„Auf den Krieg könnte ich verzichten“

„Auf den Krieg könnte ich verzichten“
Erwin Frühwalds Leben, vom begeisterten Nazi zum Regimegegner, passt in keine Kategorien.

Als Erwin Frühwald 1938 mit 18 Jahren auf dem Heldenplatz stand, war er begeistert wie Zigtausende andere auch, als Hitler „die Heimholung seiner Heimat ins Großdeutsche Reich“ verkündete.

Doch wenig später folgte die Ernüchterung: „In Mödling sah ich, wie jüdische Kaufleute herumgeschubst und mit faulem Obst beworfen wurden. Ich dachte mir, das ist doch tiefstes Mittelalter“, erzählt der heute 93-Jährige.

Als junger Flugzeug- und Autokonstrukteur erlebte er, wie einer seiner Kollegen eine Spaßrede als Adolf Hitler hielt und am nächsten Tag verschwunden war. Die Sekretärin hatte ihn denunziert. „Ich habe ihn nie mehr gesehen. Da begann ich, das NS-Regime kritisch zu sehen.“

Im Frühjahr ist sein Erstlingswerk erschienen: „Im Banne der Macht“ (Seifert Verlag 2013, 26,90 €) erzählt seine Wandlung vom jungen Nationalsozialisten und Kampfpiloten, der Karriere in der Kriegsmaschinerie der Nazis machte, zum Regimegegner und Mitwisser der Operation „Walküre“ (s. Info unten).

Gentleman im Krieg

Als Kampfpilot in Nordafrika lernte er noch die Gentleman-Seite des Krieges kennen, als er zwei Mal von britischen Piloten abgeschossen wurde, die ihn aber notlanden ließen und ihm Zeit gaben, sich vom Flugzeug zu entfernen (ehe sie es zerstörten). Doch er sah auch, dass es ein Angriffskrieg war, der die Zivilbevölkerung terrorisierte.

Mit jedem Jahr des Krieges wurde ihm der verbrecherische Charakter des NS-Regimes mehr und mehr bewusst. Spätestens nach Stalingrad, als 230.000 Soldaten in aussichtsloser Lage die Fortführung der Kämpfe befohlen wurde, war für Frühwald klar: „So kann es nicht weitergehen.“

„Ich habe mir überlegt, wie man das stoppen kann. Der Tyrannenmord, Hitler zu ermorden, erschien mir als beste Lösung. Also habe ich mit Vertrauten Möglichkeiten diskutiert.“ Zu dem Zeitpunkt war Frühwald in Berlin an höchster militärischer Stelle gelandet, im „Oberkommando Luftfahrt“. „Ich wusste ein Jahr vorher vom Stauffenberg-Attentat.“

Am Tag nach dem 20. Juli 1944, dem Tag des gescheiterten Attentats, wurde Frühwald von der Gestapo festgenommen und 48 Stunden lang verhört. „Es gab keine Beweise gegen mich, aber es gab offensichtlich einen Spion in der Dienststelle. Die Gestapo war über jeden meiner Schritte informiert.“

In den letzten Kriegstagen, als die russische Armee vor Wien stand, flüchtete er Richtung Westen. Seine Frau, die er 1943 in Berlin kennengelernt hatte, blieb an seiner Seite. Im Fliegerhorst Linz-Hörsching wurde er zu einem General gerufen, der ihm „Feigheit vor dem Feind“ vorwarf. Frühwald flüchtete erneut, diesmal vor dem Nazi-General. In Gmunden wurde er als vermeintlicher russischer Spion festgenommen und verbrachte eine Nacht in der Todeszelle. Nur durch die Intervention eines befreundeten Offiziers entkam Frühwald dem Erschießungskommando.

Der Politologe Anton Pelinka schreibt über die 680 Seiten umfassenden Erinnerungen: „(...) ein aufschlussreicher Beitrag zur Ausdifferenzierung der österreichischen Geschichte zur NS-Zeit (...). Die üblichen Kriterien wie Täter und Opfer greifen bei ihm ganz einfach nicht. Und während viele Menschen in Österreich Täter und (oder) Opfer waren, war Frühwald genau genommen weder das eine noch das andere. Und er war auch kein Mitläufer.“

Frühwald selbst fasst es im KURIER-Gespräch so zusammen: „Auf den Krieg könnte ich glatt verzichten. Er hat mir gezeigt, wie leicht Menschen verhetzt werden können.“

Stauffenberg: Ein tragischer Held

Operation „Walküre“ Claus Schenk Graf von Stauffenberg war Offizier der deutschen Wehrmacht. Nachdem er die aussichtslose militärische Lage und den verbrecherischen Charakter des NS-Regimes erkannt hatte, ging er in den Widerstand und verübte am 20. Juli 1944 ein Attentat auf Adolf Hitler (im Bild rechts, fünf Tage davor aufgenommen, steht Stauffenberg ganz links). Der Tyrannenmord misslang ebenso wie der geplante Staatsstreich.

Die Folgen Noch am selben Tag wurden Stauffenberg sowie drei seiner Mitverschwörer verhaftet und wenig später erschossen. Ihre Leichen wurden Tags darauf in Uniform bestattet, doch auf Befehl von Reichsführer-SS Heinrich Himmler wieder exhumiert und verbrannt. Ihre Asche wurde am Rande Berlins verstreut. Stauffenbergs schwangere Ehefrau kam ins KZ Ravensbrück, die Kinder wurden in ein Kinderheim verbracht.

Kommentare