Dschihadisten: Staatsschutz rüstet gegen Terror auf

Bis zu 130 Österreicher kommen laut Staatsschutz als Gotteskrieger in Betracht. Schon bald soll deren Überwachung mit mehr Personal erfolgen.
Innenministerin kündigt ab sofort mehr Personal an. U-Haft über alle "Gotteskrieger" verhängt.

Freitag, 14 Uhr, verhängte die Haftrichterin des Straflandesgerichts Wien die U-Haft über die fünf in Klagenfurt einsitzenden mutmaßlichen Dschihadisten. Die Vernehmungen liefen am Freitag via Video-Konferenz. Über vier Landsleute aus Tschetschenien (sie sitzen in Wien ein) wurde bereits am Donnerstag die U-Haft verhängt.

Wie berichtet (siehe unten), wurden acht Gotteskrieger und ein Österreicher mit türkischen Wurzeln (er organisierte die Fahrt nach Syrien) Montagabend im Burgenland und Kärnten festgenommen. Alle stehen im Verdacht, auf dem Weg nach Syrien gewesen zu sein, um dort das IS-Terrorregime bei Kämpfen zu unterstützen. Gegen acht Tschetschenen, darunter eine Frau, läuft ein Asyl-Aberkennungsverfahren. Der Austro-Türke ist ebenfalls in U-Haft. Noch während die in Klagenfurt Inhaftierten von der Justiz einvernommen wurden, ging Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bei einer Pressekonferenz gegen die Dschihadisten in die Offensive: "Dem Staatsschutz ist bei der Verhaftung der Tschetschenen ein Schlag gegen den Terrorismus gelungen. Die eingeleiteten Asyl-Aberkennungsverfahren sind eine klare Botschaft, dass Österreich bedingungslos gegen Dschihadisten vorgeht. Die Lage ist dramatisch."

Aufrüstung gegen Terror

Um Österreich nicht zur Rekrutierungszone für Gotteskrieger werden zu lassen, kündigte die Ressortchefin eine personelle Aufstockung des Staatsschutzes an: "Der Staatsschutz steht vor neuen, großen Aufgaben. Gegen den Terrorismus ist ein europaweiter Schulterschluss notwendig." (Details zum Staatsschutz siehe Artikel rechts). Konrad Kogler, Generaldirektor für die Öffentlichen Sicherheit, muss in den kommenden Tagen seine Personalwünsche bekannt geben. Mikl-Leitner zum Zeitfenster der Aufrüstung: "So schnell wie möglich."

Parallel dazu wurden Einzelheiten zur Verhaftung der neuen Dschihadisten (im Alter zwischen 17 und 32 Jahren) bekannt. Generaldirektor Kogler: "Recherche und Observation dauerten mehrere Wochen. Dabei halfen uns auch Hinweise aus dem nahen Umfeld der Verhafteten. Bei den Zugriffen gab es keinen Widerstand. Einige waren bei den Verhören kooperativ."

Dem Vernehmen nach wurden auch Gotteshäuser und Moscheen in Österreich überwacht. Aus ermittlungstaktischen Gründen wurden die Hotspots der Observationen nicht bekannt gegeben. Innenministerin Mikl-Leitner stellte aber unmissverständlich klar: "Moscheen sind ein Ort der Radikalisierung."

Sozialbetrug angeklagt

Neben den beiden Delikten Unterstützung und Finanzierung einer terroristischen Organisation, werden die in U-Haft genommenen Dschihadisten auch wegen Sozialbetrugs angeklagt. Kogler dazu: "Sie haben sich Sozialleistungen erschlichen." Es drohen ein bis zehn Jahre Freiheitsentzug. Ob die Tschetschenen – bei Verurteilungen – ihre Strafen in Österreich antreten müssen, ist unklar. Denn die Asylaberkennungsverfahren können Jahre dauern. Und hängen davon ab, ob eine Abschiebung in das Heimatland menschenrechtlich gedeckt ist. 2013 wurden 166 Aberkennungsverfahren eingeleitet und in 96 Fällen positiv beschieden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist eine Polizeiorganisation mit nachrichtendienstlichem Charakter. Aufgabe ist der Schutz verfassungsmäßiger Einrichtungen der Republik sowie die Sicherstellung von deren Handlungsfähigkeit. Die Behörde wurde 2002 aus der Staatspolizei und einigen Sondereinheiten (vorwiegend Terrorismus-Experten) gebildet. Es gibt neun Landesämter mit Sitz in der jeweiligen Landespolizeidirektion. Das BVT erstellt jährlich den Verfassungsschutzbericht.

Aktuell besteht das Personal bundesweit aus etwa 500 Mitarbeitern. Die angekündigte Personalaufstockung wird sich dem Vernehmen nach zwischen fünf bis maximal zehn Prozent der Belegschaft bewegen.

Denn es gilt in Zukunft neben Terror-Bekämpfung auch wachsende Cyber-Kriminalität sowie Industriespionage zu bearbeiten. Zusätzlich wird kommende Woche eine Deeskalations-Stelle betreffend Dschihadisten eingerichtet. Generaldirektor Kogler zu den Hintergründe: "Ziel ist es, den Radikalisierungsprozess der oft perspektivlosen, jungen Muslime zu stoppen. Nicht selten kommen Hinweise von deren Eltern. Sie wollen ihre Söhne retten." Aktuell kämpfen oder kämpften 130 aus Österreich kommende Muslime im Nahen Osten. Ein Drittel ist vor Ort, zwei Drittel wieder in Österreich. Kogler: "Sie werden beobachtet."

