Das Mobbing-Tagebuch einer Polizistin

An der „bekanntermaßen negativen Einstellung männlicher Polizisten den weiblichen gegenüber“ soll gearbeitet werden.
Wie Vorgesetzte beim Landeskriminalamt mit untergebenen Mitarbeitern umgehen.

Der stellvertretende Abteilungsleiter beschimpfte die Kollegin als „dumme Sau“ und ließ keinen Zweifel daran, dass er „von den Weibern im Polizeidienst“ nichts halte. Sie seien „zu blöd, irgendetwas zu verstehen“. Und weil die Kollegin „einen Balg“ habe, habe sie bei der Polizei ohnehin „nichts verloren“. Man könne sie bestenfalls „zum Fi...“ gebrauchen.

Das sind Auszüge aus dem von der betroffenen Bezirksinspektorin selbst so genannten „Mobbing-Tagebuch“. Nach den von einer Bezirksrichterin ebenfalls in einem „Mobbing-Tagebuch“ festgehaltenen Schikanen durch männliche Kollegen und dem jahrelangen (auch sexuellen) Mobbing einer Bundesheer-Mitarbeiterin (der KURIER berichtete) werden nun zwei weitere Fälle bekannt. Sie spielen bei zwei verschiedenen österreichischen Landeskriminalämtern.

Als sich eine Beamtin für die Funktion als Gruppenführerstellvertreterin bewarb, musste sie sich von ihrem Vorgesetzten anhören: „Eine Frau zu sein ist zu wenig.“ Ihre Ausbildung qualifizierte er als „Blümchenpflücker-Seminare“ ab. Und als sie beim Hearing als Bestgeeignetste herausstach, bezeichnete er sie als „Quotenfrau“. Seine offene Ablehnung animierte auch andere Männer in der Abteilung, sie respektlos zu behandeln.

Besonders ihr Mitbewerber für die höhere Position machte sie schlecht und verkündete, sie habe „es faustdick hinter den Ohren“ und „einen seichten Charakter“. Als sie ihn um höfliche Umgangsformen ersuchte, teilte er ihr mit, dass er gerade ihr gegenüber nicht höflich sein brauche. In einem Mail schrieb er: „Wieder einmal kann die übertriebene Selbsteinschätzung dem beschränkten Gehirn nicht folgen.“ Dann setzte er noch das Götz-Zitat nach.

Herber Ton

Beschwerden der Polizistin bei der Dienstbehörde hatten keine Konsequenzen zur Folge bzw. wurde argumentiert, sie sei überempfindlich, bei der Polizei herrsche nun einmal ein herberer Umgangston.

Die Gleichbehandlungskommission des Bundes, an die sich die Beamtin schließlich wandte, kann dem Verweis auf einen herberen Umgangston nichts abgewinnen. Sie verurteilte die Diskriminierung, womit der Betroffenen ein Schadenersatzanspruch zusteht und kritisierte auch das Verhalten der Vorgesetzten. Diese hätten das Mobbing als „persönliche Befindlichkeiten“ der Beamtin abgetan und nicht abwarten dürfen, „dass der Konflikt schon irgendwie gelöst wird“.

Im zweiten Fall beschimpfte ein stellvertretender Abteilungsleiter eine Bezirksinspektorin und deren Kolleginnen als „sowieso für alles zu deppert und für nichts zu gebrauchen“. Es war in der Behörde bekannt, dass er auch weibliche Beschuldigte, Staatsanwältinnen und Richterinnen als „Schlampe“ und „Schlauch“ beschimpfte.

Die Gleichbehandlungskommission wertete die Angriffe als Belästigung auf Grund des Geschlechts und als Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg.

Nicht bagatellisieren

Dem (jeweiligen) Landeskriminalamt wurde empfohlen, Belästigungen nicht zu bagatellisieren und Seminare für Führungskräfte zum Thema „Verhalten von Vorgesetzten im Fall von Mobbing“ anzubieten. Außerdem solle man die „bekanntermaßen negative Einstellung von männlichen Bediensteten weiblichen Bediensteten gegenüber“ nicht ignorieren.
Bleibt die Frage: Was passiert solchen Beamten? Der Polizist, der Kolleginnen als „Schlampe“ beschimpft, wurde von der Disziplinarkommission lediglich verwarnt. Er habe Männer wie Frauen gleichermaßen „überzogen kritisiert“, daraus sei keine sexistische Diskriminierung ableitbar.
Ein Kontrollinspektor, der mehrere ihm untergebene Kolleginnen jahrelang begrapscht und verbal sexuell belästigt hatte, bekam immerhin eine Disziplinarstrafe von 3600 Euro.

Disziplinarverfahren

Ein Kontrollinspektor, der sich ganz und gar nicht unter Kontrolle hat: Von 2005 bis Mai 2012 rückte der Vorgesetzte einer ihm unterstellten Revierinspektorin auf den Leib. Er tippte ihr mit den Fingern auf die Brust, streichelte sie (unaufgefordert) auf den Oberschenkeln, befragte sie über ihre sexuellen Vorlieben und äußerte: „Dein Busen ist auch kleiner geworden, das war früher schöner zum Anschauen.“

Von Juni 2006 bis Juni 2012 bedrängte er eine andere Revierinspektorin, versuchte, sie zu küssen, drückte seinen Unterleib gegen ihren Körper und so weiter.

Von Juni 2010 bis Juni 2012 fand er in einer Inspektorin ein drittes Opfer, im Oktober 2011 ein viertes. Und einmal soll er eine Zeugin – die zur Vernehmung in sein Büro bestellt war – aufgefordert haben, sich auf seinen Schoß zu setzen.

Es sei alles nur Spaß gewesen und habe der Motivation der Mitarbeiter dienen sollen: So verantwortete sich der wegen seiner Belästigungen und Demütigungen zur Rede gestellte Kontrollinspektor allen Ernstes. Aus dem Polizeidienst entlassen wurde der Mann nicht, er ließ sich in den Ruhestand versetzen.

Der Disziplinarsenat verurteilte ihn zu 3600 Euro Strafe, wobei sich die zahlreichen Belobigungen des Beamten mildernd auswirkten. Mit dieser Strafe sei der Generalprävention Rechnung getragen, um andere Beamte vor der Begehung derartiger Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, hieß es. Wegen der prekären wirtschaftlichen Situation wurde ihm eine Tilgung der Strafe in 36 Monatsraten gewährt.

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