Auf der Alm, da droht die Kuh

Auf der Alm, da droht die Kuh
Erfahrener Senner verfolgt Fehlverhalten seit Jahren: "Städter verwechseln Alm mit Streichelzoo".

Kuh tritt Frau ins Gesicht". "Wanderin in Vorarlberg von Kuh schwer verletzt" – kaum macht sich der Sommer bemerkbar, häufen sich wieder Schlagzeilen über Kuhattacken. Im Vorjahr waren zehn derartige Unfälle zu verzeichnen, eine deutsche Wanderin und ein Bauer starben sogar an den Folgen vermeidbarer Konflikte zwischen Mensch und Tier. Werden die 52.000 Rinder, die sich auf 8290 Almen Österreichs tummeln, immer aggressiver oder machen ahnungslose Städter das Vieh verrückt?

"Wer sich falsch verhält, muss mit einer Reaktion des Tieres rechnen", sagt Anton Krepper aus Aurach bei Kitzbühel. Er spricht aus Erfahrung, war er doch 59 Sommer als Senner auf diversen Tiroler Almen tätig, 39 Jahre auf der einzigen reinen Stieralm Europas. "Drei Mal haben mich die Tiere erwischt, Wirbel-, Arm- und Fußbrüche waren die Folge."

Die Anzahl der Mutterkühe auf Österreichs Almen sei in den vergangenen Jahren stets gestiegen. "Und die Menschen, die die Almen besuchen, werden unvorsichtiger. Manche gehen auf die Kälber zu, weil sie sie so niedlich finden und streicheln wollen. Das ist kein Streichelzoo. Logisch, dass Mutterkühe einschreiten", schüttelt er ob der Leichtsinnigkeit den Kopf.

"Der Hund ist ein Wolf"

Und die Wanderer würden vermehrt Hunde mitführen, wenn sie die Berge erklimmen. "Schon der Mensch ist eine Bedrohung für die Rinder, aber der Hund ist für die Kuh ein Wolf – mag er noch so ein kleiner Mops sein, der nur als Hobby gehalten wird", hat der 82-Jährige wenig Verständnis für das Mitnehmen der Vierbeiner.

Josef Lanzinger, Obmannstellvertreter der Österreichischen Almwirtschaft, bringt ein weiteres Argument ins Spiel. "Der Anteil der Städter, die in die Natur wollen, steigt stetig. Und diese Menschen kennen die Tiere nicht und erst recht nicht den Umgang mit ihnen oder die Reaktionen, mit denen eventuell zu rechnen ist", glaubt der Tiroler.

Seine Kollegin aus Kärnten, Barbara Kircher, hatte selbst eine schmerzhafte Begegnung mit einer Kuh. "Ich wollte nach einer Geburt das Kalb fotografieren. Ein Fehlverhalten meinerseits. Die Mutterkuh hat mich mit einem Tritt am Oberschenkel erwischt", berichtet sie.

Die Tiroler und Kärntner Almwirtschaftsvereine haben übrigens als einzige Österreichs für ihre Mitglieder eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, weil Wanderer immer wieder nach Tierattacken Schadenersatzforderungen stellen.

Klage abgeblitzt

Kürzlich beschäftigte eine solche Klage sogar den Obersten Gerichtshof (OGH). Eine Kärntnerin war bei einer Wanderung mit ihrem Jagdhund von einer Mutterkuh verletzt worden. Sie verlangte Schadenersatz, weil der Bauer keinen Zaun montiert und kein "Lebensgefahr"-Schild aufgestellt hatte. Das sei nicht erforderlich, sagt der OGH. Dass eine Kuhattacke lebensgefährlich sein könne, verstehe sich "aufgrund der von der Revisionswerberin selbst ins Treffen geführten ‚gewaltigen Erscheinung‘ mit einem Gewicht von ca. 750 kg je Kuh von selbst", heißt es wörtlich. Und dass Rinder von Hunden gereizt werden könnten, müsse ein Hundehalter wissen.

Bei Begegnungen von Wanderern mit Almvieh ist Vorsicht geboten. Um eine gefährliche Situation zu vermeiden, sollten folgende neun Empfehlungen der Tiroler Landwirtschaftskammer beachtet werden:

  1. Wanderwege auf Weiden nicht verlassen.
  2. Hunde unter Kontrolle halten und an der Leine führen.
  3. Ruhig und unauffällig an den Tieren vorbeigehen, mindestens 20 Meter Distanz halten.
  4. Tiere nicht erschrecken und ihnen nicht direkt in die Augen sehen.
  5. Tiere nicht berühren, auch Kälber auf keinen Fall streicheln.
  6. Drohgebärden der Tiere beobachten: Senken des Kopfes, scharren, brüllen, schnauben.
  7. Ruhe bewahren, falls sich die Tiere nähern. Ihnen nie den Rücken zukehren und langsam die Weide verlassen.
  8. Den Hund sofort ableinen, wenn der Angriff eines Tieres abzusehen ist.
  9. Nicht mit dem Stock herumfuchteln. Im absoluten Notfall einen gezielten Schlag auf die Nase des Rindes versetzen.

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