Schlag gegen Nachwuchs-Werber der Islamisten

Bilal Bosnic, Chef der bosnischen Fraktion, wurde bereits im September in seiner Heimat verhaftet.
Hassprediger Ebu Tejma verhaftet, der Jugendliche via Bosnien nach Syrien gelotst haben soll.

900 Polizisten führten Freitagfrüh in Wien, Graz und Linz 40 Hausdurchsuchungen durch. 13 Personen wurden zur Vernehmung gebracht. Ziel der Staatsaktion war ein verzweigtes Netzwerk von Rekrutierungsspezialisten der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).

Der Hintergrund: 160 Österreicher oder hier aufhältige Asylwerber sind bereits nachweislich nach Syrien und in den Irak gereist, um an der Seite der Terrormilizen des "Islamischen Staates" am Bürgerkrieg teilzunehmen. 30 von ihnen sind im Kampf gefallen. 60 sind wieder zu Hause und werden vom Verfassungsschutz als große Gefahr für die innere Sicherheit gesehen.

Bosnien-Connection

Die größten Sorgen bereiten dem Verfassungsschutz Rekrutierungskommandos, die von Bosnien aus in Österreich auf die Jagd nach orientierungslosen Jugendlichen für den Kriegseinsatz gehen. In Bosnien halten sich noch Reste einer Dschihad-Brigade auf, die während des Balkan-Krieges dort gegen die Serben gekämpft hatte. Sie beherrschen dort einige Dörfer.

Laut Erkenntnissen des Verfassungsschutzes gibt es dorthin einen wesentlichen Österreich-Bezug. In einem Verfassungsschutz-Bericht heißt es: "Diese Dörfer tragen wesentlich zur Etablierung von Subkulturen beziehungsweise abgeschotteten Milieus bei und werden häufig auch von Personen mit Österreich-Bezug aufgesucht."

Die Behörden ermittelten einen Hauptverdächtigen in Österreich und einen in Wien. Der Wiener Hauptverdächtige, Ebu Tejma, mit bürgerlichen Namen Mirsad O., war zuletzt auf der Suche nach einem Gebetsraum. Denn in der Moschee in der Venediger Au, in der er Osama bin Laden huldigte, wurde der 32-Jährige mit bosnisch-serbischen Wurzeln vor die Tür gesetzt.

Journalisten, Fotografen und Verfassungsschützer waren regelmäßig zu Besuch gewesen – das missfiel den Betreibern der Moschee. Seine Rückzugsgebiete waren ein Wiener Kampfsportclub und das Internet, über das er seine Botschaften in Videos verbreitete.

Tejma gilt in der deutschsprachigen Salafisten-Szene als eine zentrale Figur. Die deutsche Islamismus-Expertin Claudia Dantschke wunderte sich bei ihrem Vortrag in Wien, dass er seit langer Zeit unbehelligt als Imam tätig sein konnte und bezeichnete ihn als einen "geistigen Brandstifter".

Offenbar war der Imam zu diesem Zeitpunkt schon lange im Visier des Verfassungsschutzes. Zuletzt beschäftigte er auch das Straflandesgericht: Er hatte zwei Zeitungen erfolgreich geklagt, die ihm die Rekrutierung von zwei Wiener Schülerinnen für den Dschihad in Syrien unterstellt hatten. Der Richter hatte damals explizit festgehalten, dass die – in den Berichten verwendete – Bezeichnung Hassprediger in seinem Fall legitim sei.

Der zweite Hauptverdächtige soll der IS-Statthalter in Sarajevo, der Prediger Hussein Bilal Bosnic sein. Der 44-jährige Salafist Bosnic hatte während des Bosnien-Krieges in einer Mudschaheddin-Brigade gekämpft. Nachher huldigte er öffentlich Osama bin Laden, bis er sich schließlich den IS-Mörderbrigaden zuwandte. Ihm wird unter anderem die Rekrutierung von Österreichern, 160 jungen Bosniaken und 50 jungen Italienern für den Bürgerkrieg zur Last gelegt.

