34 Milliarden Euro Schaden durch Drogen in Österreich

Ein Mann zündet sich am Mittwoch (18.04.2012) im Coffee Shop "Easy Going" in Maastricht einen Marihuana Joint an. Niederländische Coffeeshops dürfen ab 1. Mai keine Joints mehr an Kunden aus dem Ausland verkaufen. Nur wer in den Niederlanden einen Wohnsitz hat, darf dort auch kiffen. Foto: Oliver Berg dpa/lnw (zu dpa/lnw: "Dicke Luft im Coffeeshop: Hollands Hasch-Cafés schließen für Deutsche") +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die volkswirtschaftlichen Folgekosten nehmen jährlich um 11 Prozent zu - Kriminalpsychologe Walter Hauptmann fordert Verwaltungsstrafen fürs Kiffen.

34 Milliarden Euro Schaden wird Österreichs Volkswirtschaft heuer durch den Konsum illegaler Drogen entstehen. Das ergibt eine Berechnung des emeritierten Salzburger Uni-Kriminalpsychologen Professor Walter Hauptmann.

Der KURIER wird im Rahmen einer mehrteiligen Serie die neuen Trends im Drogenhandel und die Profiteure im Hintergrund beleuchten. Streetworker, Polizisten, Mediziner, Politiker, Süchtige und viele mehr werden zu Wort kommen. Zunächst berichtet Hauptmann über seine Berechnung und die Idee, Kiffer mit einer Art Organmandat zu bestrafen..

KURIER: Sie erklären, dass Drogen die Volkswirtschaft heuer 34 Milliarden Euro kosten werden, wie kommen Sie darauf?

34 Milliarden Euro Schaden durch Drogen in Österreich
Walter Hauptmann, Kriminalpsychologe in Salzburg, Drogenexperte
Walter Hauptmann:Das haben wir für eine ausführliche Studie genau berechnet. Ein knappes Drittel sind Drogenkosten, das Geld wird ja der Wirtschaft entzogen. Ein Fünftel ist Beschaffungskriminalität. Mindestens vier Milliarden Euro wären einzusparen, wenn die Polizisten statt Drogendelikten etwa Wirtschaftsverbrechen und andere Organisierte Kriminalität verfolgen könnten. Und der Schaden steigt jedes Jahr um 11 Prozent weiter an.

Jede zweite Straftat steht laut EUROPOL im Zusammenhang mit Drogen. Ist der Krieg gegen das Rauschgift schon verloren?

Wenn wir so weitermachen, ja. Es wird nicht die Sucht bekämpft, sondern die schlechte Drogenstatistik. Man verändert das Gesetz einfach so, dass weniger Fälle darunter fallen. Jetzt ist bereits der Besitz und sogar der Kleinhandel de facto straffrei. Im Süden von Salzburg werden Drogensüchtige mitunter aufgefordert, ihren Urin mit der Post zur Untersuchung zu senden. Da kann man hinschicken, was man will, das ist quasi eine Entkriminalisierung. Die tatsächlichen Zahlen steigen ins Uferlose.

Sie wollen Verwaltungsstrafen fürs Kiffen einführen. Kann man dann auf der Straße mit einem Joint gehen und zahlt mal 21 Euro für ein Organmandat, wenn einen die Polizei erwischt?

Wenn die Polizei jetzt eine Razzia in einer Disco macht, dann findet sie nichts. Wenn sie aber die Jugendlichen beim Herausstolpern testet, werden sehr viele positiv sein. Auch wenn es nur 20 Euro sind, sie sehen dann, dass es etwas kostet und später auch den Führerschein gefährdet. In dem Alter kann man noch viel bewirken. Und das könnten die uniformierten Beamten am Land machen, wie bei den Alkotests. Einem 15-Jährigen kann ich ja auch eher das Rauchen abgewöhnen als einem späteren Kettenraucher. Würde ich das beim Rauchen einführen, dass jeder 14-Jährige Strafe zahlt, wenn er auf der Straße eine Zigarette konsumiert, dann hätten wir 20 Prozent weniger nikotinbedingte Lungenkrebsfälle.

34 Milliarden Euro Schaden durch Drogen in Österreich
Eine Legalisierung von Cannabis wäre ein falscher Weg?

Viele glauben, dass dann die Mafia pleitegeht. Aber die wird nicht umsteigen und Rosenkränze herstellen. Sie würde gefährlichere Substanzen anbieten und als 12-Jähriger würde man auch dann nur schwarz zu Drogen kommen. Ich schaffe ja auch Bankraub nicht ab, indem ich Banktresore für jeden öffne.

Sie sprechen öfters von „völligem Versagen“ in der Drogen­politik. Was ist falschgelaufen?

Es gibt einen Schneeballeffekt, ein einzelner Schüler kann bis zu neun andere mit Drogen „anstecken“. Die Jugendlichen sehen, es passiert ihnen nichts, deshalb wird das Problem immer größer. Gerade zwischen 14 und 18 sind die gefährlichsten Jahre, die man drogenfrei überbrücken muss. Hier wird viel zu wenig getan, wenigstens ein Verwaltungsstrafverfahren, von dem die Eltern informiert werden, wäre ein erster Schritt.

Lesen Sie am Dienstag: Das Millionengeschäft mit den Drogen-Substitutionsmitteln.

Gras, Haschisch, Marihuana oder Dope – das sind nur einige der Bezeichnungen für die am weitesten verbreitete Droge Cannabis. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung haben sie schon probiert, bei den Jungen sind es bis zu 40 Prozent. Auch die Polizei sieht eine Steigerung bei jungen Konsumenten, in den letzten Jahren hat sich die Zahl der Anzeigen von jugendlichen Drogenkonsumenten verdoppelt.

Experten (wie auch Hauptmann) sehen Cannabis nicht als die Einstiegsdroge schlechthin als die sie manchmal bezeichnet wurde. Gesprochen wird nun von einer „Schrittmacherfunktion“. Nikotin/Alkohol, dann Cannabis und danach steigen etwa fünf Prozent auch noch zu den härteren illegalen Drogen um. Meist geht der Weg über Amphetamine und Kokain schlussendlich zu Heroin. Rund 30.000 Süchtige spritzen sich diese harte Droge und „erreichen“ die letzte Stufe der Sucht.

In keinem einzigen Land ist das Tetra-Hydro-Cannabinol (THC), wie der Wirkstoff eigentlich genannt wird, legalisiert. Doch der Weg geht weltweit in Richtung Entkriminalisierung. Zuletzt haben die US-Bundesstaaten Colorado und Washington die Gesetze gelockert. In Österreich ist der Konsum straffrei, der Besitz aber verboten. Bei geringen Mengen und bei kleinerem Handel gibt es meistens eine Diversionsmöglichkeit.

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