Falsch übersetzt, Urteil nichtig

Der Schlepperprozess in Wr. Neustadt war von Pannen begleitet und musste wegen mangelhafter Übersetzungen sogar unterbrochen werden.
Zwei Drittel der Gerichtsdolmetscher fallen bei Prüfung durch, Justiz-Einsatz auch ohne Ausbildung.

Das Wort "Geld" wurde freihändig mit "Schlepperlohn" übersetzt, und "Leute" mit "Geschleppte". Auf Nachfrage erklärte die Dolmetscherin, die von ihr gewählte Bedeutung der Worte habe sich aus dem Zusammenhang so ergeben.

Übrigens passte es auch viel besser in eine Anklage.

Der im Dezember 2014 nach mehreren Pannen zu Ende gegangene Schlepperprozess in Wiener Neustadt hatte eindringlich demonstriert, was schlechte Übersetzungen anrichten. Die im Ermittlungsverfahren eingesetzte Dolmetscherin verfügte über keine Ausbildung, geschweige denn über eine Zertifizierung. Mit dem bei Gericht nicht unwesentlichen Begriff "Unschuldsvermutung" konnte sie gar nichts anfangen.

"Nicht jeder, der eine andere Sprache kann, kann Dolmetscher sein", sagt Polnisch-Gerichtsdolmetscherin Joanna Ziemska, die auf der Wiener Universität fünfjährige Lehrgänge für angehende Kollegen hält. Bei den Prüfungen fallen zwei Drittel durch. "In Englisch sogar noch mehr", ergänzt der frühere Richter und Englisch-Gerichtsdolmetscher Harald Lacom. Englisch verstehe bald jemand, aber man müsse auch die neu entstandenen Ausdrücke der Subkultur-Sprache draufhaben. Die Afrikaner zum Beispiel haben sich angewöhnt, Buchstaben zu vertauschen, etwa "aksed" statt "asked". Lacom nennt ein Beispiel: ",I aksed him‘ bedeutet nicht, dass er jemanden mit einem Beil erschlagen hat, sondern dass er ihn etwas gefragt hat."

Alles von vorne

Die falsche Übersetzung eines Urteils führte in Graz gleich zur Wiederholung eines ganzen Strafprozesses: Der Dolmetscher hatte mit dem "Widerruf der bedingten Strafnachsicht" nichts anfangen können und den Passus einfach weggelassen. Der Angeklagte war zu einer Haftstrafe verurteilt worden und hatte auf Rechtsmittel verzichtet, ohne zu erfahren, dass noch die Verbüßung einer früheren Bewährungsstrafe dazukommt. Als er dahinter kam und sich beschwerte, wurde das Urteil für nichtig erklärt.

Immer öfter werden von Behörden bloß "geeignete" Personen (sogenannte "Hausdolmetscher") statt geprüfte Gerichtsdolmetscher herangezogen. Das hängt mit mangelndem Lehrangebot für bestimmte Sprachen wie Tschetschenisch oder Igbo (Amtssprache in Nigeria) zusammen. Und mit fehlendem Nachwuchs. Das wiederum ist auch Folge der miserablen Bezahlung. Die Rückübersetzung eines Vernehmungsprotokolls dient dazu, dass der Beschuldigte oder Zeuge in seiner Sprache erfährt, was im Amtsdeutsch ins Protokoll aufgenommen wurde. Hat er es nämlich einmal unterschrieben, wird es ihm später vorgehalten, auch wenn er es vielleicht anders gemeint hat. Dann heißt es, er verwickle sich in Widersprüche. Seit 1. Juli 2014 ist diese aufwendige Arbeit mit 20 Euro pauschaliert, egal wie viele Seiten das Protokoll hat (früher 15,20 Euro pro Seite).

"Vom Dolmetscher kann man nicht leben", sind sich Joanna Ziemska und Harald Lacom einig.

Berufsethik

Das Flüchtlingskommissariat (UNHCR) hat nun das Projekt QUADA gestartet, bei dem Dolmetschertechniken für Asylverfahren gelehrt werden. "Auch die Berufsethik", sagt Joanna Ziemska: "Dolmetscher müssen sich neutral verhalten und Mittler sein." Es geht aber auch um kulturelle Eigenheiten, die "mitübersetzt" werden müssen. "Zum Beispiel, dass sich ein Afrikaner vor Gericht auf den Boden wirft, bei uns aber still sitzen muss", sagt Lacom.

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