Politik setzt auf Verdrängung

Trotz VfGH-Urteilen wurde das Betteln in Westösterreich erschwert
Salzburg überlegt, Bettelverbot auszuweiten / Volksanwalt kritisiert Vorgehen in Vorarlberg.

Es schüttet wie aus Kübeln, der Wind weht, es ist kalt – jene Bettler in der Stadt Salzburg, die keinen Platz in den beiden Notschlafstellen finden, müssen die Nacht auch bei widrigen Bedingungen im Freien verbringen. 40 Plätze sind in den Unterkünften vorhanden. Bei Weitem nicht alle Bettler finden Platz. Derzeit sollen es Schätzungen zufolge rund 120 sein. Im vergangenen Sommer war noch von 180 die Rede. Die grüne Bürgerliste forderte trotz weniger Bettler jüngst die Aufstockung der Notschlafstellen auf mindestens 100 Plätze.

Dem erteilt Stadtrat Harald Preuner (ÖVP), ressortzuständig für die öffentliche Ordnung, eine strikte Absage. Er will stattdessen die Zahl der Bettler weiter reduzieren. "Es braucht neben sozialen auch ordnungspolitische Maßnahmen", sagt Preuner mit Nachdruck. Die Stadt soll für Bettler unattraktiver und das sektorale Verbot daher ausgeweitet werden.

"Sozialromantik"

Bekannte Gassen und Plätze in der Altstadt könnten demnach bald zur Verbotszone gehören – etwa die Franziskanergasse, der Alte Markt oder die Kaigasse. Auch in der Neuen Mitte Lehen will Preuner das Betteln untersagen. Im Mai soll der Gemeinderat darüber abstimmen. Ob sich eine Mehrheit findet, ist fraglich. Die SPÖ, deren breite Zustimmung es braucht, will die Zählung der Bettler im März abwarten. "Für eine großräumige Ausdehnung sind wir aber eher nicht zu haben", sagt Bernhard Auinger, Klubobmann der SPÖ-Gemeinderatsfraktion. Die Forderung der Bürgerliste nach mehr Schlafplätzen tut Auinger aber als "Sozialromantik" ab.

Politik setzt auf Verdrängung
ABD0026_20150520 - SALZBURG - ÖSTERREICH: THEMENBILD - Eine bettelnde Person in der Salzburger Altstadt am Dienstag, 19. Mai 2015. Der Gemeinderat beschließt heute ein sektorales Bettelverbot. - FOTO: APA/BARBARA GINDL
Ins Visier der Politik ist zuletzt das Nachtlager unter der Karolinenbrücke geraten. Preuner will es räumen lassen. Weil über die Brücke eine Landesstraße führt, sieht er die Zuständigkeit beim Land. Der parteilose Verkehrslandesrat Hans Mayr ist anderer Auffassung: "Für die Sicherheit ist aus meiner Sicht die Stadt zuständig. Es ist nicht in Ordnung, dass es dann heißt, das Land übernehme endlich Verantwortung dafür." Zudem handle es sich teilweise um Bundesgrund. Mayr spricht sich nun für eine gemeinsame Lösung aus.
Politik setzt auf Verdrängung
Bettler unter der Karolinenbrücke
Ruhig ist es hingegen bei den Fahrradunterstellplätzen der S-Bahnstationen Mülln und Aiglhof geworden. Dort hätten im vergangenen Herbst noch bis zu 40 Bettler Quartier bezogen, heißt es aus Preuners Büro. Fahrgäste und Anrainer klagten über Lärm, Schmutz und Gewaltexzesse. Seit ein Wachdienst der ÖBB regelmäßig kontrolliere, gebe es kaum noch Probleme.

Salzburg ist mit seinem zunehmend rigorosen Vorgehen im Westen Österreichs nicht alleine. Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Urteilen 2012 und 2013 absolute Bettelverbote untersagt hat, mussten zwar auch Tirol und Vorarlberg ihre ähnlich lautenden Gesetze entschärfen. Doch 2015 wurden die Schrauben in den beiden Bundesländern angezogen.

Innsbruck hat das eigentlich erlaubte stille Betteln während des Oster- und des Weihnachtsmarkts in Teilen der Innenstadt untersagt. In Vorarlberg wiederum wurden in mehreren Städten wilde Zeltlager geräumt und nach und nach in Dornbirn, Bludenz und Bregenz Bettelverbote beschlossen.

Beschwerde bei Verfassungsgerichtshof

"Wir überlegen alle drei Verbote beim Verfassungsgerichtshof überprüfen zulassen", sagt Vorarlbergs Landesvolksanwalt Florian Bachmayr-Heyda. Denn die Regelungen seien "teilweise sehr weitreichend". Er ortet einen Widerspruch zu den Grundrechten der Armutsmigranten. "Das vergangene Jahr hat Vorarlberg auf Repression gesetzt. Das finde ich bedenklich."

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