Dealer im Visier von Politik und Polizei

Dealer im Visier von Politik und Polizei
Eine missglückte Gesetzesnovelle spielt Drogenhändlern in die Hände. Die Politik garantiert Reformen.

Das Vorpreschen von SP-Justizsprecher Johannes Jarolim setzt jetzt das Justiz- und Innenministerium unter Zeitdruck. Wie berichtet, darf seit Jahresbeginn über Straßendealer erst Untersuchungshaft verhängt werden, wenn sie drei Mal von der Polizei überführt wurden. Jarolim fordert Haft bereits nach dem ersten Delikt und eine Erhöhung des Strafrahmens von einem auf drei Jahre.

Dealer im Visier von Politik und Polizei
Drogenmeile, Wien, U6 Stadtbahn, Gürtel, Drogenhandel, Drogendealer, Polizei, Festnahme
Justiz- und Innenressort zeigten sich über die Informationsoffensive des SP-Abgeordneten wenig erfreut, man wollte die völlig missglückte Gesetzesnovelle (Paragraf 70 StGB) hinter den Kulissen reparieren. Dieser Paragraf regelt die Gewerbsmäßigkeit bei Strafrechts-Delikten. Da erst nach der dritten Festnahme Gefängnis auf Dealer wartet, ist dem Straßenhandel in Österreichs Ballungsräumen Tür und Tor geöffnet. Die Suchtmittel-Händler agieren offensiv bis aggressiv, sprechen offen Passanten an und dealen sogar vor den Augen der Polizei.

Auf KURIER-Anfrage bestätigte das Büro von Justizminister Wolfgang Brandstetter rasches Eingreifen: "Es wird Änderungen geben. Diese Woche werden die Vorschläge von unseren Juristen finalisiert, darauf folgt ein Treffen mit dem Innenministerium. Danach wird Minister Brandstetter mit den Justizsprechern der Parlamentsparteien Gespräche aufnehmen."

Auch das Innenressort ist an einer schnellen Gesetzesänderung hochgradig interessiert. "Da wird man wohl was zusammenbringen, wir wollen eine rasche Lösung", bestätigt Andreas Wallner, Sprecher von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.

Der engagierte Zeitplan zeigt, dass es der Regierung ernst ist. Am 16. März wird im Parlament ein Initiativantrag gestellt, am 6. April kommen die Vorschläge in den Justizausschuss. Ende April wird das novellierte Gesetz im Parlament beschlossen.

Lokalaugenschein

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Wie brisant das Straßendealer-Problem in Wien ist, zeigt der Lokalaugenschein entlang der Linie U 6. Vier Dealer hängen ungeniert in der Halle der Station Gumpendorfer Straße herum. Draußen, auf dem Gehsteig am Gürtel stehen zwei Komplizen und sondieren die Lage. Immer wieder kommen Abnehmer. Der finanzielle Teil des Geschäftes geht schnell über die Bühne. Die gewünschte Ware, Kokain- und/oder Heroinkugeln bzw. abgepackte Marihuana-Baggies werden den Konsumenten abseits der U 6-Station von weiteren Komplizen zugesteckt. Diese Leute holen auch aus nahe gelegenen Drogendepots Nachschub.

Dealen im Drogenkeller

Auf dem Weg zur Station Thaliastraße zeigt uns eine Anrainerin am Neubaugürtel ein Drogendepot in einem heruntergekommenen Zinshaus. Die Kellertüre ist aufgebrochen, die Abteile werden nicht mehr benutzt. Dafür konsumieren und verstecken Straßendealer in den muffigen Kellernischen ihre Drogen. Auch größere Geschäfte werden in den Katakomben abgewickelt. "Unser Hausherr hat die Polizei am nahe gelegenen Urban Loritz Platz alarmiert. Die kamen aber nicht, weil sie zu wenige Leute haben und empfahlen, den Notruf 133 zu wählen", ärgert sich Frau M. (sie will anonym bleiben, da sie Racheakte durch die Dealer fürchtet).

Auf der U6-Station Thaliastraße angekommen, steht gerade ein Schwarzafrikaner mit erhobenen Händen und dem Gesicht zur Mauer an der Wand des Stationsgebäudes. Ein Beamter der Einsatzeinheit bewacht ihn und wartet auf Verstärkung. Selbige ist in wenigen Minuten vor Ort und führt den Dealer ab. In unmittelbarer Nähe beobachten Banden-Kollegen das Szenario. Die fünf Männer verkauften stundenlang Drogen im Umfeld der U6-Station. Sie denken nicht an Flucht, sondern provozieren die Beamten auch noch – eine Folge des missglückten Paragrafen.

Dealer im Visier von Politik und Polizei
ABD0045_20150220 - WIEN - ÖSTERREICH: Justizminister Wolfgang Brandstette anl. des Symposiums von (BMI) und Weisser Ring "Tag der Kriminalitätsopfer 2015" am Freitag, 20. Februar 2015, in Wien. - FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER
"Mit der aktuellen Gesetzeslage bekommen wir die Dealer nicht von der Straße", bestätigt Polizeisprecher Thomas Keiblinger. Dafür geht die Exekutive mit einer neuen Strategie gegen den Drogen-Missbrauch vor. Neben den Dealern sind jetzt die Konsumenten im Visier der Behörden. Denn ihre belastenden Aussagen oder im Handy gespeicherte Nummern der Drogenhändler können die Dealer – auch wegen Gewerbsmäßigkeit – überführen.Parallel dazu versucht die Polizei, so viele Drogen wie nur möglich sicher zu stellen. In den vergangenen sechs Monaten wurden von Straßendealern 1500 Gras-Baggies, 8000 Kokain- und 16.000 Heroinkugeln konfisziert. "Das tut den Dealerbanden weh. Denn allein die Heroinkugeln sind auf der Straße 180.000 Euro wert", rechnet Keiblinger vor. Und damit sich das stetig wachsende Heer der Drogenhändler an keinem Tag sicher fühlen kann, sind an Freitagen und an Wochenenden immer mindestens vier Suchtmittelspürhunde an den Drogen-Hotspots der Stadt im Einsatz.

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