Felbertauern: Wo der Busfahrer mit der Oma wandert

Felbertauern, Bus
Der Felssturz auf der Alpenstraße und seine Folgen: Ein Rundruf in Osttirol.

Der verheerende Felssturz auf der Felbertauernstraße vergangene Woche trifft vor allem die Pendler in Osttirol hart. Seit Dienstag ist eine kuriose Notlösung in Betrieb: Buspendler müssen nun auf ihrer Reise auf die andere Seite des Berges einen etwa 20-minütigen Fußmarsch über eine aufgelassene Rodelbahn beim Tauernhaus in Matrei absolvieren. Oben beim Südportal des Felbertauerntunnels warten dann die Anschlussbusse nach Nordtirol und Salzburg. Doch nicht nur Pendler leiden unter den Folgen des Geröllabgangs, wie ein KURIER-Rundruf ergab.

Felbertauern: Wo der Busfahrer mit der Oma wandert
Felbertauern, Bus

Schüler, Lehrlinge, Arbeiter und Pensionisten: Die Passagiere im "Wanderbus", der von Montag bis Freitag viermal am Tag zwischen Lienz und Matrei verkehrt, sind bunt gemischt. Bis zu 150 wander- und wetterfeste Pendler nehmen ihn jeden Tag in Anspruch. "Er wird gut angenommen", heißt es von der ÖBB Postbus GmbH in Lienz. Nach anfänglicher Kritik wurde nun auch ein Gepäcktransport für die Passagiere eingerichtet. Und manchmal hilft sogar der Busfahrer aus und begleitet betagtere Damen den Berg hinauf.

Sorgen bereitet den Verkehrsbetrieben allerdings die Wetterprognose für das Wochenende: Am Freitag und Samstag sind in Osttirol Schneefall und Temperaturen um den Gefrierpunkt angekündigt. Nicht unbedingt die angenehmsten Bedingungen für eine kleine Bergtour.

Felbertauern: Wo der Busfahrer mit der Oma wandert
Felbertauern, Steg, Pendler, Weg

Auch die junge Büroangestellte Janine Schrottwieser aus Matrei pendelt jeden Tag mit dem "Trekkingbus" zu ihrem Arbeitsplatz beim Sportartikelhersteller Blizzard Sport / Tecnica Group Austria in Mittersill im Salzburg Pinzgau. Schlechte Erfahrungen hat sie bisher keine gemacht. "Ich finde es gut, dass es die Möglichkeit mit dem Bus gibt. Auch wenn ich dadurch früher aufstehen muss und die Busfahrt um eine halbe Stunde länger als mit dem Auto dauert. Mir ist es einfach sehr wichtig, dass ich jeden Tag nach Hause pendeln kann", erzählt die 20-Jährige.

Felbertauern: Wo der Busfahrer mit der Oma wandert

Der Fußmarsch über 85 Höhenmeter zum Südportal des Tunnels stört sie auch nicht: "Das ist überhaupt kein Problem. Ich habe auch noch nie jemanden jammern gehört. Wichtig ist nur gutes Schuhwerk". Schweißgebadet ist sie bisher jedenfalls nicht am Arbeitsplatz erschienen. In Osttirol sei man ohnehin an längere Fußmärsche zu Bushaltestellen gewöhnt. Die meisten ihrer Kollegen nehmen allerdings das Angebotvon Blizzard in Anspruch, unter der Woche in Mittersill übernachten zu können.

"Auf Dauer nicht verkraftbar"

Für Martina Ganzer ist die Busroute hingegen keine Option. Die Technische Redakteurin aus Matrei braucht ihr Auto auch im Beruf. Sie pendelt nur einmal pro Woche von ihrem Heimatort ins Büro nach Kufstein. Statt 100 Kilometern muss sie derzeit die längere Strecke von 280 Kilometer über das Pustertal in Südtirol fahren. Zeitverlust: 2,5 Stunden. "Auf Dauer ist das nicht verkraftbar", sagt Ganzer: "Es ist unglaublich, wie abhängig man von einer Straße sein kann". Als Frustbewältigung beschreibt sie ihre Pendlererlebnisse auf ihrem Twitter-Profil.

