Die grenzenlose Verbrecherjagd

Emanuele Calligaris, Oswald Gärtner, Giulio Metti und Gernot Pendl (v. li.) setzen seit Jahren auf grenzenlose Zusammenarbeit .
Ein bilaterales Abkommen gibt der Exekutive Freiheiten / In Thörl-Maglern wird Kooperation gelebt.

Das Polizeikooperationszentrum Thörl-Maglern. Von außen ein relativ unscheinbares Gebäude an der Grenze zwischen Österreich und Italien. Betritt man die Räumlichkeiten, wird rasch klar, dass man sich im Hirn und Herz der grenzüberschreitenden Verbrechensbekämpfung befindet. Der riesige Schreibtisch ist sternförmig, Polizisten aus Österreich, Italien und Slowenien arbeiten gemeinsam. Exakt hier wird nämlich seit zehn Jahren gelebt, was kürzlich auf politischer Ebene beschlossen wurde: polizeiliche Zusammenarbeit über die Staatsgrenzen hinweg.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und ihr italienischer Amtskollege Angelino Alfaro unterzeichneten ein bilaterales Polizei-Kooperationsabkommen, das die grenzüberschreitende Kooperation zwischen Österreich und Italien erleichtert "und die Sicherheit in unseren Ländern erhöht", wie Mikl-Leitner betonte. Italien war bisher der einzige Nachbarstaat, mit dem Österreich keinen Staatsvertrag hinsichtlich polizeilicher Zusammenarbeit hatte.

Für die Beamten im Polizei-Kooperationszentrum Thörl-Maglern dürfte sich die Schlagzahl damit zwar eher erhöhen, viele bürokratische Hürden werden aber wegfallen. "55.000 Anfragen erhalten wir hier pro Jahr. Und es werden eher mehr. Die Verständigung mit den Kollegen vor Ort wird aber sicher erleichtert, wenn der Vertrag ratifiziert ist", sagt Kommandant Bernhard Lora.

Ein wichtiger Partner

"Beispielsweise dürfen österreichische Polizisten künftig Straftätern unbegrenzt nach Italien nacheilen, wie die korrekte Amtsbezeichnung lautet", klärt Oberst Johannes Dullnig auf. Er ist Kärntens Leiter der Einsatz- Grenz- und Fremdenpolizeilichen Abteilung EGFA. Nicht nur aufgrund der geografischen Nachbarschaft sei Italien ein wichtiger Partner bei der internationalen Kriminalitätsbekämpfung.

Wenn der Räuber flieht

Bisher mussten die österreichischen Polizisten die Nacheile nach zehn Kilometern auf italienischen Landstraßen und 20 Kilometern auf Autobahnen beenden. Wenn nun ein Bankräuber über die Staatsgrenze entwischt, kann ihm die Exekutive unbegrenzt auf dem italienischen Gebiet auf den Fersen bleiben. In Zukunft ist sogar die Luftverfolgung per Helikopter ohne räumliche Einschränkung möglich. "Außerdem durften wir mutmaßliche Verbrecher bisher auf fremdem Territorium nur an- und festhalten und mussten dann warten, bis der italienische Kollege eintrifft", sagt Dullnig. Die ausgeweiteten Befugnisse gelten selbstverständlich auch für die Carabinieri.

Gemeinsame Zukunftsprojekte sind bereits angedacht bzw. in Ausarbeitung. "Gemischte Streifen oder gemeinsame Kontrollen im Zug", berichtet Lora. "Unsere Jagd nach Illegalen im Zug konnte bisher erst ab der Staatsgrenze beginnen. In dieser Hinsicht fallen jetzt für italienische und österreichische Kollegen viele Hindernisse weg", sagt Dullnig.

"Gemeinsamer Kampf"

Die Carabinieri sehen ebenfalls eine Stärkung der Sicherheit in beiden Ländern. "Das bezieht sich vor allem auf unseren gemeinsamen Kampf gegen Aktivitäten wie Drogenhandel und illegale Einwanderung", sind Emanuelle Calligaris und Giulio Metti, die in Thörl-Maglern Dienst schieben, überzeugt. Auch der Informationsaustausch zur präventiven und repressiven Verbrechensbekämpfung werde intensiviert.

Acht Uhr Früh in Schachendorf, Bezirk Oberwart. Ein grüner Geländewagen mit Blaulicht und der Aufschrift Rendőrség biegt zum ehemaligen Grenzposten ein. Der Beamte aus Ungarn begrüßt seinen österreichischen Kollegen und es geht mit dem österreichischen Polizeiauto auf Streife. Am Nachmittag wird getauscht, dann fahren die beiden Polizisten in Ungarn Patrouille.

Im Burgenland gibt es die gemischten Streifen seit 1. Juni 2006. „Die Grundlage war der Polizeikooperationsvertrag, der seit damals in Kraft ist“, erklärt Helmut Marban vom Landespolizeikommando Burgenland. Der Vertrag beinhaltet aber nicht nur die gemischten Streifen, sondern auch in vielen anderen Fällen die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg. „Bei gewissen Straftaten kann die verfolgende Streife dem Täter auf das benachbarte Staatsgebiet nacheilen“, sagt Marban. Ein weiterer Benefit sei der ständige Datenabgleich zwischen den beiden Ländern. Durch das Polizeikooperationszentrum in Nickelsdorf, gäbe es auch kaum Kommunikationsprobleme. „Hier arbeiten österreichische und ungarische Beamte gemeinsam“, sagt Marban.

Auch bei Großevents, wie dem Nova Rock in Nickelsdorf, gibt es gemeinsame Einsätze. „Hier können viele Kleinigkeiten schnell geregelt werden, da auch viele Ungarn dort zu Gast sind“, weiß Marban. Die Zusammenarbeit sei seit 2006 viel intensiver. „Ohne internationale Zusammenarbeit könnte man heute gar nichts mehr erreichen“, sagt Marban. Denn die Kriminellen würden schon lange keine Staatsgrenzen mehr kennen.

Kooperation

Als Erfolgsmodell bezeichnet der Bezirkspolizeikommandant von Gmünd im niederösterreichischen Waldviertel, Wilfried Brocks, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den tschechischen Kollegen. „Wir fahren regelmäßig gemischte Streifen“, sagt Brocks. Denn immer wieder versuchen Kriminelle im jeweiligen Nachbarland ihr Glück. „Viele Täter glauben nur, dass sie in Sicherheit sind, wenn sie die Grenze überschritten haben“, sagt der Polizeioffizier. Doch Verfolgung über die Grenze ist bereits Alltag. Auch in NÖ koordiniert man in einem Kooperationszentrum gemeinsam grenzüberschreitende Einsätze

Auch Lenka Vildmanová, Polizeisprecherin in Budweis lobt die gute Kooperation.

Bei Schwerpunktaktionen, beispielsweise für Schwerverkehr, funktioniert das ebenfalls prächtig. „Wenn ein tschechischer Kollege dabei ist, kann der mit seinen Landsleuten im Führerhaus gleich ganz anders reden“, betont Brocks.

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