Fußballer hielt Böller für bengalisches Feuer

Andreas Schicker stehen noch einige Operationen bevor.
Andreas Schicker zündete Knallkörper, den nur Pyrotechniker verwenden dürfen.

Zehn Stunden lang wurde Andreas Schicker operiert, am Montag lag er bereits wieder auf einer Normalstation der plastischen Chirurgie in Graz. Es gehe ihm "den Umständen entsprechend", hieß es von den Ärzten: Die linke Hand des 28-jährigen Fußballers konnten sie nicht mehr retten, sie wurde samt eines Drittels des Armes amputiert.

Wie berichtet, detonierte Samstagnacht in Bruck an der Mur ein Silvesterkracher in der Hand des Steirers, der zuletzt beim SV Horn in Niederösterreich kickte und früher Bundesliga-Spieler war. Es könnte sich laut Polizei um eine tragische Verwechslung gehandelt haben: Schicker dürfte vermutet haben, ein bengalisches Feuer zu zünden. Diese pyrotechnischen Artikel rauchen zwar heftig und sprühen Funken, können aber in der Hand gehalten werden. Deshalb werden sie immer wieder verbotenerweise bei Fußballmatches von Fans gezündet.

Weggeschleudert

Doch der 28-Jährige hielt einen Böller mit hoher Sprengkraft in der linken Hand: Als er ihn mit der rechten anzündete, ging er hoch und zerfetzte die linke Hand des Sportlers. Ein Begleiter Schickers, der neben dem Kicker stand, wurde durch die Detonation sogar einige Meter zur Seite geschleudert, er erlitt auch ein Knalltrauma. Der 27-Jährige schilderte, der Kracher sei sofort explodiert.

An der linken Hand "war rekonstruktiv nichts mehr zu retten", bedauert Martin Hubmer, einer der drei Chirurgen, die Schicker am Uniklinikum Graz operierten. Doch sie schafften es, die rechte Hand zu stabilisieren: Der Daumen, der ebenfalls schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, konnte wieder angenäht werden. Mithilfe aus dem linken Arm entnommener Gefäße wurde die Blutversorgung der rechten Hand wieder hergestellt. In den kommenden 24 Stunden werde sich entscheiden, ob der Daumen funktionstüchtig bleibe, hieß es. Schicker habe die schwerwiegenden Folgen gefasst aufgenommen, berichtet Hubmer.

Nur für Experten

Anhand der Reste der Beschriftung fand die Polizei heraus, woher der etwa 30 Zentimeter lange und rund drei Zentimeter dicke Knallkörper stammte. Er wurde in Deutschland hergestellt: Solche Kracher dürfen allerdings nur von ausgebildeten Pyrotechnikern gekauft und auch verwendet werden, weil ihre Ladung extrem stark ist. Nun ermittelt die Polizei, wie der Sportler in den Besitz eines solchen Böllers kommen konnte.

Es ist kinderleicht, Feuerwerkskörper zu bekommen. Im wahrsten Sinn des Wortes. Bei 77 Testkäufen in Baumärkten, bei Diskontern und im Internet wurden in 25 Fällen die Böller an Kinder und Jugendliche verkauft. Teilweise waren diese sogar nur elf Jahre alt.

Das ist das Ergebnis eines Mystery-Shopping-Versuchs des Kuratoriums für Verkehrssicherheit. Im Fachhandel bekamen die elfjährigen Kinder sogar zu 60 Prozent die gewünschten Kracher. Dass den Händlern bis zu 10.000 Euro Strafe droht, scheint kaum Auswirkung zu haben. „Es sind mehr Kontrollen notwendig“, betont Othmar Thann, Chef des Kuratoriums.

Junge Männer gefährdet

Die Folgen dieser Fahrlässigkeit im Handel sind 600 Verletzte rund um den vergangenen Jahreswechsel, um 200 mehr als noch im Jahr 2010. Stolze 97 Prozent dieser Spitalspatienten sind männlich, zwei Drittel unter 25 Jahre.

Besonders dramatisch: Jedes fünfte Feuerwerksopfer ist nicht einmal 15 Jahre alt. „Dazu kommt noch ein Sachschaden in Millionenhöhe“, erklärt Generali-Generaldirektor Peter Thirring. „Feuerwerk ist schön anzusehen, aber nicht ungefährlich. Das sollte man sich vor Augen führen.“ Gerade jetzt, wenn die ersten Kracher gekauft und mitunter auch schon abgefeuert werden.“

Bis zu 2000 Grad

Beim Abbrennen eines Feuerwerks entstehen enorme Temperaturen bis zu 2000 Grad, weshalb eine stabile Startrampe (keine Flasche) sinnvoll ist. Besonders problematisch seien aber illegale Feuerwerkskörper, warnt Thomas Csengel vom Entschärfungsdienst der Polizei-Eliteeinheit Cobra. „Hier ist oft mehr Sprengmittel drinnen als erlaubt. Außerdem sind mitunter Gipsverschlüsse angebracht, die zu Geschoßen werden können.“ Dies habe in der Vergangenheit im Ausland auch schon Tote gefordert. „Feuerwerke sollte man ausschließlich im österreichischen Fachhandel kaufen“, rät der Polizist jedenfalls eindringlich.

Am gefährlichsten sind aber die Böller Marke Eigenbau, wie auch ein aktueller Fall zeigt. Philipp F. aus Güssing wollte für Silvester einige Kracher selber bauen. Einer der Selbstbau-Böller ging, wie berichtet, jedoch in der Hand des 21-Jährigen los. „Es geht ihm den Umständen entsprechend gut“, sagt Simone Pfandl-Pichler, Sprecherin des LKH Graz, in dem er behandelt wird.

Zwei Finger des jungen Mannes konnten bei einer mehrstündigen Operation gerettet werden. „Es werden aber noch weitere Folgeoperationen an der Hand des Patienten nötig sein, um deren Funktionsfähigkeit zu verbessern“, sagt Pfandl-Pichler. Der 21-jährige Güssinger wurde bereits auf eine Normalstation verlegt.

Philipp F. hatte den Böller offenbar aus seiner Hosentasche genommen und dürfte die Lunte herausgezogen haben – dadurch explodierte der Sprengkörper sofort. Die sprengstoffkundigen Beamten des Landeskriminalamtes Burgenland fanden im Wohnzimmer sowie in der Garage weitere selbst gebastelte Sprengkörper und Sprengutensilien und stellten diese sicher.

„Nach umfangreichen Ermittlungen konnte festgestellt werden, dass die Sprengkörper aus persönlichem Interesse – für Silvester – hergestellt wurden“, heißt es bei der Polizei.

Kommentare