Dieser Bezirk wirbelt und wurlt

Heute ist der letzte Tag des Lendwirbels 2016
Ein Straßenfest machte auf Lend neugierig. Nun gilt das Grazer Viertel als so richtig hip.

Was aus einem Haarschneidefest alles wachsen kann. Das war es nämlich am Anfang, ganz salopp gesagt: Erst vor einem knappen Jahrzehnt startete der Lendwirbel in Graz mit der Eröffnung eines Friseurladens, legte im Jahr darauf um ein Architektur-Symposium zu. Dazu kamen in den Jahren Musik, Flohmarkt, Sport, Kochen, Tanzen – ein buntes Treiben. So bunt, dass acht Tage dafür gar nicht zu reichen scheinen.

Mit dem Lendwirbel, der auch in den Nachbarbezirk Gries hinüberspielt, scheint aber das gesamte Viertel einen neuen Anstrich bekommen zu haben. Zumindest in der Wahrnehmung: Hip ist es geworden, in dem ehemaligen Arbeiterbezirk zu wohnen, zu arbeiten, zu flanieren. Die Grenze zur angrenzenden schicken Inneren Stadt ist eine fließende geworden, doch Lend gilt alternativer.

Carina etwa ist erst vor ein paar Monaten hierher gezogen. Aufgewachsen im nobleren Geidorfer Villenviertel, später in die Andritzer Vorstadt gezogen, sieht die 33-Jährige ihre Heimat nun in Lend. Aus praktischen Gründen, weil nahe an der Innenstadt und am Schlossberg. Und auch aus ideellen. "Hier ist Aufbruchstimmung." Ihr Lebensgefährte Markus, 37, sieht das Viertel gar als den "kreativsten Teil der Stadt".

Multikulturell

Rund 31.000 Menschen wohnen in Lend, gegenüber 2010 ist das ein Plus von elf Prozent. Ein gutes Drittel der Bewohner hat auch eine andere Staatsbürgerschaft als die österreichische. Hier leben viele geborene Türken, Kroaten, Bosnier. Das macht Lend neben Gries zum multikulturelleren Bezirk, aber durch den jüngsten Aufschwung vielleicht auch nicht mehr zu einem billigen Wohnumfeld: Jüngst besetzten Demonstranten das Dach eines leer stehenden Hauses, weil die Mietpreise im Viertel gestiegen seien.

Zurück zum Lendwirbel. Das Straßenfest, das kein Festival sein mag, hat zwar ein Kernteam an Organisatoren, das will aber gar nicht so gerne an die Öffentlichkeit. Man kümmere sich im Hintergrund um Bewilligung, behördliche Genehmigungen und die nötigen Straßensperren zur Festzeit, lässt man ausrichten. Ansonsten möge sich doch der Wirbel selbst gestalten und jedes Jahr neu erfinden. Das funktionierte bisher dank einiger Kreativtreffen und offener Zugänge reibungslos.

Spielfeld, doppeldeutig

Apropos offen: Neben Spaß und Spiel hat auch Gesellschaftspolitik Platz im Wirbel. Das diesjährige Motto lautete nämlich "Spielfeld", das war durchaus doppeldeutig zu verstehen: Das Flüchtlingsthema wurde auf mehreren Ebenen bespielt: Kochend mit ausländischem Essen, musikalisch mit Musik zweier in Graz lebender Syrer, bewusstseinsbildend mit dem Projekt "Grenzerfahrung". Schüler sprachen da unter anderem mit Flüchtlingskindern und gestalteten eine Ausstellung. Die zahlenmäßig größte Veranstaltung ist aber der Flohmarkt in der Annenstraße: Tausende Besucher schauen jedes Jahr dort hin.

Der Lendwirbel zieht also. Und er bekommt heuer Nachwuchs, quasi: Im Bezirk Gries findet im Herbst erstmals ein Grätzelfest fest. Der Grieskram legt am 24. September los.

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