Eine Heimreise in den Krieg

Flüchtling Ahmed A. reist zurück in seine Heimat Irak.
3195 Menschen kehrten heuer freiwillig zurück. Prämien spielten dabei keine Rolle.

Eine kleine schwarze Tasche in der Hand, eine um die Schulter gehängt. Sonst hat Ahmed A. nichts dabei. In den Taschen ist Kleidung. Sein Handy hält er in der Hand. Genauso wie seine Reiseunterlagen. Neun Monate war der 27-jährige Ahmed in Österreich. Wenn dieser Artikel erscheint, ist er bereits in seiner Heimat angekommen – dem Irak.

Ahmed kam im November als Flüchtling. Am Donnerstag stieg er in Wien-Schwechat ins Flugzeug. Freiwillig. Er gehört somit zu der wachsenden Zahl von Flüchtlingen, die zurückkehren wollen. Im ersten Halbjahr 2016 waren es insgesamt 3195 Menschen (2576 im 1. Halbjahr 2015; Anm.), die freiwillig ausgereist sind. Im gleichen Zeitraum wurden 1968 Menschen zwangsweise abgeschoben.

Keine Perspektive

"Ich bin hergekommen, um eine bessere Zukunft zu haben", erzählt Ahmed. "Ich wollte in Ruhe und Sicherheit leben." Also bezahlte er einen Schlepper, der ihn von der Türkei auf eine griechische Insel brachte. 40 Leute waren auf dem kleinen Schlauchboot. "Mit viel Glück" erreichte er Griechenland. "Ein Freund von mir fuhr mit einem Boot mit 150 Leuten. 60 davon sind ertrunken", erzählt er. Das Risiko kannte er schon vorher. "Aber es kann doch nicht gefährlicher als im Irak sein", dachte er sich und zahlte dem Schlepper die geforderten 1500 Dollar.

In Österreich landete er in einem Flüchtlingsheim in Litschau im nö. Waldviertel. "Die Leute dort wollten die Flüchtlinge nicht", meint er. Gesagt habe ihm das so zwar keiner. "Aber wir haben das alle gespürt."

Hier verlor er auch den Glauben an eine bessere Zukunft. Er habe in den neun Monaten weder eine Einvernahme für das Asylverfahren noch einen Deutschkurs gehabt. Verständigen kann er sich nur mit einer Dolmetscherin. "Ich bin nicht gekommen, um hier Geld zu bekommen. Ich wollte arbeiten, meine Ehefrau nachholen", erzählt er. "Aber jetzt denke ich, ich habe neun Monate meines Lebens verloren."

In seiner Heimat will er wieder als Anhänger-Bauer arbeiten. "Ich kann mir dort etwas schaffen." Im Moment ist es in seiner Stadt nahe Bagdad friedlich. "Anschläge gibt es auch in Europa. Wenn Gott will, werde ich leben."

Eine Heimreise in den Krieg
370 Euro hat er als Rückkehr-Hilfe bekommen; das Maximum für einen Flüchtling aus dem Irak. Seit April gibt es für Afghanen, Marokkaner und Nigerianer sogar 500 Euro als Anreiz für eine freiwillige Rückkehr – vorausgesetzt, sie entschließen sich innerhalb von drei Monaten nach ihrer Ankunft in Österreich. Wie viele Flüchtlinge dieses Angebot angenommen haben – darüber gibt es im Innenministerium noch keine Zahlen. Doch der finanzielle Aspekt dürfte keine große Rolle spielen: Der Verein Menschenrechte, der freiwillige Rückkehrer betreut, zählte bisher 24 Personen, die diese 500 Euro bekommen haben. "21 Afghanen, 1 Marokkaner und zwei Nigerianer", zählt Geschäftsführer Günter Ecker auf. "Das Geld ist für eine Rückkehr keine Motivation. Aber etwas, das man gerne nimmt, weil es die Rückkehr erleichtert", sagt Ecker aus Erfahrung. Monatlich begleitet der Verein 250 bis 350 Menschen bei ihrer Heimreise. "Wichtig ist vor allem die Lebensperspektive. Wie viele Jahre dauert es, bis das Verfahren abgeschlossen ist, können sie ihre Familie nachholen und kommt man hier besser über die Runden als zu Hause?", zählt er auf.

Heimweh

Jene, die zurückkehren, plagt oft das Heimweh oder die Sorge um die Familie. "Wir haben auch Menschen aus Syrien, die heimkehren – obwohl sie mitten im Kriegsgebiet leben." Laut Innenministerium waren es 57 Personen. Aktiv spricht der Verein sie nicht an. "Helfen wir ihnen nicht, schlagen sie sich selbst nach Syrien durch. Wenn sie es wirklich wollen, ermöglichen wir ihnen deshalb eine sichere Reise", sagt Ecker

Auch die ersten Marokkaner gehen freiwillig zurück. "Viele haben das offene Fenster genützt – also die Zeit, als die große Zahl an Asylwerbern gekommen ist." Damals war es so einfach wie noch nie, nach Mitteleuropa zu kommen. Auch bei ihnen sei die Euphorie rasch verflogen.

Übrigens: 20 bis 25 Prozent der Heimkehrer zahlen sich den Flug selbst. "Es gibt durchaus welche, die über Barmittel verfügen – etwa, wenn sie in Haft gesessen sind und dort gearbeitet haben."

In den anderen Fällen übernimmt der Staat die Kosten.

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