Bahnkreuzungen: Bund verlor im Millionen-Poker

Bahnkreuzungen: Bund verlor im Millionen-Poker
Die Gemeinden müssen für die Aufrüstung nicht bezahlen.

Großes Aufatmen bei Tausenden Bürgermeistern: Ihre Gemeinden bleiben nicht auf der Hälfte der Kosten für die Umrüstung von insgesamt 3800 unbeschrankten Bahnübergängen sitzen. Dieses Bummerl hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Mittwoch dem Bund zugespielt. Und der hat sich das selbst zuzuschreiben.

80 Prozent aller Unfälle auf Eisenbahnkreuzungen ereignen sich auf unbeschrankten Übergängen. Allein heuer gab es schon vier Tote. Verkehrsministerin Doris Bures will bis 2029 alle ungeregelten Übergänge mit einem Schranken oder einer Lichtsignalanlage aufrüsten (oder schließen) – und erließ 2009 eine entsprechende Verordnung.

Die Kosten wurden so aufgeteilt: 50 Prozent für die Bahnbetreiber und 50 Prozent für die Gemeinden. Das Ministerium geht von einer Gesamtsumme von 250 Millionen Euro aus, laut Österreichischem Gemeindebund wären sogar bis zu 1,5 Milliarden notwendig. Denn die Aufrüstung ist teuer. Das wäre für kleinere Gemeinden ein „existenzielles Problem“, wie VfGH-Präsident Gerhart Holzinger erklärte. Vor allem im Burgenland und der Steiermark erklärten einige, dass die Kosten für sie der Ruin sein würden. Um im Vorfeld die Kostenaufstellung zu verhandeln, ist aber laut Verfassung ein so genanntes Konsultationsgremium einzuberufen.

Die Bundesregierung kümmerte sich nicht darum und stellte die Gemeinden vor vollendete Tatsachen. Das Verkehrsministerium erließ sogar zwei Gesetzestexte, weil es im ersten die horrenden Kosten offenbar überhaupt „vergaß“. Der vom Gemeindebund angerufene VfGH verurteilte den Verstoß gegen den Konsultationsmechanismus nun als verfassungswidrig. Das macht die Eisenbahnkreuzungsverordnung zwar nicht gesetzeswidrig, doch haftet der Bund für sämtliche Folgekosten.

Neue Verhandlungen

Das Verkehrsministerium muss mit den Gemeinden nun (endlich) verhandeln. Scheitern diese Gespräche, kann wieder der VfGH (quasi als Schiedsgericht) eingeschaltet werden und die konkrete Aufteilung der Kosten für den Umbau der Bahnübergänge festsetzen, aus der Haftung befreien kann sich der Bund aber damit auch nicht.

„Genial“ lautete der Kommentar von Kurt Lentsch, Bürgermeister von Neusiedl am See. Ähnlich euphorisch waren auch andere Bürgermeister, egal, von welcher Partei.

Noch 15 Jahre Zeit

Offen bleibt nun, wie weit sich der Umbau durch die neue Kostenverteilung verzögert. Im Verkehrsministerium hofft man, dass die Gemeinden über den Finanzausgleich doch noch zu einer Kostenbeteiligung bewegt werden können. Vorerst verweist man im Bures-Ressort darauf, dass der Umbau ohnehin erst in 15 Jahren abgeschlossen werden muss. Ob sich neue Projekte nun verzögern, sei noch nicht abzuschätzen. Die Verkehrsministerin selbst wollte das Gerichtsurteil nicht näher kommentieren. Woher das fehlende Geld kommen soll, bleibt vorerst ungeklärt.

Fix ist, dass es nun weitere Verhandlungen zwischen dem Gemeindebund und dem Verkehrsministerium geben wird. Es deutet also alles daraufhin, dass das Thema noch jahrelang für Streit sorgen wird. Der Schrankenbau wackelt damit vorerst.

Eisenbahnkreuzungsverordnung

Bis 2029 will Verkehrsministerin Doris Bures, dass die mehr als 3800 ungeregelten Bahnübergänge aus Sicherheitsgründen entweder einen Schranken oder Lichtsignalanlage erhalten. Alternative ist, dass sie geschlossen werden. Pro Bahnübergang betragen die Umbaukosten zwischen 100.000 und 450.000 Euro. Um alle Gefahrenstellen in Österreich zu entschärfen, wären bis zu 1,5 Milliarden Euro notwendig, lauten Schätzungen der Gemeinden, das Ministerium sprach hingegen von 250 Millionen Euro.

Link: Verfassungsgerichtshof

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), dass der Bund für die Kosten der Sanierung von Eisenbahnkreuzungen aufkommen müsse, lässt Ortschefs im Burgenland aufatmen. Allein acht Gemeinden an der Neusiedler Seebahn hätten dafür laut Berechnungen binnen zehn Jahren Kosten in Höhe von rund sieben Millionen Euro aufwenden müssen - für manche eine Frage der Existenz, wurde betont (der KURIER berichtete).

"Ich finde es genial. Es ist Gott sei Dank unsere Argumentation bestätigt worden, dass es so nicht sein kann", kommentierte der Bürgermeister von Neusiedl am See, Kurt Lentsch (ÖVP), gegenüber der APA die Entscheidung des VfGH. Es könne nicht sein, dass Menschen, die länger planen, über Nacht irgendetwas "von einem Dritten auf die Nase gedrückt" bekämen, sagte Lentsch: "Wir planen unsere Ausgaben als Körperschaft öffentlichen Rechts. Das war unverständlich, dass ein anderer über unser Budget verfügen kann." Die Gemeinden hätten die Anweisung zur Zahlung der ersten Tranche noch heuer erhalten, so der Bürgermeister.

"Ich bin sehr erleichtert", meinte sein Amtskollege aus Frauenkirchen, Josef Ziniel (SPÖ). Die Regelung hätte Gemeinden mit vielen Bahnübergängen "vor finanzielle Aufgaben gestellt, die sehr schwer leistbar gewesen wären", meinte der Stadtchef. "Ich war immer der Auffassung, dass das nicht richtig ist", so Ziniel. Nachdem der öffentliche Verkehr für alle da sei, sollten die Kosten dafür breiter aufgeteilt werden und nicht nur einzelne Gemeinden betreffen.

"Höchst erfreut" über die VfGH-Erkenntnis zeigte sich in einer Aussendung auch ÖVP-Klubobmann Rudolf Strommer. Die ÖVP habe "stets dafür gekämpft", den Gemeinden diese immensen Kosten nicht aufzubürden. Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) habe "höchst unverantwortlich gehandelt, indem sie die Novelle erlassen hat, ohne mit den Zuständigen zu sprechen", erklärte Strommer. Er erwarte, "dass solche Alleingänge, die von den einen erlassen werden, aber die Konsequenzen von anderen getragen werden, in Zukunft unterlassen werden."

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