Bilanz 2017: Kriminalität in Österreich deutlich gesunken

Symbolbild
Erst im Frühjahr wird die Kriminalstatistik für 2017 veröffentlicht. Der KURIER hat bereits jetzt die Rohdaten. Auffällig: Die Anzahl tatverdächtiger Asylwerber sank.

Als einer, der hart durchgreifen wird – mit dieser Ansage hat sich FPÖ-Innenminister Herbert Kickl am Mittwoch vor die Presse gestellt. Er beklagte die hohe Kriminalität bei Flüchtlingen und kündigte an, die Regierung werde "auf die Entwicklung mit einer sehr, sehr strengen Asylpolitik antworten". Als Grundlage für seine Pläne dient der Sicherheitsbericht 2016, die Zahlen sind also schon mehr als ein Jahr alt. Tatsächlich ist 2017 die Zahl der tatverdächtigen Asylwerber deutlich gesunken.

Das geht aus der Kriminalstatistik 2017 hervor, die vom Innenministerium aber vermutlich erst im März präsentiert werden soll. Inoffiziell gibt es die entsprechenden Zahlen schon seit 1. Jänner. Der KURIER kennt die Rohdaten, die mit zu den am besten gehüteten Geheimnissen der Republik zählen, bereits. Dort ist belegt, dass die Zahl der angezeigten Fälle im Vorjahr deutlich zurückgegangen ist. "Die Erfahrung zeigt", so ein Insider, "dass die Rohdaten im Wesentlichen den später veröffentlichen offiziellen Statistiken entsprechen."

In den Dokumenten des Ministeriums ist von 509.792 "gerichtlich strafbare Handlungen" die Rede – ein Minus von 28.000 angezeigten Fällen bzw. einen Rückgang von 5,2 Prozent. Den größten Rückgang gibt es bei Einbruchsdelikten – sei es in Häuser, Wohnungen, Keller oder Firmen. Während 2016 noch mehr als 10.000 Autoeinbrüche verzeichnet wurden, waren es im Vorjahr rund 7500. Diese Bereiche sind besonders wichtig, betreffen sie doch den unmittelbaren Lebensbereich der Menschen. Sie sind damit für das subjektive Sicherheitsgefühl mitverantwortlich, sagen Experten.

Bilanz 2017: Kriminalität in Österreich deutlich gesunken

Rückläufig war im Vorjahr auch die Zahl der Gewaltdelikte (42.071), rund 1000 Anzeigen weniger bedeuten ein Minus von 2,4 Prozent. Taschen- bzw. Trickdiebstähle gingen um ein Fünftel zurück, Raubdelikte um knapp 18 Prozent. Statt knapp 3000 gestohlenen Autos 2016 wurden im Vorjahr 2660 gemeldet. Und auch bei Sachbeschädigung und Körperverletzung verzeichnete man einen leichten Rückgang.

Aufklärung

Die Bilanz stellt den Polizeiermittlern ein gutes Zeugnis aus. Gegenüber 2016 konnten deutlich mehr Fälle geklärt werden. Bei Kellereinbrüchen wurden etwa doppelt so viele Langfinger gefasst. Bei Kfz- und Firmeneinbrüchen war man dagegen weniger erfolgreich, hier sank die Aufklärungsquote.

Eine Erklärung, warum die Zahlen rückläufig sind, liefert die Statistik nicht. Spricht man aber mit Ermittlern, so nennen diese gleich mehrere Gründe: Zum einen hätten sich die verstärkten Kontrollen, die im Zuge der Flüchtlingskrise begonnen wurden, bezahlt gemacht. "Die reisenden Täter hat das einfach abgeschreckt", sagt ein Kriminalist. Zudem sei das Vertrauen in die Exekutive wieder gestiegen. "Wir bemerken, dass sich mehr Bürger bei uns melden und uns auch immer wieder gute Hinweise liefern."

Insgesamt konnten Polizeibeamte im Vorjahr fast jeden zweiten Fall lösen – die Aufklärungsquote (49,7) stieg um knapp vier Prozent.

