Alkohol am Steuer: Kuratorium klärt über Mythen auf

Erst ab 0,5 Promille Alkohol im Blut greift das Strafrecht - aber auch darunter kann es gefährlich sein, sich ans Steuer zu setzen.
Bis 0,5 Promille kann nichts passieren? Nur einer von mehreren populären Irrtümern.

Fettes Essen verhindert die Aufnahme von Alkohol ins Blut", "wer sich nicht betrunken fühlt, kann auch Autofahren", oder "bis 0,5 Promille kann nichts passieren" - gegen Mythen und Irrtümer dieser Art zieht das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) zu Felde und hat Journalisten am Donnerstagabend zu einem "wissenschaftlichen Trinkversuch" ins Salzburger Restaurant "Eulenspiegel" geladen.

Rainer Kastner, Verkehrspsychologe im Dienst des KfV, sagte, für die Aufnahme von Alkohol im Blut sei Fett völlig irrelevant. "Essen, egal ob Fett oder nicht, verzögert die Aufnahme lediglich, weil sich der Alkohol und die Nahrung im Magen vermischen und dieses Gemisch insgesamt mehr Zeit braucht, um verdaut zu werden und in die Blutbahn zu gelangen."

Trotzdem mache Essen und vor allem auch zwischenzeitliches Wassertrinken absolut Sinn, erklärte Kastner. "Denn die Faktoren Zeit und Verdünnung spielen eine Rolle. Grob gesagt, baut der Körper 0,1 Promille pro Stunde wieder ab. Aber betrunken wird man in aller Regel trotz des Essens." Übrigens könne die Polizei, so ergänzte der Verkehrsexperte, jegliche Konsumation inklusive Mundausspülen mit Wasser vor einem rechtsverbindlichen Alko-Test verbieten.

Subjektives Empfinden irrelevant

Auch die subjektive Selbsteinschätzung, also die gefühlte Beeinträchtigung durch Alkohol, spiele weder bei einer Polizeikontrolle noch für die reale Verkehrssicherheit eine Rolle. "Ein gestandener Trinker wird etwa fünf Halbe Bier kaum als besonders beeinträchtigend wahrnehmen, obwohl darin insgesamt 100 Gramm Alkohol enthalten sind. Das bedeutet je nach Körpergewicht ungefähr ein Promille im Blut. Ein Spitzensportler, der die selbe Menge Bier trinkt, fühlt sich hingegen sturzbetrunken. Bei einer Polizeikontrolle würden beim Sportler aber geringere Mengen gemessen, weil er bei gleichem Körpergewicht mehr Blut hat und sich der Alkohol daher besser verteilt", erläuterte Kastner.

"Auch die Verkehrssicherheit ist beim Trinker mit Bierbauch keineswegs besser, das glaubt er nur. Denn er hat sich schlicht und einfach an hohe Reaktionszeiten und niedrige Leistungsfähigkeit gewöhnt." Eine halbe Bier entspricht ungefähr einem Viertel Wein und einem doppelten Schnaps.

0,3 Promille sind auch zu viel

Entschieden entgegenzuwirken sei auch dem Irrtum, man dürfe bis zu 0,5 Promille Blutalkohol bedenkenlos Auto fahren. "Das gilt nur, solange nichts passiert. Wer mit 0,4 Promille einen Unfall verursacht, gilt im zivilrechtlichen Sinn als Alkolenker. Sogar bei einer gemessenen Konzentration von weniger als 0,3 Promille sind Regressforderungen zum Beispiel durch Versicherungen nicht auszuschließen."

Ab 0,5 Promille greift auch das Strafrecht, man zahlt mindestes 300 Euro Strafe, der Führerschein wird vorübergehend entzogen und man ist zwei Jahre lang im Verkehrssicherheits-Vormerksystem eingetragen. Ab 0,8 Promille wird die Lenkerberechtigung entzogen, die Strafen steigen sprunghaft und der Alko-Lenker muss vier Stunden zum kostenpflichtigen Verkehrs-Coaching. Ab 1,2 Promille kommen Nachschulungen dazu, ab 1,6 Promille muss sich der Autofahrer verkehrspsychologisch testen und überprüfen lassen. "Man muss bedenken, wer derart viel Alkohol in sich hineinschüttet und dann auch noch behält, also nicht reflexartig erbricht, der tut dies sehr, sehr oft. Anders geht das gar nicht", erklärte Kastner vom Kuratorium für Verkehrssicherheit.