Am 3. September starteten die bosnischen Behörden mit der "Operation Damaskus" gegen die Extremisten. Vor wenigen Tagen gaben sie die Verhaftung von Bosnic und weiteren zehn mutmaßlichen Komplizen bekannt.

Die Razzia der Staatsanwaltschaft Graz richtete sich nun gegen den österreichischen Teil der Organisation. Der Wiener Hauptverdächtige, Ebu Tejma, wurde mit zwölf weiteren Gesinnungsgenossen festgenommen und zu Vernehmungen geführt. Bei den Hausdurchsuchungen wurden nicht nur Wohnungen und Gebetshäuser mit Irak- oder Bosnienbezug auseinandergenommen. Es war auch ein Kulturverein aus Bangladesch dabei.

Dass die Staatsanwaltschaft Graz die österreichweite Aktion koordinierte, ist darauf zurückzuführen, dass die erste Straftat der Organisation in Graz angefallen war. In Graz wurden Gebetsräume und Wohnungen in der Karlauerstraße, der Austeingasse/Kalvariengürtel, der Fischeraustraße, der Ungargasse, der Gaswerkstraße und der Grazbachgasse/Pestalozzistraße durchgeführt.

Kulturverein

Vom Islamisch-Bosnischen Kulturverein kommt ein heftiges Dementi, irgendwie involviert zu sein: "Wir sind absolut nicht betroffen, bei uns gab es keine Hausdurchsuchungen", sagt Sprecher Aldin Bektas. Diese Gruppe baut derzeit an der ersten echten Moschee in Graz. Ali Kurtgöz, Sprecher der Muslime in der Steiermark: "Wenn die Sicherheit gefährdet ist, muss die Polizei handeln. Der Islam hat mit Gewalt nichts zu tun."

Justizminister Wolfgang Brandstetter betonte im KURIER-Gespräch, dass die Behörde "entschlossen gegen die Verdächtigen vorgeht" und spricht von "ausreichendem, konkreten Material" zu den Tatverdächtigen. Das Vorgehen bezeichnete er als "maßvoll".

Für den Minister ist die Aktion auch ein Beweis dafür, dass die "Rechtslage ausreichend" sei, sofern "die bestehenden Gesetze konsequent angewendet werden". Einen Bedarf, die Terrorgesetzgebung nachzuschärfen, sieht er nicht.

Zuerst das Fressen, dann die Moral. An Berthold Brechts Ausspruch halten sich Anwälte nicht. Entgegen der landläufigen Meinung von der "Elite ohne Moral", die für Geld jedem zur Seite steht, sind Rechtsanwälte mitunter wählerisch. Das bringt Probleme mit sich: Denn die Rolle der Advokaten im Rechtsstaat ist es, Gerechtigkeit herzustellen und dazu beizutragen, den Beschuldigten nur jene Strafe zukommen zu lassen, die angemessen ist.

Um die mutmaßlichen Dschihadisten, die mehr und mehr die Gefängnisse füllen, herrscht unter den Strafverteidigern kein Griss. "Ja, mir ist auch schon negativ aufgefallen, dass diese Klienten schwer einen Wahlverteidiger finden", sagt Elisabeth Rech, Vizepräsidentin der Wiener Anwaltskammer: "Aber die müssen auch verteidigt werden, die könnten ja auch unschuldig sein."

Kritik an Polizei

Zwei Ausnahmen gibt es in WienLennart Binder und Wolfgang Blaschitz. Binder vertrat bereits Mohamed Mahmoud wegen Terrorverdachts. Im Prozess 2008 übte er scharfe Kritik an der Polizei, die einen Terrorverdacht konstruiert habe, um die erstmals eingesetzten Ermittlungsmethoden zu rechtfertigen. Und er rügte die Auswahl der Geschworenen, bei der Leute mit moslemisch klingenden Namen wie Yussuf, Achmed, Ali übergangen worden und nur Irmgards und Lottes aus der Liste gepickt worden seien. Damals war noch nicht absehbar, dass Mahmoud, der Wiener mit ägyptischen Wurzeln, zu einer zentralen Propaganda-Figur für das IS-Terror-Kalifat werden würde.