Der Rückgang der angezeigten Fälle ist übrigens in der Ostregion am höchsten. Wiewohl die Bundeshauptstadt mit fast 190.000 Straftaten das Kriminal-Ranking deutlich anführt. Das zeigt sich auch bei einer statistisch aussagekräftigen Betrachtung: In Wien gab es mehr als 100 angezeigte Fälle pro 1000 Einwohner. Bundesweit waren es knapp 60. Am Ende der Liste: OÖ (43,8), NÖ (42,9) und das Burgenland (33,0).

Wo Licht, da Schatten: Bereits Ende 2016 hatte die Generaldirektorin für die Öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, eine deutliche Zunahme von Cybercrime-Delikten angedeutet. Die aktuellen Zahlen bestätigen dies überdeutlich. Besonders die Zunahme beim Internetbetrug muss den Ermittlern Sorge bereiten. 11.760 registrierte Fälle bedeuten ein Plus von fast 2100 Straftaten. Andere Arten von Cybercrime-Attacken schreiben ein Plus von fast 35 Prozent. Die Polizei stemmt sich dagegen: 2017 konnten mehr Online-Betrüger ausgeforscht werden und bei Cybercrime wurden doppelt so viele Fälle geklärt wie noch 2016.

Der Anstieg der Anzeigen bei Cybercrime sei, so Kardeis im Dezember, nicht nur auf die gestiegene Sensibilität der Bevölkerung zurückzuführen. "Der Kriminelle ist am Puls der Zeit." Wichtig sei daher auch, bei der Prävention in der Bevölkerung am Puls der Zeit zu sein.

Ausländer

2017 wurden 20.100 Asylwerber als Verdächtige einer Straftat geführt. 2016 waren es noch 22.288. Damit ist die Zahl der tatverdächtigen Asylwerber um knapp zehn Prozent gesunken.

Die Gesamtzahl aller 2017 ermittelten Tatverdächtigen ist mit 270.279 nahezu gleich geblieben (2016: 270.159). 105.741 Tatverdächtige waren keine Österreicher (39,1 Prozent, wie auch 2016).

Kickl in der Kritik

Über die exakte Aussagekraft der Kriminalstatistik kann man diskutieren. Dass die Zahl der Anzeigen auf den niedrigsten Stand seit der Einführung dieser Zählweise im Jahr 2000 gesunken ist, kann vielerlei Gründe haben: Weniger Opfer gehen zur Polizei, es gibt weniger Beamte oder diese waren weniger fleißig. Oder die Kriminalität sinkt tatsächlich. Das kann jeder interpretieren, wie er es (politisch) gerne möchte.

Fakt ist aber, dass es weniger Morde gibt, in ganz Österreich mittlerweile nur noch so viele wie in Wien noch vor einigen Jahren. Spektakuläre Überfälle auf Banken oder Juweliere? Die finden kaum noch statt. Auch Einbrüche oder Autodiebstähle werden deutlich weniger angezeigt, wobei bei derartigen Delikten wohl niemand unterstellen kann, dass diese nicht angezeigt werden. Sogar die Gewalt ist offenbar weniger geworden.

Die 90er-Jahre, heute gerne die "gute alte Zeit" genannt, als massenweise Autos und Wohnungen aufgebrochen wurden, es Banküberfälle in Serie gab und Mafiamorde in Wien geschahen – das alles ist überwunden. Auch dank Sonderkommissionen und polizeilicher Arbeit. Selbst der kurzzeitige Anstieg in der Bilanz durch die Migrationswelle, die vor allem für mehr Ladendiebstähle und (vorwiegend kleinere) Gewaltdelikte unter den Asylwerbern sorgte, ist damit Geschichte. Die Zahl der tatverdächtigen Asylwerber ist 2017 sogar um zehn Prozent gesunken. Den deutlichsten Zuwachs bei den Verurteilungen wegen Sexualdelikten haben ausgerechnet die Österreicher selbst.

Das alles mag nicht in das Weltbild des Boulevards passen, der täglich in riesigen Lettern über jede Straftat eines Flüchtlings berichtet. Dass zunehmend Menschen Angst haben, nachts auf der Straße zu gehen, ist eine Folge von Schauergeschichten und nicht der Realität. Man könnte sie beruhigen. Auch wenn man über diese aktuellen Zahlen aus 2017 spricht und nicht mit einem 13 Monate alten Sicherheitsbericht Angst verbreitet.

von Dominik Schreiber

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