Bei Öffis ist Wien das Vorbild für Graz

Günstige Jahreskarten machen das Umsteigen attraktiv: In Graz ist das Ticket für 435 Kilometer Strecke seit heuer um 228 Euro zu haben, in Wien kostet es für ein Netz von knapp 1000 Kilometern 365 Euro.
Seit die Jahreskarte für öffentliche Verkehrsmittel viel billiger ist, verkauft sie sich so gut wie nie.

Am ersten Tag gingen 1000 Stück weg, jetzt sechs Wochen nach der Einführung hat die Holding Graz bereits 13.000 Tickets abgesetzt. Das sind mehr als im gesamten Jahr zuvor, da waren es bloß 11.900: Seit die Jahreskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel in Graz deutlich billiger wurden, verkaufen sie sich so gut wie nie.

Vorher zu teuer

228 Euro statt wie zuletzt 399 kosten sie nun, und auch wenn das Angebot nur für Kunden mit Wohnsitz in Graz gilt: Es kommt offensichtlich an. Marketingexperte Gerwin Weiher ist heuer zum ersten Mal umgestiegen. Ausschlaggebend war für ihn ausschließlich der Preis. "Jetzt passt er. Vorher war mir das einfach zu teuer. "

Ein Kritikpunkt, der in jüngster Zeit nicht nur von den Fahrgästen kam: Grüne wie auch Pendlerinitiativen schauten schon seit Jahren neidisch nach Wien. Das Jahresticket der Wiener Linien war mit seinem Preis von 365 Euro erstens sowieso billiger, zweitens gemessen am mehr als doppelt so langen Streckennetz unschlagbar günstig.

"Das ist völlig unakzeptabel, dass die Tarife in Graz so hoch sind", rügte etwa der grüne Landessprecher Lambert Schönleitner konsequent. Wie groß das Potenzial an Öffi-Kunden in Graz sein kann, sobald der Preis stimmt, ließ sich außerdem spätestens im November 2010 erkennen: 5000 Halbjahreskarten wurden damals als "Frischlufttickets" zum halben Preis angeboten sie waren binnen sechs Stunden ausverkauft. 45.000-mal wurde insgesamt auf das Online-Formular zugegriffen.

Doch es dauerte bis zu den Budgetverhandlungen im Vorjahr, bis die Grazer Politik mit ÖVP, KPÖ und SPÖ auf die Preisbremse drückte: Das um 43 Prozent günstigere Jahresticket war das Ass, das ÖVP-Stadtchef Siegfried Nagl aus dem Ärmel zog, um das Budget zu retten und Neuwahlen zu verhindern.

Subvention der Stadt

Die Motive hinter dem Preisnachlass sind den Grazern wohl egal, sie greifen tüchtig zu. Mit 24.000 verkauften Jahreskarten-neu rechnet die Holding Graz. Die Tickets werden von der Stadt Graz subventioniert; steigen die Umlandgemeinden ein und zahlen ihren Einwohnern Zuschüsse, dürfte der Ansturm noch wachsen.

Doch verträgt das System mehr Fahrgäste?

107 Millionen Kunden wurden im Vorjahr befördert, so viele wie nie zuvor. Holding Graz-Sprecher Gerald Pichler gibt sich zuversichtlich. Denn wie viele der neuen Kunden echte Umsteiger seien, lasse sich noch nicht sagen "Viele haben vielleicht Monatskarten gehabt oder sind nur unregelmäßig gefahren."

Im Hintergrund laufen aber die Vorbereitungen. Taktverdichtungen seien "in Diskussion", betont Pichler. Wegen einer Erweiterung des Netzes an sich schaut Graz aber wieder neidvoll nach Wien: Im Vorjahr richteten die gesamte Stadtregierung einen Appell an den Bund, doch nicht nur den U-Bahnbau mitzufinanzieren, sondern auch den Öffi-Ausbau der Landeshauptstädte.

Gerwin Weiher, 31: "Früher war mir die Karte einfach zu teuer, fast 400 Euro dafür, dass nach halb zwölf Uhr nachts keine Straßenbahn mehr fährt. Wenn ich Konzerte habe oder Veranstaltungen am Abend, dann komme ich ja vorher nicht weg, und dann müsste ich erst wieder mit dem Taxi fahren. Aber jetzt passt der Preis."

Corinna Wolkner, 29: "Ich habe das Ticket zum ersten Mal gekauft, weil es jetzt günstiger ist. Bisher habe ich mich mit Monatskarten oder 24-Stunden-Karten drübergerettet. Eine Jahreskarte war immer ein Thema, aber bei fast 400 Euro war es doch so, dass ich gesagt habe, das mag ich nicht ausgeben. Aber bei dem Preis überlegst nicht lange."

Graz

Seit heuer kostet die Jahreskarte für die acht Grazer Straßenbahnlinien, 28 Buslinien und acht Nachtbuslinien 228 Euro, zuvor waren es 399 Euro. Das Streckennetz in Graz ist insgesamt 435 Kilometer lang, umgerechnet kostet die Kunden ein Kilometer somit 52 Cent.

Wien

365 Euro zahlt man für ein Jahresticket der Wiener Linien. Das Streckennetz von fünf U-Bahnlinien, 29 Straßenbahnlinien und 109 Autobuslinien misst 977,5 Kilometer, ein Kilometer kostet Fahrgäste somit 37 Cent.

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