Krank und wenig gebildet

Damit aus armen Kindern keine armen Eltern werden, braucht es besondere Schulen.

Jedes fünfte Kind in Österreich ist armutsgefährdet. Im europäischen Vergleich ist das wenig – im EU-Schnitt lebt sogar jeder vierte Mensch unter 18 Jahren in wirtschaftlich prekären Verhältnissen. Damit steht Österreich gut da.

Ein Grund zum Jubeln? „Nein“, sagt Martin Schenk von der Armutskonferenz. „Denn bei uns hat ein Kind wenig Chancen, aus dieser Armut auszubrechen. Armut wird vererbt.“ Mit fatalen Folgen: „Die Kinder leiden häufiger an chronischen Erkrankungen wie Asthma oder Kopfschmerzen.“ Dieses Muster setzte sich bis ins Erwachsenenalter fort: „Wer als Kind unter schwierigen Bedingungen aufwächst, ist später doppelt so oft krank wie ein Mensch, der durchschnittlich verdient.“

Mehr noch: Weil arme Jugendliche oft in engen und schlecht beheizten Wohnungen leben, können sie sich schlechter auf die Schule konzentrieren als ihre Altersgenossen. Unterstützung in Form von Nachhilfe können sie sich auch nicht leisten.

„Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden“, fordert Schenk. Wie das gehen könnte, machen andere Länder vor. Der Linzer Soziologe Johann Bacher kennt die Vorbilder: „In den Niederlanden gibt es bereits seit 25 Jahren die Index-basierte Mittelzuweisung.“ Im Klartext bedeutet das: Schulen bekommen für ein Kind aus einem bildungsfernen Elternhaus doppelt so viel Ressourcen. Auch in Kanada, der Schweiz oder Hamburg gibt es solche Modelle. In Belgien, wo Bildung noch stärker vererbt wird als in Österreich, denkt man intensiv darüber nach, ein solches System einzuführen.

Konzept für Österreich

Der Soziologe Bacher fordert, dass auch Österreich mehr Geld für Brennpunktschulen ausgeben sollte. Er hat schon einen Vorschlag, wie ein solches Modell im Detail aussehen könnte: „Danach bekommt jede Schule die gleichen Basisressourcen. Zusätzlich erhält sie Mittel für jedes benachteiligte Kind – also für Schüler, die zu Hause nicht Deutsch sprechen oder deren Eltern keinen Schulabschluss haben.“

Mehr Geld bedeutet aber nicht unbedingt, dass Schulen qualitativ besser werden. „Jeder Standort müsste deshalb ein Konzept entwickeln, wie er die Ressourcen am sinnvollsten einsetzt. Eine Schule baut dann etwa das Gebäude so um, dass es als Ganztagsschule genutzt werden kann. Andere holen sich Psychologen in die Klassenzimmer“, meint Bacher. „Die Entscheidung, welche Maßnahmen gesetzt werden, sollten autonom von der Schulgemeinschaft und dem Schul­erhalter, also den Kommunen, getroffen werden. Denn die Betroffenen vor Ort wissen meist am besten, wo die Probleme liegen und wie man sie am leichtesten löst.“

Dieses Modell verursacht Mehrkosten: „Finanziert werden könnte es durch eine Umschichtung innerhalb des Schulsystems und durch Zusatzmittel“, meint Bacher.

„Diese Mittel wären gut investiertes Geld“, ist Schenk überzeugt. Denn: „Bildung durchbricht den Kreislauf, dass aus armen Kindern arme Eltern werden.“ Das würde allen nutzen: den Betroffenen selbst, der Wirtschaft und dem Gesundheitssystem.

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