100er motiviert zur Vignettenflucht

Auf rund 90 Autobahnkilometern in Tirol müssen Pkw-Fahrer nun unabhängig von der aktuellen Luftgüte ständig 100 km/h fahren. Das nimmt nicht jeder gelassen.
Autofahrer haben wenig Freude mit "Lufthunderter". Manche wollen auf Bundesstraße ausweichen.

Christian Überbacher steht mit einem Platten bei einer Autobahntankstelle im Tiroler Unterland. Aber seine Laune war bereits vor der Panne im Keller. Angesprochen auf den diese Woche eingeführten permanenten "Lufthunderter" redet sich der Innsbrucker schnell in Rage. "Das Tempogefühl ist katastrophal. Man glaubt, dass man steht." Das neue Dauer-Limit gilt auf rund 90 Autobahnkilometern. Dass die Tempobremse die Luftqualität verbessern soll, ist für den Besitzer einer Autowerkstatt kein Thema: "Das interessiert mich nicht. Schön langsam muss man die Vignette in Frage stellen."

Das tut auch Herbert Aderbauer. Der Bayer hat auf dem Weg ins Zillertal an der Grenze zu Tirol eine Rast eingelegt. "Ich habe mir schon überlegt, ob ich über die Bundesstraße fahre. Da sehe ich wenigstens die Landschaft. In Zukunft werde ich mir die Vignette sparen", sagt der Deutsche, der das Credo seiner Autofahrernation lebt: "Die Autobahn ist dazu da, schnell von A nach B zu kommen." Drei bis vier Mal im Jahr geht die Reise nach Mayrhofen. In Zukunft allerdings nicht mehr über die Inntalautobahn (A12), auf der nun in weiten Teilen ständig der "Lufthunderter" gilt. Der trat bisher nur bei Überschreitung bestimmter Grenzwerte in Kraft.

Ein weiterer Grund

Bayerischen Autofahrern wurde bereits im Vorjahr ein Motivationsschub gegeben, die kostenpflichtige Autobahn in Tirol zu meiden. Da hat das Verkehrsministerium den mautfreien Korridor zwischen der Grenze und Kufstein vignettenpflichtig gemacht. Nun scheint sich die Lust auf die Mautflucht noch weiter zu vergrößern.

Gelassen nimmt die Tempobremse hingegen Beate Meixner. Als Mitarbeiterin einer Autobahntankstelle im Unterland hat sie in den vergangenen Tagen immer wieder den Ärger von Pendlern mitbekommen, wie sie erzählt. "Aber der Hunderter war früher ja auch schon fast immer geschalten", sagt die Radfelderin.

Der österreichische Verkehrsclub (VCÖ) sieht in der Maßnahme nur Vorteile. Bei Tempo 100 statt 130 würden Spritverbrauch, Stickoxid-Emissionen und Lärmpegel sinken. Die Verkehrssicherheit werde hingegen zunehmen. "Der Anhalteweg ist bei 100 km/h deutlich kürzer", argumentiert der VCÖ.

Sicherheitsmängel

In diesen Punkten habe sich der flexibel geschaltete Hunderter zwischen Wals und Golling auf der Tauernautobahn (A10) bewährt, weiß Aloisia Gurtner vom Salzburger ÖAMTC. "Der Verkehr läuft flüssig. Die Autofahrer haben ein Verständnis dafür entwickelt, dass Tempo 100 statt 130 seine Vorteile hat."

Problematisch sieht der ÖAMTC allerdings den "Luft-Achtziger", der ab Jänner 2015 auf der A1 zwischen dem Knoten Walserberg und Salzburg-Nord gelten soll. In der Probezeit von Februar bis Mai habe das Tempolimit zwar eine Reduktion der Schadstoffe etwa sieben Prozent ergeben, dafür sind Bedenken zur Verkehrssicherheit laut geworden. "Auf dem Abschnitt gibt es viele Auf- und Abfahrten. Bei 80 km/h ist das Einordnen in den fließenden Verkehr schwieriger. Auch der Sicherheitsabstand wird oft nicht eingehalten", fasst Gurtner die Rückmeldungen der ÖAMTC-Mitglieder zusammen.

Die Landesverkehrsabteilung hat dieses Problem bereits aufgegriffen. Geplant sind Abstandskontrollen, vorerst durch mobile Geräte der Polizei. Möglich ist auch ein fixes, vollautomatisches Gerät, was in Österreich eine Neuheit wäre.

100er motiviert zur Vignettenflucht

Kommentare