Felipe: "Ich sehe keinen Weg an mir vorbei"

Dass in Tirol zur Zeit heftige Debatten über Naturschutz geführt werden, findet die LH-Stellvertreterin „gut und richtig“
Landesrätin Ingrid Felipe (Grüne) über ihre neue Rolle, Kritik aus den eigenen Reihen und ein klares Nein.

Als Naturschutzlandesrätin steht Ingrid Felipe seit Wochen zwischen den Fronten. Umweltschützer auf der einen Seite. Touristiker, Wirtschaftstreibende und Bürgermeister auf der anderen Seite. Die Grüne ist im Brennpunkt: Egal ob es um ein neues Schutzgebiet in Osttirol geht, umstrittene Kraftwerke im Oberland oder ein geplantes Großraumskigebiet bei Innsbruck.

Kurier: Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) betont gerne, wie viel Spaß ihm das Regieren macht. Ist er Ihnen inzwischen vergangen?

Ingrid Felipe: Überhaupt nicht. Das ist wie beim Bergsteigen. Es gibt Strecken, da geht man leichter und Strecken, da wird es zäh. Aber das Ziel, das man erreichen kann, ist die Mühe wert. So ist etwa die Diskussion rund um die Natura-2000-Nominierung der Isel in Osttirol hart und sehr intensiv. Aber es sieht gut aus, dass wir die Isel in ihrer gesamten Länge nominieren können. Das hätte sich vorher niemand gedacht. Das macht Freude.

Die Isel ist einer der politischen Brennpunkte der vergangenen Wochen. Warum muss man in dieser Frage so lange mit Bürgermeistern diskutieren, wenn die Entscheidung ohnehin eine fachliche sein muss?

Es ist natürlich eine berechtigte Frage, wie eine partizipativer Prozess ausschauen soll. Die Verantwortung für die Entscheidung trägt die Tiroler Landesregierung. Eigentlich trägt sie die Naturschutzlandesrätin. Aber im Sinne der neuen Qualität des Zusammenarbeitens war für mich klar, dass das ein gemeinsam gefasster Beschluss sein soll. Auch damit wir in Brüssel damit bestehen können.

Aber ist überhaupt verhandelbar, welche Gebiete man hier unter Schutz stellt?

Ja. Es gibt nicht nur eine fachlich richtige Lösung. Ich weiß, dass das schwierig darzustellen ist. Aber es handelt sich um einen dynamischen Lebensraum. Es gibt bestimmte Dinge, die sein müssen. Aber da reden wir von Ausweisungsmetern. Und da gibt es nicht nur eine richtige Antwort, sondern eine Vielzahl von Lösungen. Es gibt natürlich ein Mindestmaß. Das ist die Isel als Rückgrat.Und es braucht Teile der Zubringer.

Sie wollten den Vorschlag bis Ende September in trockenen Tüchern haben. Geht sich das jetzt noch aus?

Es schaut gut aus. Die beiden Landesräte Josef Geisler und Johannes Tratter (beide ÖVP) waren ja bei Bürgermeistergesprächen. Am 23. September gibt es noch eine Informationsveranstaltung in der Wirtschaftskammer in Lienz. Wir sind beim Finalisieren und bringen das zusammen.

Der Landesumweltanwalt hat gemeint, dass es in diesem Herbst sehr viele Angriffe auf die Tiroler Natur gibt. Sehen Sie das auch so?

Er hat gemeint, dass es diese Angriffe gibt, obwohl die Grünen in der Regierung sind. Vielleicht ist das Thema jetzt aber viel präsenter, weil die Grünen in der Regierung sind. Wir reden sehr viel breiter über Naturschutz. Ich kann nur betonen, wie wichtig ich das finde. Denn Naturschutz ist kein Luxusproblem, sondern eine Existenz- und Ressourcenverteilungsfrage. Es ist gut und richtig, dass das ganze Land darüber diskutiert. Und die Geschichten nicht im stillen Kämmerlein genehmigt und über die Bühne gebracht werden. So können sich die Leute, die davon betroffen sind – und das sind sehr viele – einbringen. Und ja, es wird ein spannender Herbst.

Umweltschutzorganisationen haben zuletzt in der Kraftwerksdiskussion massive Kritik an den Grünen und Ihnen persönlich geübt. Wie sehr schmerzt es, wenn man als grüne Landesrätin aus dieser Ecke zum Rücktritt aufgefordert wird?

