Luchse "zum Aussterben verurteilt"

Vier männliche Luchse sind in Oberösterreich verschwunden, ein Kadaver wurde sichergestellt.
Nach illegalem Abschuss einer Raubkatze sieht WWF-Experte die heimische Luchs-Population gefährdet.

Dringenden Handlungsbedarf sieht WWF-Experte Christian Pichler nach dem illegalen Abschuss eines Luchs-Männchens aus dem Nationalpark Kalkalpen in Oberösterreich. „Man muss mehrere Tiere nachbesetzten. Im derzeitigen Zustand ist die Population zum Aussterben verurteilt.“

Wie berichtet, haben Beamte des Landeskriminalamts in der Tiefkühltruhe eines Tierpräparators im Raum Linz zuletzt einen in Plastik verpackten Luchskadaver sichergestellt. Nun wird gegen einen 64-jährigen Jäger ermittelt, der die Wildkatze illegal abgeschossen haben soll (siehe Bericht unten).

Luchse "zum Aussterben verurteilt"
Photo+Adventure Vortrag
Wilderei von geschützten Raubtieren ist in Österreich kein Einzelfall. „Das kommt leider immer wieder vor und betrifft nicht nur Luchse, sondern auch andere große Beutegreifer wie Seeadler, Kaiseradler oder Bären“, sagt Pichler.

Ende der Ötscher-Bären

Illegale Abschüsse könnten auch zum erneuten Aussterben der Ötscherbären beigetragen haben. Seit Ende 2010 gibt es kein Lebenszeichen mehr von „Moritz“, dem letzten von insgesamt 35 Braunbären im niederösterreichisch-steiermärkischen Grenzgebiet. 1999 wurden dort noch zwölf Bären gezählt, bevor der Bestand sukzessive abnahm.

Ihr Verschwinden konnte nie ganz geklärt werden. „Die Vermutung geht in Richtung illegaler Abschüsse. Aber es war eine kleine Population, da kann es auch natürliche Ursachen geben“, sagt Bärenanwalt Georg Rauer. Das letzte Weibchen verschwand 2007. Kurz darauf wurden das Bundes- sowie das nö. Landeskriminalamt (LKA) eingeschalten. Die Ermittler sollten helfen, das Rätsel um die verschwundenen Tiere zu lösen. Ein Jahr später konnte zumindest der illegale Abschuss eines Bären nachgewiesen werden. „Im Keller eines zu dem Zeitpunkt bereits verstorbenen Jägers im Bezirk Lilienfeld fanden wir ein ausgestopftes Jungtier“, sagt Chefinspektor Josef Friedl vom LKA. Ein DNA-Abgleich brachte die Bestätigung, dass es sich um eine Ötscherbärin handelte.

Luchse "zum Aussterben verurteilt"
Christian Pichler, WWF-Projektleiter Luchs/Bär/Wolf
Im selben Jahr konnte der illegale Abschuss eines geschützten Seeadlers in Bernhardsthal im Bezirk Mistelbach geklärt werden. Ein Arzt hatte den Abschuss beobachtet und zurück gebliebenes Blut des Tieres sichergestellt. „Wir konnten es dann mit dem Blut aus dem Wagen des Verdächtigen vergleichen. Der Schütze verlor seine Jagdberechtigung“, sagt Friedl. Für eine gerichtliche Verurteilung fehlte der Nachweis, ob es sich tatsächlich um ein geschütztes Exemplar der heimischen Population handelte. „Das wird im Fall des Nationalpark-Luchses anders sein, weil es harte Fakten gibt“, sagt WWF-Experte Pichler.

Über die Motive des Wilderers kann er nur spekulieren. Die in der Jägerschaft weit verbreitete Feindseligkeit gegenüber Raubtieren sieht er in Konkurrenzdenken begründet. „In Zeiten von Krieg und Hungersnöten wurden die Beutegreifer aus nachvollziehbaren Gründen ausgerottet. Das ist heute anders, der Neid ist aber noch immer da.“

Die Bevölkerung würde die Wiederansiedlung von Raubtieren hingegen mehrheitlich gutheißen, versichert Pichler. „Der Luchs hat ein super Image, beim Bären und beim Wolf ist es etwas schlechter, aber immer noch überwiegend positiv.“

Um die Luchs-Population in den Kalkalpen dauerhaft zu erhalten, wünscht sich der WWF eine verstärkte Zusammenarbeit von OÖ, NÖ und der Steiermark. „Der Nationalpark Gesäuse und das Wildnisgebiet Dürrenstein sind geeignete Lebensräume für den Luchs“, sagt Pichler.

