Buch über Papa, der nicht heimkam

Der Gipfelsieger: Auf jedem Berg ließ sich Gerfried Göschl stets mit einem Familienfoto knipsen.
Gerfried Göschl kehrte vom Hidden Peak nicht zurück. Seine Frau bringt nun seine Biografie heraus.

Heike Göschl-Grünwald ist eine offene, fröhliche Frau, die gerne lacht. Sie lächelt auch viel, wenn sie von "Görf" erzählt, wie ihr Mann Gerfried von Familie und Freunden genannt wurde. "Er wollt’ immer ein Buch schreiben, aber es ist immer was dazwischengekommen. Per Gaudi hat er einmal zu mir gesagt, geh, das schreibst du."

Das hat die 35-Jährige gemeinsam mit dem Südtiroler Jochen Hemmleb nun gemacht: Am 2. Oktober wird Gerfried Göschl. Spuren für die Ewigkeit präsentiert. Es soll Biografie und Vermächtnis des steirischen Bergsteigers zugleich sein. "Was mich innerlich angetrieben hat: Ich kann meinen Kindern etwas vorlegen, ein Buch über ihren Papa." Während Hannah, 8, noch einige persönliche Erinnerungen an ihren Vater hat, muss Helena, 4, ohne auskommen: Sie war erst zwei, als ihr Papa nicht mehr vom Hidden Peak zurückkehrte.

Auf Autopilot

Gemeinsam mit seinen Partnern Cedric Hählen und Nisar Hussain wagte Göschl 2012 die erste Winterbegehung des 8080 Meter hohen Berges im Karakorum, Zentralasien. Am 9. März kam seine letzte Nachricht: "Ich glaube, wir schaffen es." Danach riss jeder Kontakt ab, Suchflüge blieben ergebnislos. Eine Woche später gab Heike die Hoffnung auf, Gerfried wiederzusehen. An diese Tage und Wochen damals könne sie sich kaum erinnern, beschreibt sie heute. "Ich war da wie auf Autopilot." Ihr Eintrag vom 10. März in einer Art Tagebuch gibt jedoch Einblick: "Ich habe Gerfried immer gesagt, dass ich es nicht schaffe, wenn er mir so was antut. Und was macht er? Riskiert uns für einen Gipfel!"

Auch solche persönlichen Zeilen haben Göschl und Hemmleb neben Hunderten Fotos in das Buch aufgenommen. "Es kommt auch Kritik vor, in der Richtung, wie kann man solche Expeditionen nur machen?" schildert die Steirerin und gesteht ein: "Das so stehen zu lassen, ist mir nicht leicht gefallen."

Wie eine Schachpartie

Gerfried Göschls andere Leidenschaft war Schach. Immer wieder verglich er das eine mit dem anderen und sah mehr Gemeinsames als Trennendes. "Ein Gegner ist ein Partner. Und der Berg ist auch ein Partner, der einen fordert", skizzierte er seine Gedanken gegenüber Freunden. "Wenn man raufkommt, ist es wie wenn man eine Schachpartie gewinnt eine schöne Sache. Man besiegt den Berg nicht, man setzt ein Projekt um."

Aus diesem Grund wählten Heike Göschl und Jochen Hemmleb Schachbegriffe als Titel für die einzelnen Kapitel: Eröffnung, Positionsspiel, Meisterpartie, Patt und Endspiel. "Es sind fünf Akte", beschreibt Heike. "Von 1999, der ersten Expedition auf einen 7000-er bis eben 2012."

2010 machte Göschl, der bis dahin hauptberuflich als Lehrer arbeitete, seine Leidenschaft zum eigentlichen Beruf: Er wurde Profibergsteiger. Ihr Mann sei stets verantwortungsbewusst gewesen, habe aber klare Ziele gehabt, schildert Heike im Buch. Die Abschiede seien schwer gewesen, aber: "Ich wollte niemals, dass er für mich einen Lebenstraum aufgibt. Alles andere, wie zum Beispiel Angstgefühle, ließ ich einfach nicht aufkommen."

Bis heute ist nicht klar, was am Hidden Peak schief gegangen ist. Wenn die Töchter groß genug sind, könnte es sein, dass Heike zum Schicksalsberg ihres Mannes fährt. "Derzeit hab’ ich das weggeschoben." Doch es sei ihr schon wichtig, zum Hidden Peak zum kommen. "Ich hoffe, dass ich es irgendwann wirklich will."

Mehrere Versuche
Gerfried Göschl plante die erste Besteigung des Hidden Peak zwischen China und Pakistan im Winter lange. Am 20. Jänner 2011 brach er erstmals dazu auf. Doch der Plan ging nicht auf: Am 15. März scheiterte der Versuch, den Gipfel zu erreichen. Es hatte minus 40 Grad, eisiger Sturm wehte. Am 21. Jänner 2012 startete Göschl mit Cedric Hählen und Nisar Hussain vom Basislager aus.
Am 31. Jänner waren sie bereits auf 6400 Metern Höhe, dann folgten mehrere Anläufe, nach oben zu gelangen. Am 8. März meldeten sie: „Wir sind unter dem Gipfel.“

Bergsteigen lässt sich mit Schach vergleichen, hinsichtlich der Strategie. Ich habe keinen Stil, bei dem man wild drauflos und hirnlos in eine Sache reingeht, sondern versuche eher, über lange Zeit den Gegner auszuloten.
Gerfried Göschl

Was Gerfried versucht hat, war ein absoluter Grenzgang. Andererseits ist er in einen Bereich vorgestoßen, wo ich mir nicht mehr sicher bin, ob wir da als Menschen überhaupt hingehören. Doch wenn du Profi werden willst und davon leben möchtest, hast du einen gewissen Druck im Nacken.
Michaela Landl, Sponsorvertreterin, mit Göschl am Nanga Parbat

Wenn ich das Wort Profibergsteiger schon höre, stellen sich bei mir sämtliche Nackenhaare auf. Das ist so ziemlich der letzte Job, den ich haben möchte, Bergsteigen müssen zählbare Erfolge heimbringen. Wie ich das gehört habe, habe ich gedacht: Ja bist du denn deppert. Das ist doch die größte Idiotie, die du machen kannst.
Hans Goger, Göschls Partner an Everest und Nanga Parbat

Ich muss gestehen, ich verwünsche mich manchmal, dass ich das meiner Familie antue. Kann man Abenteuerlust und die Sehnsucht nach einem normalen Familienleben überhaupt unter einen Hut bringen?
Weblog G. Göschl, 18. 2. 2012

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