einzuhalten.“

Mitarbeitern würde aber auch Hilfe angeboten, generell von den Zigaretten loszukommen. „Wir sind massiv vorbereitet. Unsere Betriebsärztin hat eine spezielle Ausbildung zu dem Thema“, versichert Pfleger. „Wir haben im Vorfeld ein umfangreiches Programm erarbeitet, welche Möglichkeiten man gegen das Suchtverhalten setzen kann. Wir sind bei Bedarf auch in der Lage, Ersatzstoffe zu stellen, wie zum Beispiel Nikotinpflaster.“

Nicht haltbar

Arbeitsrechtliche Bedenken hat man in der Firma keine, die hegen dafür Juristen der Arbeiterkammer Steiermark. „Absolute Rauchverbote sind arbeitsrechtlich nicht haltbar“, bewertet Karl Schneeberger, Leiter der Abteilung Arbeitnehmerschutz. „Das halte ich für unzulässig, so leicht umsetzbar sehe ich das nicht.“ Allerdings bräuchte es da schon einen Kläger aus der Belegschaft, um dagegen vorzugehen. „Aber wer wird bei aufrechtem Dienstverhältnis schon seinen Arbeitgeber klagen?“

Erfahrungen mit einem betriebsweiten Rauchverbot mit Raucherzonen im Freien hat das Landeskrankenhaus Graz. 2007 eingeführt, wurde das Klinikum für die Initiative preisgekrönt: In den Gebäuden und am Gelände gilt Rauchverbot, außer in speziell ausgewiesenen Zonen im Freien. Die seien durchaus nötig, schildert Betriebsdirektor Gebhard Falzberger. „Ein generelles Rauchverbot ist bei uns derzeit kein Thema. Es gibt Leute, die halten es nicht aus, acht Stunden lang nicht zu rauchen.“

Als das Projekt vor sechs Jahren eingeführt wurde, kämpfte auch Falzberger mit Ressentiments. Doch das habe sich geändert: Von ursprünglich 100 Raucherzonen wurde bereits auf 50 reduziert; im Lauf der kommenden beiden Jahre soll noch einmal auf die Hälfte gesenkt werden.

„So ein Projekt geht nur gemeinsam mit der Belegschaft“, überlegt Falzberger, „und mit extremer Überzeugungsarbeit.“

Rechtsgrundlagen

Fürsorgepflicht: Eine Firmenleitung kann ein Rauchverbot auf dem Betriebsgelände verhängen, es greift das Grundrecht. Aber:
Ein absolutes Rauchverbot kennt das österreichische Recht nicht. Argumentiert wird die Maßnahme mit dem Nichtraucherschutz, doch laut Rechtsexperten haben Arbeitgeber auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Rauchern: Gesundheitsschutz für Nichtraucher müsse mit dem Persönlichkeitsschutz der Raucher abgewogen werden.

Kein Raucherraum: Defintiv geregelt ist der Arbeitnehmerschutz in anderen Bereichen: Sobald sich Nichtraucher und Raucher ein Büro teilen, gilt Rauchverbot. Allerdings ist die Firma nicht verpflichtet, einen Raucherraum zur Verfügung zu stellen. In öffentlichen Gebäuden gilt sowieso generelles Rauchverbot.

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