Uni-Ausbau in zehn bis zwölf Jahren

Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) beim KURIER-Interview.
Der Minister über fehlendes Geld, die schwache Konjunktur und das Russen-Gas.

Der gebürtige Helfenberger Reinhold Mitterlehner (58) ist Minister für Wirtschaft und Wissenschaft und Bezirksparteiobmann der ÖVP Rohrbach.

KURIER: Die Linzer Johannes Kepler Universität ist in Bewegung. Die Medizinfakultät ist im Aufbau, gleichzeitig werden Wünsche nach Instituten für den Maschinenbau und für eine geisteswissenschaftliche Fakultät geäußert. Reinhold Mitterlehner: Die Universität ist von der Grundentwicklung sehr positiv aufgestellt. Ich verstehe die Wünsche nach einem Vollausbau. Diese müssen aber mit den Realitäten in Einklang stehen. Die Realitäten enthalten drei Komponenten. Die erste ist der Ausbau der Medizinfakultät. Die Stadt Linz ist bei der Errichtungsgesellschaft mit ihrer finanziellen Kapazität an der Grenze. Dazu kommen noch die Realitäten des Bedarfs und der Finanzierung. Wenn wir das alles nicht in Einklang bringen können, wird das vorerst ein Ziel bleiben.

Das neue Lehramtsstudium ab 2016 wird durch eine Kooperation von neun Hochschulen und Universitäten von Linz und Salzburg möglich. Diese neue Zusammenarbeit eröffnet neue Chancen.

Kooperationen sollen in Zukunft für jede Universität Teil der Leistungsvereinbarung sein. Damit erzielen wir eine bessere Ressourcennutzung. Linz und Salzburg sind bei den Angeboten räumlich sehr nahe. Das gilt auch für Wien, das inzwischen mit dem Zug auch in eineinviertel Stunden erreicht werden kann. Man muss auch bei den Geisteswissenschaften den fachlichen Bedarf prüfen. Was wir gerade machen.

Franz Winkler, der Vorsitzende der technisch-naturwissenschaftlichen Fakultät, wünscht sich Institute für den Maschinenbau. Diese müsste doch realisierbar sein?

Die Errichtungskosten für die Medizinfakultät betragen 105 Millionen Euro.Man braucht für den Maschinenbau Hallen und eine entsprechende Ausstattung. Dazu kommt der laufende Betrieb. Bei einer technischen Fakultät mit Maschinenbau kostet dieser 40 Millionen Euro aufwärts im Jahr. Bei den derzeitigen budgetären Gegebenheiten bin ich froh, wenn ich für die Universitäten eine Erhöhung bekomme, mit der wir die nächsten drei Jahr bestreiten können.

Grundsätzlich sehe ich Ausbaupläne in den technischen Fächern als notwendig für den Industriestandort Oberösterreich. Vermutlich notwendiger als die Geisteswissenschaften. Aber auch hier stellt sich die Frage, wie finanziere ich das?

Mit einer Anschubfinanzierung durch das Land und große Unternehmen wäre das vermutlich einfacher?

Wir sind momentan nicht einmal in der Phase der Bedarfsabklärung. Ich habe nichts gegen eine Kampagne, die eine Zeitung hier durchführt. Aber wer bezahlt das? Wir haben schon zu tun, den laufenden Betrieb zu finanzieren.

Sollte sich Linz nicht spezialisieren?

Das ist die Aufgabe der Profilbildung, die wir allen Universitäten stellen. Die Universitäten sollen sich untereinander abstimmen und die eigenen Stärken definieren. Linz ist stark in der Mechatronik, der Mathematik. Ich halte auch die Rechts- und Sozial - und Wirtschaftswissenschaften für gut. Linz ist an sich gut aufgestellt und hat mit 37 Millionen Euro auch eine gute Drittmittelfinanzierung.

Themenwechsel. Warum ist das Wirtschaftswachstum schwächer als erwartet?

Die Konsumenten sind verunsichert. Der Österreicher ist momentan recht pessimistisch. Der Inlandskonsum stagniert. Das Investitionsklima ist beeinträchtigt durch die internationalen Krisenherde wie in der Ukraine. Das sind die Hauptfaktoren für die langsame Aufwärtsbewegung.

Wann verbessert sich die Lage?

