Das lange Warten auf die 100 neuen Beamten

Die neuen Justizwachebeamten kommen bis Ende 2015 tröpfchenweise in den Vollzugsanstalten an.
Justizwache probte den Aufstand im Häfen, Justizminister skizzierte seine Reformpläne.

In Österreichs Justizanstalten lief der Betrieb am Freitag ab neun Uhr auf Sparflamme. Wachebeamte erledigten nur das Allernötigste, während sich ihre Kollegen – angeführt von den Personalvertretern – auf Kampfmaßnahmen einschworen. Der eingeschränkte Betrieb für eineinhalb Stunden lieferte einen Vorgeschmack auf den angedrohten "Dienst nach Vorschrift".

Der oberste Personalvertreter der Justizwache, der Christgewerkschafter Albin Simma, berichtete von einer "überwältigenden Mehrheit", die sich für Kampfmaßnahmen entschieden habe. Die Personalvertretung forderte erneut Reformen sowie mehr Geld und Personal.

Auslagerung

Während viele der rund 4000 Justizwache- und Verwaltungsbeamten den Aufstand probten, saß Albin Simma bei Justizminister Wolfgang Brandstetter. Der Minister stellte ihm erste Eckpunkte seiner Reform vor: Jugendliche Häftlinge (auch aus der Josefstadt) sollen zukünftig konzentriert in der Jugendanstalt Gerasdorf untergebracht werden; den Maßnahmenvollzug, dessen Defizite durch die Vernachlässigung eines Insassen in Stein einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden, will Brandstetter laut Angaben Simmas auslagern. Mit den nötigen baulichen Maßnahmen werde demnächst begonnen. Wie der KURIER berichtete, hat das Finanzministerium einen zweistelligen Millionenbetrag für die Justizreform bereits zugesagt.

Die anfängliche Uneinigkeit bei Personalfragen wich Freitagnachmittag harmonischen Tönen. Ursprünglich hatte die Gewerkschaft 350 Planstellen gefordert, rund hundert sind nun fix. Einige Beamte werden heuer schon ihren ersten Dienst versehen, der Großteil ist allerdings erst Ende 2015 fertig ausgebildet.

Der für den Strafvollzug zuständige Sektionschef Michael Schwanda erklärte im Ö1-Mittagsjournal, dass die 100 Planstellen in den nächsten Tagen ausgeschrieben werden und im September Lehrgänge beginnen. Außerdem kündigte er zusätzliche Kontingente an psychologischer und sozialarbeiterischer Betreuung an. Simma stellte klar, dass 350 Planstellen dann nötig wären, wenn die Häftlingszahlen weiter steigen und die Reformen nicht greifen würden. Minister Brandstetter merkte freudig an, dass "sich die Gewerkschaft an den Reformen beteiligen will und wird".

Distanzierung

Ganz neue Töne schlug die Belegschaft in den Justizanstalten an, als sie sich von den Aussagen eines ihrer Personalvertreter distanzierte: Im ORF-Report hatte der sozialdemokratische Gewerkschafter Franz Ehrenberger erklärt, er verstehe das "wahnsinnige Aufheben" wegen des vernachlässigten Häftlings nicht. In Seniorenheimen käme das ebenfalls vor, und dort würden Menschen leben, die sich "um das Land verdient gemacht haben." Man könne nicht jedem Gefängnisinsassen "eine Tafel Schokolade" geben.

Die Empörung war groß. Gewerkschaftschef Simma betonte, dass Vorfälle wie die Vernachlässigung eines Häftlings "mit nichts zu beschönigen" seien.

In der Justizanstalt Josefstadt wird ein 14-jähriger U-Häftling von Zellengenossen mit einem Besenstiel vergewaltigt. In der Strafanstalt Suben in OÖ wird ein "lästiger" Gefangener von einem Justizwachebeamten gegen die Wand geknallt, vier Kollegen des Revierinspektors schauen dabei zu. Nur zwei Beispiele dafür, wie es in Österreichs Gefängnissen hinter geschlossenen Türen zugehen kann.

