Das Christkind als Kulturexport

Das Christkind als Kulturexport
Feiern Muslime Weihnachten? Wenn ja, dann aus traditionellen Gründen. Religiöse Bedeutung hat es aber keine.

Weihnachten gefällt mir besser, seit ich Moslem bin", sagt Galib Stanfel. "Ich kann die besinnliche Zeit genießen und hab’ vor dem Heiligen Abend keinen Stress."

Der Musiktherapeut aus Pressbaum (NÖ) wuchs in einem christlichen Elternhaus auf, konvertierte mit 21 aber zum Islam. Seine fünf Kinder werden muslimisch erzogen. Weihnachten feiern sie trotzdem, denn Brauchtum hat in der Familie einen hohen Stellenwert. Bei den Großeltern findet am Heiligen Abend ein Familienfest statt. Ganz traditionell, mit Christbaum und Geschenken.

"Mir ist wichtig, dass sich meine Kinder mit der religiösen Bedeutung von Weihnachten auseinandersetzen; dass sie es als christliches Fest akzeptieren. Aber, dass sie auch die Unterschiede zu unserer Religion kennen", erklärt Stanfel.

So ähnlich sehen das viele Muslime in Österreich: Weihnachten ist zwar ein christliches Fest, aber der Brauch hat Eingang in ihre Lebenswelt gefunden.

Kulturelle Vielfalt

"Unter den Muslimen gibt es eine starke Pluralisierung", meint Soziologe Kenan Güngör. Er ist kurdischer Alevit. "Es gibt diejenigen, die Weihnachten feiern, weil sie seit frühester Kindheit damit aufgewachsen sind. Und es gibt andere, die darin das Risiko eines Identitätsverlustes sehen – die denken: ,Oh, jetzt werd ich christianisiert.‘"

Menschen tendieren in der Fremde dazu, ihre Kultur zu kultivieren, erklärt Güngör. "Ein Problem wird es erst, wenn sie sich deshalb einzementieren; wenn die lebensweltliche Durchmischung künstlich bereinigt wird. Denn das ist das Schöne an einer vielfältigen Gesellschaft: Die Leute haben die Chance auszuwählen – jeder kann sich Vieles von Vielem nehmen. Das zieht sich durch die gesamte Kulturgeschichte: Menschen beeinflussen einander – so entwickeln sich Gesellschaften."

Güngör, der aus der Türkei stammt und in Deutschland aufgewachsen ist, feiert mit seiner Familie ebenfalls Weihnachten: Mit einem künstlichen Christbaum, der dafür Jahr für Jahr aus dem Keller geholt wird, und mit Geschenken – den Kindern zuliebe. Religiosität sei dabei kein Thema. "Es geht um den kulturellen Einfluss. Es ist eine schöne Stimmung, eine nette Zeit. Genau, wie für viele ,alt eingesessene‘ Österreicher – nicht jeder, der Weihnachten feiert, ist gläubig."

"Schöne Geschichte"

Für Sennur Aslantürk aus Wien wiederum ist der Heilige Abend "wie jeder Sonntagabend". Man hat zwar frei und Zeit für die Familie, gefeiert wird aber nicht. "Natürlich ist der Advent eine besinnliche Zeit. Und es ist auch eine schöne Geschichte – vom Christkind, das Geschenke bringt. Aber es ist eben nicht unsere religiöse Überzeugung", sagt die türkischstämmige Bilanzbuchhalterin, die seit 41 Jahren in Österreich lebt. "So hab’ ich das auch meinen Kindern erklärt."

Weihnachten hat für Aslantürk trotzdem eine besondere Bedeutung: Jahr für Jahr bäckt sie mit einer christlichen Freundin Weihnachtskekse für deren Familie.

"Geschenke sind gut"

Im schulischen Alltag seien die religiösen Unterschiede jedenfalls kein Problem, meint Gülmihri Aytac vom muslimischen Elternverein.

"Weihnachten ist ein christlicher Brauch, an dem sich Muslime noch nie gestoßen haben", sagt sie. "Es gibt an den Schulen das Engerl-Bengerl-Spiel, bei dem die Schüler einander beschenken. Das ist gut – der Prophet empfiehlt ja, einander Geschenke zu machen. Das einzige Problem sind vielleicht Krippenspiele, wenn muslimische Kinder in christliche Rollen schlüpfen müssen. Da sind die Eltern zum Teil dagegen."

Muslimische Eltern finanzieren zudem den Christbaum der Schule mit. Im Gegenzug würde sich Aytac mehr Interesse christlicher Eltern an muslimischen Feiertagen wünschen. Insbesondere an Schulen mit mehrheitlich muslimischen Schülern.

Im Islam hat Weihnachten keine religiöse Bedeutung. Muslime glauben zwar an Jesus, aber als Prophet und nicht als Sohn Gottes. Ihre wichtigsten Feste sind dagegen das Opfer- oder auch das Ramadan-Fest. Da viele der bundesweit rund 570.000 Muslime – das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 6,2 Prozent – mit den österreichischen Traditionen aufgewachsen sind, feiern sie am Heiligen Abend zum Teil trotzdem.

Das bemerkt auch der Handel. Muslime mit Einkaufswagen voller Geschenke sind kein seltener Anblick mehr. Gesicherte statistische Daten gibt es zu deren Einfluss aufs Weihnachtsgeschäft laut Wirtschaftskammer aber keine.

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