Donnerstagabend fiel die Entscheidung: Das Landesgericht Wien verhängte über vier der neun festgenommenen Dschihadisten die Untersuchungshaft. Es handelt sich dabei um jene Personen, die am Dienstag in Nickelsdorf, Burgenland, angehalten wurden. Was mit jenen fünf weiteren verdächtigen Tschetschenen passiert, die in Arnoldstein in Kärnten gestoppt wurden, entscheidet sich am Freitag. Unter den mutmaßlichen Dschihadisten befand sich eine Frau, 19, sowie ein 17-Jähriger (er wurde auf freiem Fuß angezeigt). Ebenfalls in Haft befindet sich ein Österreicher, 32, mit türkischen Wurzeln.

Drei Haftgründe

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nina Bussek, erklärt die Haftgründe: „Es besteht Verdunkelungs-, Flucht- sowie Tatbegehungsgefahr.“

Donnerstag gab das Innenressort bekannt, dass alle neun Inhaftierten aus dem Raum Wien stammen. Wie berichtet, verfügen die Tschetschenen über einen gültigen Asylstatus. Sollte sich der Verdacht des Staatsschutzes bestätigen, dass die Gruppe in den Nahen Osten unterwegs war, um die dortigen IS-Terrormilizen zu unterstützen, will Innenministerin Johanna Mikl-Leitner „umgehend ein Asyl-Aberkennungsverfahren einleiten“.

Dem Vernehmen nach spielt der gebürtige Türke mit österreichischem Pass bei den Einvernahmen eine Schlüsselrolle. Denn er steht in Verdacht, die Reise geplant und organisiert zu haben. Ihm droht auch eine langjährige Haftstrafe. Denn die Anklage würde sich auf den Paragrafen 278b Strafgesetz berufen. Dieser besagt:

1. Wer eine terroristische Vereinigung anführt, ist mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Jahren zu bestrafen.

2. Wer sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung beteiligt, ist mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

Dieser Paragraf würde bei den Dschihadisten zur Anklage kommen.

Ob der Austro-Türke die Tschetschenen zum Heiligen Krieg „rekrutiert“ hat, oder ob die Männer den 32-Jährigen für die Anreise in den Nahen Osten engagierten, war Donnerstag noch nicht gesichert. Fest steht, dass etwa 100 Personen aus Österreich nach Syrien oder den Irak in den Heiligen Krieg zogen. 20 davon sollen bereits ums Leben gekommen sein. 40 Personen sind wieder zurückgekehrt.

Polit-Reaktionen

Die Polit-Reaktionen decken sich. Alev Korun, grüne Menschenrechtssprecherin: „Bestätigt sich der Verdacht, muss mit der nötigen Härte des Rechtsstaates vorgegangen werden.“ FP-Chef Heinz-Christian Strache forderte die „Abschiebung“ und Völkerrechtsexperte Manfred Nowak interpretiert die U-Haft „als durchaus gerechtfertigt“.

Die Sondereinheit Cobra schlug am Dienstag sowohl am Grenzübergang Nickelsdorf im Burgenland als auch in Arnoldstein in Kärnten zu. Ihr Auftrag lautete, die Insassen zweier Fahrzeuge an der Ausreise aus Österreich zu hindern und festzunehmen. Der Vorwurf gegen neun Tschetschenen – sie verfügen über einen aufrechten Asylstatus – lautet, sie hätten sich auf dem Weg nach Syrien befunden, um die dortigen IS-Terrormilizen zu unterstützen. Ein Österreicher mit türkischen Wurzeln wurde ebenfalls verhaftet. Er soll als Reiseveranstalter für die Tschetschenen – darunter eine Frau – fungiert haben.

Wie berichtet, ermittelt der Staatsschutz seit Monaten gegen die Sympathisantenszene der syrisch-irakischen Mordbrigaden "Islamischer Staat". Denn im Internet kursieren nicht nur Mordaufrufe. Geworben wird auf Facebook um Krieger für Syrien und den Irak.

Bei der radikalisierten IS-Fangemeinde soll es sich durchwegs um junge Migranten handeln. Nun soll sich gerade aus dieser Szene ein Trupp in Richtung Syrien in Bewegung gesetzt haben. Ob und wie viel die Tschetschenen an den Türken gezahlt haben, ist noch unbekannt. Fix sei jedoch die Route der Syrien-Krieger gewesen. Sie wollten mit dem Auto über Italien, Griechenland und die Türkei nach Syrien fahren.

Asyl-Aberkennung

Die Justiz bestätigte am Mittwoch, dass die Verhaftung der Staatsschutz selbst verfügt habe. Bislang war der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der U-Haft über neun der zehn Festgenommenen von der zuständigen Richterin noch nicht bestätigt worden. Einer der neun Festgenommenen, ein 17-jähriger Tschetschene, wurde auf freien Fuß gesetzt.

Den anderen acht mutmaßlichen Syrien-Kriegern droht im Falle der U-Haft großes Ungemach. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner kündigte in diesem Fall an, sofort ein Asylaberkennungsverfahren einzuleiten. Die Innenministerin sieht nun klar die Gerichte am Zug. "Gegen Dschihadisten kann es nur eine Null-Toleranz-Politik geben." Sie verwies darauf, dass sie vor Wochen mit dem Justiz- und dem Außenminister ein Maßnahmenpaket gegen Dschihadisten vorgelegt habe.

Einer der Punkte lautet, "Foreign Fighters" mit Asylstatus in Österreich diesen Status abzuerkennen. Mikl-Leitner warnte allerdings davor, "jetzt jene Asylwerber, für die wir Quartiere in Österreich suchen, mit diesen Personen in einen Topf zu werfen".

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