Weil irgendwann der letzte Jagatee getrunken und auch die längste Weihnachtsfeier vorbei ist, ist das Thema Alkohol im Straßenverkehr im Advent noch präsenter als im Rest des Jahres. Mit geeichtem Alko-Vortestgerät und einem versierten Verkehrspsychologen ging’s zur vorweihnachtlichen Feier – ein Test.

Zum Start des Abendessens wurde Sekt gereicht. Was für eine Überraschung beim Alko-Test sorgte: Das bisschen Schaumwein trieb den Atemalkoholgehalt auf 0,17 Promille. Getestet wurde immer nach angemessener Wartezeit. „Alkohol wird auch über die Mundschleimhäute aufgenommen und lagert sich dort kurz ab“, weiß Verkehrspsychologe Rainer Kastner. „Daher ist unmittelbar nach dem Trinken im Vortester ein weit höherer Wert möglich.“ Das bestätigt der Praxistest: Ein Schluck Sekt und gleich ins Gerät geblasen, ergibt 4,34 Promille. Bei einer Polizeikontrolle hätten wir jetzt, sagen wir, Erklärungsbedarf. „Dieser Umstand spricht ganz eindeutig gegen das berühmte Flucht-Achterl“, sagt Kastner.

Auf diese Erkenntnis erst einmal ein Krügerl Bier. Wir verzichten zwar auf eine Vorspeise, das Wildragout passt aber bestens zur Hopfenkaltschale. Das Testgerät zeigt danach 0,21 Promille. Dass Essen den Alkoholwert beeinflusst, ist laut Kastner übrigens ein Mythos. „Es gibt keine Möglichkeit, den Anteil des Alkohols im Blut zu beeinflussen. Wenn wir das Bier getrunken haben, dann ist der Alkohol im Körper. 20 Minuten danach ist er im Blut.“

600 Tote

Alko-Unfälle forderten in den vergangenen zehn Jahren österreichweit 600 Tote und 37.000 Verletzte. Jedes Jahr verlieren etwa 26.000 Fahrzeuglenker wegen eines Alkoholvergehens ihren Führerschein. Ein Viertel von ihnen fährt danach weiter – aus beruflichen Gründen oder aus Uneinsichtigkeit. Bei diesen „Schwarzfahrern“ greift die Bewusstseinsbildung nicht. „Die muss man schlicht am Fahren unter Alkoholeinfluss hindern“, sagt Christoph Feymann vom Kuratorium für Verkehrssicherheit. Er plädiert fürs „Alkolock“ (Gerät, das ein Starten des Motors bei positiver Alkoholatemprobe verhindert). „Wir sagen: Geben wir den Schwarzfahrern eine Chance und ihnen die Fahrerlaubnis zurück. Aber nur mit Alkolock im Auto und mit Begleitung durch einen geschulten Mentor.“

Der Abend ist fortgeschritten, das zweite Bier geleert. Zwischenstand: 0,36 Promille. 20 Milligramm Alkohol hat ein Krügerl. Etwa zehn Milligramm baut der Körper innerhalb einer Stunde ab. „Das ist zwar von Mensch zu Mensch leicht unterschiedlich, pro Stunde bauen wir im Schnitt aber 0,1 Promille Alkohol ab“, weiß Rainer Kastner. Das ließe sich nicht beschleunigen, egal ob wir essen, viel Wasser trinken oder schlafen. „Daran sollte man vor allem beim morgendlichen Restalkohol denken.“ Bei Unfällen wird man schon bei einem Wert von 0,3 Promille als Alkolenker eingestuft.

Das dritte und vierte Krügerl steigern den Promillewert auf 0,76, die Fahrtauglichkeit ist dahin. Der Schnaps zum Abschluss tut sein Übriges: 0,81 Promille sagt der Vortester. „Jemand zugestiegen?“, sagt der Schaffner im Zug nach Hause.

Geschenke, Rezepte und die schönsten Adventmärkte finden Sie unter kurier.at/weihnachten

Kommentare