Crystal Meth: Die Kristalle aus der (Labor-)Hölle

Nach der Euphorie geht’s steil bergab.
Die Aufgriffe haben sich verdoppelt. Speziell in Oberösterreich breitet sich die Droge rasant aus.
Unbesiegbar. Euphorisch. Mächtig. Crystal Meth – wird überwiegend geschnupft, teilweise geraucht, in Wasser gelöst intravenös injiziert oder auch rektal verabreicht – lässt die Grenzen verschwinden. Ebenso die Müdigkeit und den Hunger. Doch die Ernüchterung bringt Konsumenten direkt in die Drogenhölle: Depressionen, extreme Müdigkeit, schlechte Laune. "Eine teuflische Kombination. Da neigt man natürlich dazu, nachzulegen", sagt Kurosch Yazdi. Der Psychiater und Buchautor (Junkies wie wir) leitet das Suchtmittel-Zentrum in der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg in Linz. Und dort ist Crystal Meth zu einem ernsthaften Problem geworden. "Vor drei, vier Jahren war das kaum ein Thema. Jetzt hat jeder Dritte, der zu uns kommt, ein Crystal-Problem", erzählt der Psychiater.

Der Drogenbericht des Bundeskriminalamtes untermauert seine Beobachtung. Die sichergestellte Menge hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Wurden 2012 3,2 Kilo beschlagnahmt, waren es im vergangenen Jahr 7,5 Kilo. 1337 Personen wurden angezeigt. Crystal wird nur in sehr kleinen Mengen geschmuggelt. Meist von Tschechien, wo sich laut UN World Drug Report 338 Meth-Labore befinden.

Lauffeuer

Crystal Meth: Die Kristalle aus der (Labor-)Hölle
Prim. Dr. Kurosch Yazdi Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Leiter der Abteilung Psychiatrie 5 Landesnervenklinik Wagner-Jauregg
Vor allem in Oberösterreich haben sich die "Kristalle des Teufels" wie ein Lauffeuer ausgebreitet. Mehr als die Hälfte der Anzeigen bundesweit passierten hier. Auch Niederösterreich ist stark vertreten. Im Nordburgenland steigt der Verkauf von Crystal Meth "extrem", wie ein Fahnder mitteilt. Es käme aus der Slowakei. In Wien "rechnen wir seit Jahren damit, dass Crystal Meth auch hier verstärkt auftaucht. Bisher ist das aber nur ganz marginal", sagt Sonja Grabenhofer von Check It. Über den Grund kann nur spekuliert werden. "Vielleicht passt es einfach nicht in die städtische Partyszene."

Neu ist Crystal Meth nicht. Schon Adolf Hitler ließ im Zweiten Weltkrieg seine Wehrmachtssoldaten mit den "Teufelskristallen" versorgen.

Seit einigen Jahren ist Crystal, auch "Ice" genannt, in Europa wieder auf dem Vormarsch. Auch, weil die Herstellung einfach und die synthetische Droge somit billig ist. "Speziell bei Jüngeren wird Crystal zur Hauptdroge", sagt Yazdi. Es hat ein hohes Suchtpotenzial. "Crystal Meth spielt in einer Liga mit Heroin oder Crack", sagt der Psychiater. Die gefürchtetste Nebenwirkung seien Psychosen. Die Konsumenten werden paranoid, fühlen sich bedroht und werden aggressiv und unkontrollierbar. Dazu kämen schwere körperliche Nebenerscheinungen. "Bei regelmäßigem Konsum entzündet sich das Zahnfleisch, Zähne fallen aus, das Hautbild verschlechtert sich massiv. Die Substanz ist hochtoxisch. Sie tötet Zellen. Gehirn und Nerven leiden darunter. Die Konsumenten verblöden. Bei langjährigem Konsum spricht man auch von einer Crystal-Demenz", sagt Yazdi.

