Fünf Tote bei Lawinenunglück in Tirol

Diese Lawine tötete fünf Menschen.
Auf der Wattener Lizum wurden 17 tschechische Wintersportler von einer Lawine mitgerissen.

Ein schweres Lawinenunglück in der Wattener Lizum in Wattenberg (Bezirk Innsbruck-Land) hat am Samstag fünf Tote und zwei Verletzte gefordert. Insgesamt wurden 17 tschechische Wintersportler verschüttet. Zehn Personen blieben bei dem Lawinenabgang unverletzt, teilte die Polizei bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in Innsbruck mit.

Die beiden bei dem Lawinenunglück verletzt geborgenen Tourengeher schweben nach bisherigen Informationen nicht in Lebensgefahr, sagte der Bezirkskommandant der Polizei Innsbruck Land, Gerhard Niederwieser. Über die genaue Identität der Toten war vorerst nichts bekannt.

Fünf Tote bei Lawinenunglück in Tirol
Lawine, Tirol, fünf Tote
Auch ob die Wintersportler die Lawine selbst auslösten, war vorerst weiter unklar und Gegenstand von Ermittlungen. Die Tschechen hielten sich laut Polizei im Rahmen eines "Freeride-Camps" in Tirol auf. Nach Angaben der Exekutive waren sie in zwei Gruppen mit zwölf und fünf Mitgliedern gerade im steilen Gelände auf dem Weg von der Lizumer Hütte auf den 2.857 Meter hohen Geier in den Tuxer Alpen unterwegs, als es zu dem Lawinenabgang kam. Das Schneebrett war mehrere hundert Meter breit und ebenso lang.

Um 12.14 Uhr wurden die Einsatzkräfte alarmiert, offenbar durch eine andere Tourengruppe. Beim Eintreffen der Rettungskräfte hatten sich einige Wintersportler bereits selbst aus der Lawine befreien können. Die letzte Bergung eines Verschütteten fand kurz vor 15.30 Uhr statt.

Warnungen ignoriert

Eine Gruppe hatte vor der Tour auf den Geier in der Lizumer Hütte übernachtet, die andere stieß ein wenig später hinzu. Der Hüttenwirt habe die tschechischen Wintersportler mehrfach auf die Gefährlichkeit der Tour hingewiesen und davon abgeraten, sagte Martin Waldhart von der Bergrettung Wattens. Er sprach von einer "absoluten Risikozone", in der sich die Tschechen bewegt hätten.

Weitere Lawinenopfer

In Tirol herrschte am Samstag Lawinenwarnstufe "3" auf der fünfteiligen Skala, insgesamt gingen 18 Lawinen ab. Außer den 17 tschechischen Freeridern in der Wattener Lizum wurden zahlreiche weitere Personen verschüttet, die genaue Anzahl war vorerst nicht bekannt. Zwei Personen wurden dabei verletzt, die anderen konnten sich Polizeiangaben zufolge selbst befreien oder wurden von den Rettungskräften geborgen.

In Weerberg (Bezirk Schwaz) verschüttete gegen 14.00 Uhr ein Schneebrett im Bereich der Weidener Hütte oberhalb des Hobarjochs einen Wintersportler. Er konnte geborgen werden und wurde verletzt in das Krankenhaus Schwaz eingeliefert. Seine Tourenkameraden kamen unverletzt davon.

Fünf Tote bei Lawinenunglück in Tirol
Am Skigebiet Rifflsee am Pitztaler Gletscher (Bezirk Imst) wurde ein Mitglied einer größeren Skigruppe gegen Mittag unter einer Lawine begraben. Der Wintersportler wurde von einem Lawinenhund gewittert und konnte mit leichten Verletzungen geborgen werden. Unverletzt blieb ein Snowboarder im Kühtai im Bereich der Drei-Seen-Bahn. Er hatte im freien Skiraum selbst ein Schneebrett ausgelöst und wurde verschüttet. Skifahrer, die den Unfall beobachtet hatten, gruben den Boarder unverletzt aus.

Ebenfalls ohne Verletzungen kamen Tourengeher davon, die in Sölden (Bezirk Imst) im Bereich Weißenkamm unter einer Lawine begraben worden waren. In Obergurgl (Bezirk Imst) konnte sich ein Wintersportler selbst aus einer Lawine befreien, in Volders (Bezirk Innsbruck Land) wurden laut Polizei mehrere Personen aus einer Lawine gerettet. In vielen anderen Fällen waren die Rettungskräfte im Einsatz, weil unklar war, ob sich unter den Lawinen verschüttete Personen befanden.