Luchse "zum Aussterben verurteilt"
Am Geld scheitert die Ansiedlung von weiteren Tieren nicht, versichert Nationalpark-Direktor Mayrhofer. Er beziffert die jährlichen Ausgaben für das Luchsprojekt mit etwa 40.000 Euro. Ein Tier – zum Beispiel aus der Schweiz – nach Österreich zu holen, sei dank Kooperationen relativ günstig. Schwieriger würden sich hingegen die Verhandlungen mit der Jägerschaft gestalten.

Erst im Februar 2015 nahmen die Jäger ihre Zustimmung zur ursprünglich vereinbarten Neuansiedlung eines männlichen Luchses in den Kalkalpen zurück. Man müsse abwarten, ob die verschwundenen Tiere nicht doch wieder auftauchen, hieß es. Nach dem Bekanntwerden des Abschusses signalisiert oö. Landesjägermeister Sepp Brandmayr nun Bereitschaft zur Nachbesetzung.

Bei dem in der Tiefkühltruhe eines Präparators im Großraum Linz sichergestellten Luchsmännchen könnte es sich um „Klaus“ (vermisst seit Jänner 2012) oder „Pankraz“ (vermisst seit 2008) handeln.

Das Tier war in einen Plastiksack gewickelt. Aufgrund der Beschriftung „Mai 2012“ deutet laut Nationalparkchef Erich Mayerhofer vieles in diese Richtung. Allerdings könne er auch nicht ausschließen, dass es sich um den Kadaver eines Kuders (Luchs-Männchen) handelt, über den es noch keine Aufzeichnungen gab. „Diese Möglichkeit ist zwar nicht allzu groß, aber sie besteht“.

Eine DNA-Analyse in der Schweiz soll Klarheit bringen. „Mit dem Ergebnis können wir frühestens in einigen Wochen oder sogar Monaten rechnen“, sagt Mayrhofer.
Gefriertruhe Einem möglichen Strafverfahren will sich der Nationalpark als Privatbeteiligter anschließen. „Vielleicht bekommen wir einen Teil des angerichteten Schadens wieder zurück.“ Im Visier der Ermittlungen steht der 64-jährige Harald W. aus Linz. Er ist Pächter eines Jagdgebiets, das sich im Eigentum des Erzbistums Salzburg befindet und rund drei Kilometer vom Nationalpark entfernt liegt. Hinweise aus der Bevölkerung brachten Fahnder des LKA OÖ auf seine Spur.

„Der Verdacht lautete, dass entweder in seiner oder in der Gefriertruhe des Präparators ein Luchs liegen soll“, sagt Andreas Pechatschek von der Staatsanwaltschaft Steyr. Bei dem Präparator sei man fündig geworden. „Wir ermitteln gegen den Jäger wegen des Verdachts des schweren Eingriffs in fremdes Jagd- oder Fischereirecht und wegen Gefährdung einer Population.“

Der Strafrahmen beträgt bis zu drei Jahre Haft. Gegen den Präparator besteht laut Pechatschek der Verdacht der Hehlerei: „Ob gegen ihn auch wegen Beitragstäterschaft ermittelt wird, kann erst nach Abschluss der Einvernahmen gesagt werden.“

Es ist eine ungewöhnliches Bild: Ein Wolf mit einem Pulsgurt auf einem Laufband. Im Wolfsforschungszentrum in Ernstbrunn,NÖ, können sich die zwölf Wölfe frei bewegen. Um das Verhalten der Tiere und das Zusammenleben mit Menschen und Hunden zu untersuchen, werden laufend wissenschaftliche Studien durchgeführt. Durch das Laufband sollte etwa die Fitness der Wölfe und Hunde verglichen werden. Die Erkenntnis: „Zu unserer Überraschung waren eher die Wölfe dafür zu begeistern“, sagt Experte Kurt Kotrschal.

Gesetzeslage

In der freien Wildbahn sind die Tiere hingegen kaum anzutreffen. Nur rund zehn Tiere wandern jährlich über die Grenze nach Österreich. Gezielte Ansiedelungsprojekte gibt es keine. „Allerdings hat sich bei uns als einziges Land in Mitteleuropa noch kein Rudel gebildet“, kritisiert Kotrschal. Grund sei die Gesetzeslage. „Die Behörden müssten stärker durchgreifen.“ Zwar zieht ein Teil der Wölfe, die über die Grenze gekommen sind, wieder weiter. Allerdings bleibt eine hohe Dunkelziffer, bei der man nicht genau wisse, wohin die Tiere verschwinden.

Kotrschal gesteht zwar, dass die Ansiedelung von Wölfen auch Nachteile habe. Doch sieht er „die Politik gefordert, wiederkehrende Konflikte zu lösen“.

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