So krasse Fälle gibt es in Österreich (noch) nicht. "Aber in zehn Jahren werden wir die Folgen auch bei uns sehen." Denn Ice breitet sich rasant aus. "Wir haben jährlich 3500 bis 4000 Kontakte zu Süchtigen. Ein Drittel kämpft mit Crystal. Und auch ein Drittel unserer Betten ist mit Crystal-Patienten belegt", schildert der Psychiater.

Schwieriger Entzug

Der Entzug sei schwierig. "Es gibt keine medikamentöse Unterstützung. Das ist ein kalter Entzug." Und den schaffen viele nicht. "Weniger als die Hälfte zieht die Behandlung durch. Nur sehr wenige kommen langfristig davon los." Der jüngste Crystal-Meth-Patient war 15 Jahre alt.

Mit der New York Times hat sich eines der angesehensten Presseorgane der USA für die Legalisierung von Cannabis ausgesprochen. In einem Aufsehen erregenden Leitartikel vom Samstag wurde das seit mehr als vier Jahrzehnten gültige Verbot mit den Zeiten der Prohibition von 1920 bis 1933 verglichen, als Herstellung und Verkauf von Alkohol in den Vereinigten Staaten strikt untersagt waren.

Cannabis-Sucht bringe im Vergleich zu Alkohol- und Tabakabhängigkeit "relativ geringfügige Probleme" mit sich. In dem Leitartikel wiesen die Autoren darauf hin, dass genussfreudige Menschen schon während der Prohibition weitergetrunken hätten, wodurch "gesetzestreue Bürger zu Kriminellen gemacht wurden und Verbrechersyndikate ihre Blütezeit erlebten".

Doch Cannabis kurbelt auch den Tourismus an: Seit Jahresbeginn ist Marihuana im US-amerikanischen Bundesstaat Colorado legal. Das lockt auch Konsumenten aus anderen US-Staaten an. Und das wiederum haben Geschäftsleute erkannt: Sie bieten sogar Cannabis-Touren an. In der Limousine werden die Touristen zu den Hanfplantagen geführt, wo sie sich ihre eigenen Joints bauen können.

Stundenlang standen die Menschen in den ersten Jännertagen vor den Verkaufsstellen an, um ganz legal Marihuana zu erwerben. Für medizinische Zwecke ist es schon länger erlaubt. Jetzt ist es aber auch als Freizeitdroge legal. Und dafür greifen die Amerikaner auch tief in die Tasche. Für eine Unze (entspricht 28 Gramm) bezahlen sie 400 Dollar, also rund 300 Euro. Für medizinische Zwecke kostet es die Hälfte. Bewohner ab 21 Jahren dürfen eine Unze erwerben, Besucher nur ein Viertel davon.

Mehr Einnahmen

In einer Befragung hatte sich die Bevölkerung für die Legalisierung von Cannabis ausgesprochen. Und davon profitiert auch die Staatskassa. Allein im Jänner brachte das zwei Millionen Dollar (1,49 Mio. €) an Steuern. Durch die Einnahmen sollen Schulgebäude saniert werden.

In Österreich ist die Legalisierung kein Thema. Weder Justiz- noch Gesundheitsminister können sich mit der Idee anfreunden. Cannabis ist die mit Abstand am meisten konsumierte Droge des Landes. Im Jahr 2013 weist der Drogenbericht des Bundeskriminalamtes eine erneute Steigerung auf. 1,8 Tonnen Gras wurden sichergestellt; 600 Kilo mehr als im Jahr davor. Der große Unterschied zu allen anderen Drogen: Cannabis muss nicht importiert werden – die Österreicher produzieren es zu einem großen Teil im eigenen Land.

Falscher Eindruck

"Jede Droge bringt andere Drogen näher", sagt Primar Kurosch Yazdi, Leiter der Psychiatrie in der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg in Linz. "Eine Legalisierung schafft den Eindruck, als sei das nicht gefährlich. Aber in den USA ist die Zahl der Psychosen bei Jugendlichen durch den Konsum deutlich gestiegen. Und in Colorado gibt es einen starken Anstieg bei Unfällen, die unter Cannabis-Einfluss passiert sind."

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