Felbertauern: Wo der Busfahrer mit der Oma wandert
Felbertauern, Bus

Die Folgen des Felssturzes spüren momentan auch die Betriebe in Osttirol, vor allem der Tourismus. Schmerzlich vermisst werden die zahlreichen Durchreisenden. "Vergangenes Jahr kamen zu Pfingsten 30.000 Fahrzeuge über den Felbertauern, heuer kamen gar keine", berichtet Bernhard Pichler von der Osttirol Werbung, "das spüren die Gaststätten natürlich schon". Etwa im Hotel Gasthof Hinteregger in Matrei: "Wir haben im Mai bereits Einbußen von 30 Prozent. Die Laufkundschaft fehlt uns total", sagt Inhaberin Katharina Hradecky.

Stornierungen für den Sommer wurden bisher aber noch nicht gemeldet. Die Hälfte der Osttirol-Urlauber komme ohnehin aus Deutschland und die würden einen geringen Zeitverlust bei der Anreise in Kauf nehmen, hofft Pichler. Auch Urlauber aus Österreich würden über die Ausweichrouten gut nach Osttirol kommen. "Wir hoffen aber natürlich, dass die Felbertauernstraße bald wieder zumindest einspurig befahrbar ist. Ansonsten müssen wir uns neue Werbemaßnahmen überlegen".

Kritischer Termin ist Ende Juni - der Beginn der Sommersaison. Mehrere bekannte Ausflugsziele wie das Dolomitenbad Lienz und der Nationalpark Hohe Tauern Tirol haben bereits jetzt ihre Preise gesenkt. Aber nicht nur beim Osttiroler Tourismusverband scheint man in schwierigen Zeiten näher zusammenzurücken. Hradecky: "Die Menschen hier sehen, dass die Behörden ihr Möglichstes tun, um unsere 'Lebensader' wieder herzustellen. Gegen höhere Gewalt kann man leider nichts ausrichten".

Fotos: dolomitenstadt.at

Hintergrund

Die Felbertauernstraße verbindet Matrei in Osttirol mit Mittersill in Salzburg. Sie ist die einzige Verbindung zwischen den beiden Bundesländern und somit eine bedeutende Route zur Querung des Alpenhauptkamms. Zudem ist sie auch die wichtigste Verbindung zwischen Nordtirol und dem Landesteil Osttirol.

Die 36,3 km lange Felbertauern-Mautstraße befindet sich im Besitz der Felbertauernstrasse AG. Sie wurde nach fünfjähriger Bauzeit 1967 fertiggestellt und am 25. Juni 1967 feierlich eröffnet. Als ihr Herzstück gilt der 5.313 Meter lange Scheiteltunnel. Die Straße musste mit dem Bau von Lawinenschutzbauten und Galerien an mehreren Stellen abgesichert werden.

Die Felbertauernstraße bleibt voraussichtlich noch mehrere Wochen gesperrt. Wie die Felbertauernstrasse AG am Donnerstag berichtete, wurden in den vergangenen Tagen die Ausbruchsstelle und die Absturzbahn händisch beräumt und die Ausbruchsstelle geankert. Nach ersten Schätzungen der beteiligten Techniker werden die Sicherungsmaßnahmen noch ca. zwei Wochen und die Räumung der Straße eine weitere Woche in Anspruch nehmen. Mit einer Freigabe für den Verkehr mit einer einspurigen, ampelgeregelten Straßenführung kann erst in drei bis vier Wochen gerechnet werden.

Wegen der Sperre muss der Verkehr großräumig über das Pustertal und die Brennerautobahn (A12) beziehungsweise die Tauernautobahn (A10) umgeleitet werden. Ausweichen können Fahrzeuge auch über die Passstraße zum Staller Sattel oder die ÖBB-Tauernschleuse. In jedem Fall müssen Pendler mit großen Zeitverlusten rechnen. Aktuelle Verkehrsnachrichten aus Nord- und Osttirol finden Sie hier.

Felbertauern: Wo der Busfahrer mit der Oma wandert
Felbertauern, Grafik
Eine Ausweichoption ist auch dieGroßglockner Hochalpenstraßevon Salzburg nach Kärnten. Die Hochalpenstraße hat für die Dauer der Sperre der Felbertauernstraße den täglichen Betrieb verlängert: Sofern es die Witterung zulässt, ist die Straße bereits ab 5.30 Uhr geöffnet, die Nachtsperre beginnt erst zum 21.00 Uhr, wobei die letzte Einfahrt um 20.15 Uhr möglich ist. Für Besitzer von Jahreskarten für die Felbertauernstraße, Bewohner des Bezirks Lienz und auch für Osttirol-Urlauber gelten vergünstigte Tarife.

Kommentare