Als der KURIER Binder am Freitagnachmittag erreicht, ist er gerade am Weg zum inhaftierten Prediger Ebu Tejma (siehe Bericht links), den er bereits in Medienverfahren gegen zwei Zeitungen vertreten hat. "Ich kann noch nichts zum aktuellen Fall sagen", sagt Binder.

Anwalt Wolfgang Blaschitz wurde dadurch bekannt, dass er 1996 zu Versuchszwecken mit einem Betonklotz am Bein in die Donau sprang. Er wollte beweisen, dass sich das von seinem Mandanten ertränkte Mädchen ans Ufer hätte retten können. In letzter Zeit "sammelt" Blaschitz mutmaßliche Dschihadisten, er hält jetzt bei drei. Die Tante eines Verhafteten hatte gelesen, dass er einen Fußballer im Wettbetrugsfall um Dominique Taboga vertritt, und hat ihn beauftragt. So fing es an. Hat er kein Problem mit so einer Verteidigung? "Nein, weil meine Mandanten keiner Fliege was zuleide getan haben. Jeder Ladendieb ist gefährlicher." Wenn jemand kommt, der Fotos ins Netz stellt, "wie er einen abgeschnittenen Kopf in der Hand hält", fliegt er freilich hinaus.

Auch die Hypothese, wonach mediale Aufmerksamkeit Rechtsanwälte anlockt, trifft bei den mutmaßlichen Dschihadisten nicht zu. Zum Beispiel der Fall des 14-Jährigen, der angeblich gedroht hat, den Westbahnhof zu sprengen. Internationale Medien berichteten darüber, heimische füllten damit Titelseiten. Selbst Ermittler waren verwundert, dass kein Promi-Anwalt das Mandat übernahm. Der 14-Jährige, der nach zwei Wochen U-Haft freigelassen wurde, erhielt vom Staat einen Pflichtverteidiger gestellt.

Ernst Schillhammer meint, es werde in Anwaltskreisen keineswegs als unanständig gesehen, bestimmte Delikte zu verteidigen. Einen solchen "Ehrenkodex" dürfe es gar nicht geben. Der Strafverteidiger berichtet von einer Anwaltstagung kurz nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001. Der Chef der deutschen Anwaltsvereinigung erklärte damals, falls die Attentäter vor Gericht kämen, hätten sie trotz allem die beste Verteidigung zu erhalten. Das sei man dem Rechtsstaat schuldig. Nach kurzem Atemholen gab es unter den anwesenden Juristen Applaus.

Lieber Staatsanwalt

Die Realität sieht anders aus. Taten, die im gesellschaftlichen Diskus besonders verwerflich sind, sind es auch bei Verteidigern. Wolfgang Mekis (früher Ankläger) lehnt die Verteidigung von sexuellem Missbrauch von Kindern ab, wenn er überzeugt ist, dass der das wirklich gemacht hat. "Da wäre ich lieber wieder Staatsanwalt." Auch bei Dschihadisten, "die den Islam missbrauchen", zieht Mekis eine Grenze. "Da würde schon meine Frau einen Aufstand machen." Sie ist Muslima, stammt aus Ägypten.

Martin Nemec, als Anwalt im Telekom-Prozess bekannt, will "bei Dschihadisten oder Mafia nicht anstreifen". Schon aus Gründen "der persönlichen Sicherheit", wobei er noch den Wiener Rechtsanwalt Erich Rebasso im Hinterkopf hat, der von zwei Russen ermordet worden ist. Er sei mit Leib und Leben Anwalt, will aber nicht das eigene Leben aufs Spiel setzen. Und wenn schon, dann nur, wenn es sich auszahlt. Das Honorar muss so groß sein, dass es "vom Kosten-Nutzen-Verhältnis" dafür steht.

Kommentare