Im ersten Moment denkt man sich: Ui. Aber wenn man es dann reflektiert, ist es einfach so, dass ich das Glück habe, in einer neuen Rolle für die Öko-Bewegung zu sein. Es ist ein Lernprozess, in dem wir alle stecken. Ich bin überzeugt, dass ich da, wo ich jetzt sitze, viel mehr zu einer Ökologisierung der Gesellschaft und zu einem Erfolg der Öko-Bewegung beitragen kann, als je zuvor. Wenn NGOs mich kritisieren: Das sind Nichtregierungsorganisationen. Und ich bin jetzt Regierungsmitglied. Es ist ja eigentlich ihre Pflicht, mich zu kritisieren. Das gleiche gilt für den Landesumweltanwalt. Man muss hier differenzieren. Es geht nicht um mich als Person. Hoffe ich zumindest (lacht).

Einer der Hauptkritikpunkte der Umweltschutzorganisationen bezieht sich auf das Kraftwerk Kaunertal, dem die Grünen immer kritisch gegenüber standen. Warum fällt es Ihrer Partei so schwer, weiter zu sagen, dass sie den geplanten Ausbau nicht will?

Bei mir als Person sind wir wieder bei diesem Rollenwechsel. Ich bin jetzt Leiterin der UVP-Behörde des Landes Tirol. Das heißt, ich bin gut beraten, objektiv und sachlich an Prüfverfahren heranzugehen. Sonst würde man mir zu Recht vorwerfen, was wir früher anderen vorgeworfen haben. Nämlich politische Willkür. Ich habe geschworen, dass ich mich an Rechtsstaatlichkeit halte und muss da meine Aufgaben klar halten. Nichts desto trotz – und dazu stehe ich auch als Grüne – sehe ich solche Großprojekte immer mit einem besonders kritischen Auge und werde sehr akribisch darüber wachen, wie auch immer welches Projekt abgewickelt wird.

Ein Projekt, das für die Grünen nach wie vor ein No-Go darstellt, ist eine Gondelbahn über die geschützten Kalkkögel. Führt da ein Weg an Ihnen als Landesrätin vorbei?

Das ist wieder das Thema Rechtsstaatlichkeit. Aus meiner Perspektive widerspricht das Projekt der Alpenkonvention. Da kann ich ganz klipp und klar sagen: Das geht nicht. Da bin ich auch so fair, und treffe die so oft geforderte klare Aussage der Politik. Klare Aussage der Landesrätin: Mit mir nicht.

Und dann geht es noch um die Frage: Wo haben wir in Tirol überhaupt noch Grenzen, wenn wir diese alten Verordnungen, die getroffen wurden, um diese Gebiete von touristischer Erschließung frei zu halten, auch noch über Bord schmeißen? Irgendwann muss ja Schluss sein. Ich sehe hier keinen Weg an mir vorbei. So lange ich in der Landesregierung bin, wird es die Erschließung der Kalkkögel nicht geben.

Es ist ein einstimmiger Beschluss des Landesparteivorstands: Im Juli sagte die ÖVP den Betreibern eines Skigebietszusammenschlusses über die geschützten Kalkkögel ihre Unterstützung zu. Inzwischen haben sich FPÖ und Vorwärts Tirol prinzipiell bereit erklärt, einer dafür nötigen Änderung des Naturschutzgesetzes im Landtag zuzustimmen. Die ÖVP hätte damit eine Mehrheit gegen den grünen Regierungspartner.

Das Projekt steht im koalitionsfreien Raum, könnte die Zusammenarbeit aber sprengen. Der Landtag startet im Oktober in die neue Saison. Da sich die Diskussion um das Großraumskigebiet schon seit Wochen hinzieht, hat es aber ohnehin keine politische Sommerpause gegeben.

Dafür hat auch der wasserwirtschaftliche Rahmenplan gesorgt, den der Landesenergieversorger Tiwag beim Umweltministerium eingereicht hat. In den vergangenen Wochen konnten dazu Stellungnahmen abgegeben werden. 50 sind es geworden, der Großteil ist negativ ausgefallen. Gibt Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) dem Rahmenplan seinen Sanktus, kommt den enthaltenen Kraftwerksprojekten im Oberland "öffentliches Interesse" zu. Dass die Grünen den Rahmenplan, der auch den umstrittenen Ausbau des Kraftwerks Kaunertal enthält, mitgetragen haben, brachte ihnen massive Schelte von Umweltschutzorganisationen ein. Wann der Minister entscheidet, ist noch offen.

Streit um die Größe

Noch in diesem Jahr muss sich die Landesregierung einigen, in welchem Umfang sie das Gebiet rund um die Isel in Osttirol unter Natura-2000-Schutz stellt. Den hat die EU-Kommission eingefordert. Es drohen Strafzahlungen. Bürgermeister der betroffenen Region wollen den Schutzraum aber so klein wie möglich halten. An der Isel und ihren Zubringern sind mehrere Kraftwerke geplant, mit denen die Ortschefs gerne ihre maroden Kassen aufbessern würden. Der Streit sorgt auch für Spannungen innerhalb der ÖVP.

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