100 Euro Strafe für weiche Drogen

Symbolbild
Grazer Bürgermeister will Besitz geringer Mengen Cannabis als Verwaltungsübertretung ahnden.

80 Kilogramm Cannabis stellte die Polizei im Vorjahr in Graz sicher, heuer sind es bisher bereits 40 Kilogramm. Die Behörden sind alarmiert: Zwei Drittel des Suchtgiftes wurden in Klein- und Kleinstmengen konfisziert, also ein, zwei oder drei Gramm, berichtet Oberst Werner Jud. "Cannabis hat sich zu einem Riesenproblem entwickelt. Und jetzt wollen wir das quasi freigeben?"

Damit spielt der Polizeioffizier auf die jüngste Novelle des Suchtmittelgesetzes an, die mit 1. September in Kraft tritt und ab Jänner wirksam wird. Wer dann mit einer geringen Menge Marihuana erwischt wird, die für den Eigenverbrauch gedacht ist, wird dem Gesundheitsamt gemeldet. Die zuständige Staatsanwaltschaft wird zwar informiert, aber am Zug sei als Erstes das Gesundheitsamt. Es soll Therapien verordnen; wer mitmacht, geht straffrei aus.

872 Anzeigen

"Wir hören jetzt schon von den Leuten, nächstes Jahr ist’s es wurscht, wenn ihr uns erwischt, ihr zeigt uns eh nicht mehr an", ärgert sich Jud. Von 872 Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz, die es 2014 in Graz gab, betrafen übrigens 82 Prozent Cannabisprodukte.

Dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, ÖVP, ist die Novelle ebenfalls suspekt. "Die löst das Problem nicht, das kommt einer Freigabe gleich. Die Lösung ist so weit von der Realität entfernt, dass man sich da nur wundern kann."

Nagl sähe lieber sein Modell umgesetzt: Statt Besitzer kleiner Menger Cannabis an das Gesundheitsamt zu melden, sollten die Polizei doch lieber gleich Verwaltungsstrafen direkt und vor Ort einheben können, wie etwa beim Schnellfahren.

Geringfügige Mengen an Besitz und Weitergabe sollten also aus dem Strafrecht herausgenommen und in das Verwaltungsrecht übergeführt werden. 100 Euro Strafe könnte sich Nagl bei solchen Verstößen vorstellen, das würde das "offene Dealen auf allen Plätzen, Parkanlagen und Straßen" eindämmen. "Damit kriegen wir Handhabe, die Sinn macht. Dann hat der Dealer kein Geschäft gemacht." Laut Oberst Jud koste ein Gramm Cannabis derzeit am Schwarzmarkt zehn Euro.

Offene Fragen

Das neue Gesetz halte er für nicht durchdacht, betont Nagl. "Was sollen wir denn dann am Amt tun? Wir können Verwaltungsaufwand starten, aber es wird keinen einzigen Dealer treffen." Zu viele Fragen blieben zudem in der Novelle ungeklärt: Wie sollen Gesundheitsämter Betroffene kontrollieren, wer zahlt notfalls Dolmetscher, wer vernichtet das sichergestellte Suchtgift? "Das Gesetz ist schlecht, es ist bürokratisch und wird Kosten verursachen", befürchtet Nagl. Außerdem seien die Kommunen vor Beschlussfassung der Novelle nicht einmal nach ihrer Meinung befragt worden, obwohl sie das Gesetz exekutieren müssen.

Mediziner Klaus Gstirner gibt außerdem zu bedenken, dass es im Gegensatz zu Heroin keine Ersatzstoffe für Cannabis gäbe. "Du müsstest die Leute in Therapien betreuen. Aber was soll ein Amt mit ihnen machen?"

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