Immer mehr Beschwerden beim Presserat

KURIER-Redakteur Dominik Schreiber, der in der Wohnung des Vaters (Bild) das Interview geführt hat, betont, dass dieser kein Geld verlangt hat.
238 Mal wurden 2014 Vorwürfe erhoben. Spitzenreiter war die "Kronenzeitung", gefolgt von "Österreich" und "Heute".

Dass das Gratisblatt Österreich Interviews erfindet, wie etwa eines mit dem Vater des IS-Terroristen Mohamed Mahmoud (im KURIER gab Sami Mahmoud ohne Bezahlung ein echtes Interview) ist längst gerichtlich festgestellt: Das Nationalteam, Niki Lauda oder Hugo Portisch können ein Lied davon singen.

Es gibt zwar dort keine Sanktionen und man bekommt keinen Schadenersatz zugesprochen, aber beim Österreichischen Presserat finden Betroffene dafür niederschwelliger, gratis, schneller und ohne einen Anwalt engagieren zu müssen Gehör. 238 Mal und damit so oft wie nie zuvor wurde er im vergangenen Jahr eingeschaltet (zum Vergleich: 2011 waren es noch 80 Beschwerden), in 35 Fällen wurde ein Verstoß gegen die ethischen Grundsätze im Journalismus festgestellt (und über die Austria Presseagentur verlautbart).

Politiker mit "Furunkeln" gleichgesetzt

Das ging von der Zuordnung bestimmter Strafdelikte an Täter bestimmter Nationalitäten und die Diskriminierung von Volksgruppen über die Gleichsetzung von Politikern mit „Furunkeln“ bis zu erfundenen Interviews und der Veröffentlichung von Fotos aus Facebook ohne Zustimmung des Betroffenen. Donauinselfest-Besucher wurden sich übergebend gezeigt, Nigerianer als „schwarze Plage“ beschimpft, eine Bettlerin mit einer Louis-Vuitton-Tasche neben sich auf „dem noblen Pflaster“ Kärntner Straße präsentiert und verhöhnt. Der Bericht über den Flugzeugabsturz bei einem angeblich feucht-fröhlichen „Geburtstagsflug“ wurde mit dem Hochzeitsfoto des verletzten Passagiers illustriert, ohne dessen Einwilligung.

Spitzenreiter bei den 35 Verstößen 2014 war die Kronenzeitung (16), gefolgt von den Gratisblättern Österreich (11) und heute (5). Alle drei unterwerfen sich übrigens nicht der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats. Der KURIER wurde neun Mal vor den Presserat zitiert und in keinem Fall gerügt.

Die Falstaff-Magazin-Kritik eines in einem namhaften Restaurant servierten Tafelspitzes als „zäh wie ein Pferdesattel“ zählte nicht als Ethikverstoß, der Bericht in einem Bezirksblatt über ein Blasmusikfest aber sehr wohl: Die Frau eines Musikers wurde darin mit grinsendem Gesicht abgebildet und mit den zweideutigen Worten zitiert, sie blase nirgendwo hinein, was sie nicht ordentlich halten könne, außer ihr Mann wünsche das.

Von Amts wegen

Presserats-Geschäftsführer Alexander Warzilek berichtet, dass vielfach nicht die Betroffenen selbst kommen, sondern Leser auf Verstöße aufmerksam machen. Der Presserat prüft aber auch quasi „von Amts wegen“.

Sogar das Justizministerium hat den Presserat schon um Hilfe gebeten: Weil über eine verdeckte Ermittlung wegen des Verdachts des Drogenhandels in einem Gefängnis berichtet wurde, sei die Aufklärung erschwert worden. Für den (aus rechtskundigen Personen und Journalisten zusammengesetzten) Senat überwog jedoch das berechtigte Interesse der Allgemeinheit, zu erfahren, wenn es Missstände im Strafvollzug gibt. Das Justizministerium wurde mit seiner Beschwerde deshalb abgewiesen.

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