Die Prognosen sagen für nächstes Jahr eine Steigerung voraus. Wir hatten jetzt fünf Jahre eine Krise, bei den Investitionen in die Infrastruktur ist gespart worden. Es gibt hier einen Nachholbedarf. Es wird sowohl von der EU als auch von der Weltwirtschaft eine entsprechende Nachfrage geben. Wir werden dann wieder bessere Voraussetzungen für die Universitäten und für die Forschung haben. Wir haben das Finanzierungsproblem nur mittelfristig, für die nächsten drei bis vier Jahre. Die nächsten Schritte für Linz kann man in einem Zeitraum von zehn bis 12 Jahren tun. Das ist seriös. Alles andere sind Ideen der Stadt, um von den finanziellen Problemen abzulenken.

Als Putin kürzlich in Wien zu Besuch war, bekannten sich die OMV als auch die Regierung zur Gasleitung South Stream, obwohl die EU die TANAP-Leitung von Aserbeidschan nach Italien bevorzugt.

Die TANAP-Leitung ist geplant und soll gebaut werden. Die Kommission hat empfohlen, South Stream vorerst zu suspendieren, aber nicht wegen des fehlenden Bedarfs, sondern weil das Regelwerk in einigen Ländern nicht EU-konform ist. Das zu klären, ist eine Frage von Wochen, wenn der Wille dazu vorhanden ist.

Der Vorwurf gegen Putin lautet, er instrumentalisiere den Gasexport als politische Waffe. Gleichzeitig fühlen sich die Ukrainer vom Westen im Stich gelassen. Sie sagen, der Westen sei nur an seinen Geschäften mit Russland interessiert, alles andere wird dem untergeordnet.

Das sehe ich nicht so. Die Ukraine benötigt selbst das Gas aus Russland. Als die Versorgung für die Ukraine eingestellt worden ist, hat sofort Energiekommissar Öttinger für die Ukraine vermittelt. Es stimmt aber, dass Gas in diesem Konflikt eine Waffe ist. Man sollte den Konflikt daher schnellstmöglich lösen, denn sonst schleppen wir uns in den Winter hinein. Das wäre für alle eine unangenehme Angelegenheit.

Können wir auf russisches Gas nicht einfach verzichten?

Wir können darauf nicht verzichten, weil wir es bei den Produktionsprozessen in der Industrie, bei der Koksgewinnung, etc benötigen. Wien und Linz werden zum großen Teil mit Gasheizungen versorgt. Ähnliches gilt für Deutschland. Wer meint, es brauche andere Anbieter, dem muss man sagen, dass es keine anderen Anbieter gibt. Wir brauchen das Gas und Russland braucht auf der anderen Seite die Einnahmen. Das ist ein wechselseitiger Prozess. Es war sogar eine Idee der EU, mit wirtschaftlichen Verflechtungen und Abhängigkeiten Kriegsgefahren zu minimieren.

Die Industrie sorgt sich um den Produktionsstandort Oberösterreich und Österreich. Sind die Sorgen berechtigt?

Der gesamte Standort steht in einem starken internationalen Wettbewerb. Es geht hier vor allem um Zukunftsfragen. Wir müssen aufpassen, dass uns andere nicht überholen. Wir haben mehrere Probleme, wie zu hohe Arbeitskosten, zu viel Bürokratie, um zu wenig Beweglichkeit. Bei der Forschung und Entwicklung haben wir zwar eine gute Dynamik, die wir aber noch steigern könnten. Bei der Finanzierung von Investitionen bräuchten wir noch Impulse. Da fehlen uns die positive Stimmung und die Langfristigkeit. Wir versuchen derzeit im Zuge einer neuen Standortstrategie gemeinsam mit der Industrie, die Rahmenbedingungen zu verbessern.

Sie haben das Verhalten der Gewerkschaft kritisiert.

Die Bevölkerung erwartet sich von der Regierung Problemlösungen und nicht öffentliche Auseinandersetzungen über Steuern oder andere Themen. Man kann das alles diskutieren, aber intern und nicht extern. Die Linie, dass wir zuerst die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen, sollten wir beibehalten. Wir sollten die Probleme einmal von der Ausgabenseite angehen. Das ist wesentlicher notwendig als die Illusion, dass wir eine kleine Umverteilung machen und alle davon profitieren. Die Gewerkschaft betont den zweiten Schritt, ohne den ersten zu beschreiben.

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