Und was gibt der für den Strafvollzug zuständige Sektionschef im Justizministerium im Ö1-Mittagsjournal für einen Ratschlag an in Not geratene Insassen? Man könne sich ja beim Anstaltsleiter beschweren. Nachts? Dafür gebe es in jeder Zelle einen "Notfallknopf". Weiter weg von der Realität im Druckkochtopf Gefängnis, in dem nur der Stärkere überlebt, kann man nicht sein.

Der Strafvollzug in Österreich steht seit einiger Zeit häufig mit negativen Schlagzeilen im Interesse der Öffentlichkeit. Die Vorwürfe der Medien und Kontrollorgane (unter anderem der Volksanwaltschaft), dass viele Bedienstete nicht die richtige Einstellung zum Strafvollzug haben, ist nicht alleine ein Problem der Vollzugsbediensteten, sondern ein gesellschaftliches Problem. Der Strafvollzug in Österreich ist ein ungeliebtes „Anhängsel“ der Gesellschaft und die vielen positiven Leistungen der Bediensteten werden nicht anerkannt und gelangen auch nicht an die Öffentlichkeit.

Es ist der Bevölkerung nicht bewusst, dass im Strafvollzug an der Wiedereingliederung der Menschen gearbeitet wird, damit diese nach deren Entlassung ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft werden. Ich sehe den Strafvollzug als Spiegel der Gesellschaft. Wenn zum Beispiel bei einer Diskussion über einen möglichen Standort für die Unterbringung von geistig abnormen Straftätern eine an sich intelligente Frau ernsthaft die Forderung stellt, dass man "diese Verbrecher doch nach Sibirien schicken soll", so frage ich mich schon, wie hoch der Stellenwert des Strafvollzuges ist.

Natürlich ist eine Vermehrung des Personals aller Berufsgruppen im Strafvollzug dringend notwendig, dies ist jedoch nur politisch durchsetzbar, wenn der Strafvollzug einen wesentlich höheren Stellenwert in der Gesellschaft bekommt. Dazu sind jedoch die Politik und die Medien aufgefordert, dem Strafvollzug die notwendige Akzeptanz zu verschaffen und die Öffentlichkeit über die tatsächlichen positiven Leistungen zu informieren. In einigen europäischen Staaten, in denen der Strafvollzug einen deutlich höheren Stellenwert hat, können wesentlich mehr Ressourcen bereitgestellt werden als dies in Österreich der Fall ist. Mit höherer Anerkennung des Strafvollzuges und damit auch seiner Bediensteten ist die Arbeit, die wir letztendlich ja für die Öffentlichkeit leisten, wesentlich leichter zu erfüllen. Es ist ja ein Dienst an der Gesellschaft und der Strafvollzug ist Teil dieser.

Ich selbst halte in meiner Dienststelle viele Informationsveranstaltungen mit jungen Menschen und mit Personen aus verschiedenen Bereichen ab. Nach solchen Veranstaltungen erhalte ich sehr viele positive Rückmeldungen und kann damit einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass wieder einige Menschen die Arbeit im Strafvollzug schätzen und Verständnis für Menschen hinter Gittern haben.

Dass Fehler in der Vergangenheit passiert sind, kann und soll keiner leugnen oder versuchen zu verniedlichen. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen und welche wirksamen Maßnahmen getroffen werden, um künftig Fehler zu vermeiden. Es darf keiner von sich glauben, dass er keine Fehler machen wird. Äußerungen von Personalvertretern im Report vom 8. Juli 2014 sind nicht geeignet, die Aufarbeitung von Fehlern zu erleichtern und das Ansehen des Strafvollzuges in der Bevölkerung zu steigern.

Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, dass nicht in allen Justizanstalten die Problematik der fehlenden Ressourcen äußerst groß ist. In meiner Dienststelle hat die Arbeit für und mit Insassen einen sehr hohen Stellenwert, sodass es nur wenige Tage im Jahr vorkommt, dass einzelne Betriebe geschlossen werden. Es ist vielmehr so, dass Justizwachebeamte ein hohes persönliches Risiko eingehen, um möglichst viele Insassen eine Beschäftigung zu ermöglichen.

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