Während die Todesrate bei teilverschütteten Lawinenopfern bei rund vier Prozent liegt, ist sie bei komplettverschütteten mit 52,4 bedeutend höher. Die Überlebenschance nimmt laut Experten aber mit Dauer der Verschüttung diskontinuierlich ab.

"Nach 15 bis 20 Minuten unter einer Lawine gibt es einen steilen Abfall der Überlebenskurve", erklärte der Leiter des Instituts für Alpine Notfallmedizin an der EURAC in Bozen, Hermann Brugger, im vergangenen November im APA-Interview. In der ersten Phase liegt sie noch bei 91 Prozent (neun Prozent sterben in dieser Zeit an mechanischen Verletzungen), anschließend trete ein "tödlicher Knick" ein und die Kurve sinkt rapide auf etwa 30 Prozent ab. In dieser Phase sterben alle Opfer mit verlegten Atemwegen an raschem Ersticken, erläuterte der Experte: "Grundvoraussetzung für das Überleben in dieser Phase sind freie Atemwege. Das Vorhandensein einer Atemhöhle ist ein zusätzliches Plus".

Schneedichte spielt eine Rolle

Die jüngsten Analysen hätten gezeigt, dass auch die Schneedichte eine Rolle spiele, sagte Brugger: "Denn in einem kontinentalen Klima wie in den Alpen fällt die Überlebenskurve nicht so rasch ab wie beispielsweise in der Nähe des Pazifiks". Dies habe eine kanadische Studie gezeigt. Auch aus den in den Alpen gewonnenen Erfahrungswerten ergebe sich, dass die Überlebenschancen im Frühjahr mit feuchtem Schnee bereits nach zehn bis 15 Minuten schnell sinken. Ein weiteres Phänomen sei, dass die Zahl der tödlich Verletzten zugenommen habe, meinte der Experte: "Das liegt aber daran, dass Wintersportler vermehrt in steilem und felsendurchsetztem Gelände unterwegs sind".

Verschüttungsdauer

Neu sei auch, dass man bei einer Verschüttungsdauer von länger als 60 Minuten bei gleichzeitig freien Atemwegen und einer Körperkerntemperatur von unter 30 Grad neue Bergungs- und Behandlungsrichtlinien empfiehlt: "Das Lawinenopfer soll dann nicht so rasch, sondern so vorsichtig wie möglich geborgen werden". Die Behandlung der Unterkühlung sei dann vorrangig. Denn Opfer mit einer Körperkerntemperatur - diese wird in der Speiseröhre bzw. im Mittelohr gemessen - unter 30 Grad hätten bei einem Herzstillstand und einer anschließenden Reanimation eine bessere Überlebenswahrscheinlichkeit als Nicht-Unterkühlte. Der Sauerstoffbedarf des Körpers nehme nämlich mit der Abkühlung ab.

Kühlt ein Lawinenopfer zuerst ab und erleidet danach einen Herzstillstand, sei die Prognose deutlich günstiger. Vorausgesetzt beim Verunglückten werde eine kontinuierliche Reanimation durchgeführt und die Erwärmung erfolge anschließend in einer Klinik unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine, verdeutlichte der Notfallmediziner.

Es habe sich zudem gezeigt, dass die Reanimation von schwer unterkühlten Lawinenopfern, also mit einer Körperkerntemperatur von 28 bis 20 Grad, zwischenzeitlich für den Transport unterbrochen werden könne. Beispielsweise könne so fünf Minuten reanimiert und dann eine fünfminütige Unterbrechung für den Transport gemacht werden, sagte Brugger: "Viele Lawinenopfer werden ja aus exponiertem und unwegsamem Gelände geborgen".

Die Erkenntnisse über die Behandlung von Lawinenopfern wurden von Hermann Brugger und Peter Paal ausgearbeitet und sind in die 2015 erschienen Richtlinien des European Resuscitation Councils eingeflossen. Brugger ist Leiter des Eurac-Instituts für Alpine Notfallmedizin in Bozen und arbeitet unter anderem als Bergrettungsarzt im Alpenverein Südtirol.

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