"Uneinigkeit ist das Grundproblem"

Entholzer kehrt als Bauingenieur zur Bahn zurück
Der abgetretene Landesvorsitzende Reinhold Entholzer kritisiert Illoyalitäten führender SPÖ-Funktionäre.

Reinhold Entholzer scheidet am 6. Juli nach vier Jahren aus der Landesregierung aus. Der 56-Jährige Soziallandesrat war von November 2013 bis Jänner 2016 Vorsitzender der oberösterreichischen Sozialdemokraten.

KURIER: Ist die Politik ein schmutziges Geschäft?

Reinhold Entholzer: Nein. Es sind immer die Menschen, die schmutzig sind. In größeren Unternehmen, wo es auch höhere Positionen mit guter Bezahlung gibt, geht es genau so ehrlich oder intrigant zu. Je weiter man nach oben kommt, umso dünner wird die Luft und umso heftiger wird gekämpft. Die einen sagen, das ist der Zug zum Tor, die anderen sagen, das sind die Alphatiere.

Sie waren vier Jahre in der Landesregierung und zweieinhalb Jahre SPÖ–Vorsitzender. Wie lautet Ihr Resümee?

Es war spannend, so viele Menschen kennen zu lernen. Ich habe Einblick bekommen, wie die Politik läuft. Ich musste feststellen, dass man ein bis zwei Jahre benötigt, um die notwendigen Netzwerke zu haben. Man braucht mindestens vier Jahre, um in der Bevölkerung bekannt zu werden.Das ging bei mir jetzt erst richtig los. Insofern ist es vielleicht schade, dass ich nicht noch länger bleiben kann. Denn jetzt kenne ich den Laden und die Menschen kennen mich und schätzen meine Qualitäten, die nicht auf populistische Sager aus sind. Es hat mich sehr gefreut, dass bei meinem Abschied im Landtag alle meine Sachlichkeit in den Vordergrund gestellt haben.

War Ihr Einstieg zu spät?

Ja, er war sicherlich ein bisschen zu spät. Der Wechsel erfolgte unglücklich, denn es kam zwischen den beiden wichtigsten Zeitungen zu Differenzen. Ich hatte keinen guten medialen Einstieg, das hing mir lange nach.

Obwohl Sie nichts dafür konnten?

So ist es.

Was sehen Sie positiv?

Ich konnte doch viel bewegen. Auch wenn man sich als Außenstehender denkt, die Regierung kann alles anordnen, hat man selbst oft den Eindruck, man verwaltet mehr als Dinge zu erledigen. Es gibt für einen Eisenbahner wie mich nichts Schöneres als sagen zu können, man hat zwei Kilometer Neubaustrecken gebaut. Oder die Verlängerung der Straßenbahn nach Traun oder die Durchbindung der Straßenbahn nach Gmunden. Wir konnten mit den Gemeinden vieles erledigen.

Negativ habe ich erlebt, dass man als Politiker von manchen als Freiwild gesehen wird. Wenn man Mails mit dem Inhalt erhält, solande Sie eine Frisur wie ein griechischer Hirtenhund haben, werden Sie nie reüssieren, und es ist noch mit der persönlichen Adresse gezeichnet, dann überschreitet das alle Grenzen.

Wie ist es Ihnen innerparteilich ergangen?

Unterschiedlich. Ich kam zu einem Zeitpunkt, als sich die Landespartei vom Schock der Wahlniederlage 2009 zu konsolidieren versucht hat. Solange es Strömungen gibt, die sich mit den innerparteilichen Gegebenheiten mehr beschäftigen als mit den politischen Gegnern ist es schwierig. Das ist in den vergangenen Jahren so gewesen. Auch aus der Verunsicherung heraus, in welche Richtung es gehen soll.

Der Landesparteitag, der Birgit Gerstdorfer vor acht Tagen zur neuen Vorsitzenden gekürt hat, stand unter dem Motto "Eins werden".

Ich hoffe, dass ich einen Beitrag zur Erkenntnis beigetragen habe, dass wir so nicht weiterarbeiten können. Es ist schon klar, dass eine Partei, die von ganz links bis zur Mitte hin aufgestellt ist, verschiedene Meinungen hat. Wir müssen aber unsere Ziele definieren und danach trachten, sie zu erreichen und uns dabei gemeinsam unterstützen. Man sollte nicht ununterbrochen fragen, warum ist das und das nicht richtig. Einigkeit nur um der Einigkeit Willen ist auch falsch. Es braucht gemeinsame Ziele. Diese haben wir auf Bundesebene ein bisschen verloren, weil unsere Funktionäre das Gefühl hatten, wir schlagen bereits den Kompromiss vor. Alle waren unzufrieden, es herrschte das Gefühl vor, die SPÖ gibt immer nach. Das hat an unserem Selbstwertgefühl genagt. Mit Christian Kern hat sich das geändert. Von ihm kommen klare Aussagen wie die zum Beispiel die Forderung nach einer Wertschöpfungsabgabe.

Rein rechnerisch wäre sich eine ÖVP–SPÖ-Koalition ausgegangen. Woran ist sie gescheitert?

Die Industriellenvereinigung hat schon vor der Wahl signalisiert, dass sie mit der FPÖ zusammen gehen will. Diese Diskussion gibt es jetzt auch auf Bundesebene. Die ÖVP muss überlegen, ob sie mit Kern zusammen arbeiten will oder lieber Zweiter in einer Koalition mit der FPÖ sein will, in der Erwartung alles umsetzen zu können, was die Industrie braucht.

Landeshauptmann Hans Niessl hat die Frage nach einer vorzeitigen Neuwahl aufgeworfen. Halten Sie sie für wahrscheinlich?

Das ist ganz schwierig. Kern will zusammen arbeiten. Er hat sich aber auch klar positioniert. Es gibt gewisse Themen, ohne die es nicht geht. Wenn es halt nicht geht, scheuen wir uns auch nicht vor einer Wahl. Ich hoffe aber, dass es nicht in Richtung Neuwahl geht. Man sollte es gemeinsam bis zum Frühjahr nächsten Jahres probieren.

Wie steht Oberösterreich insgesamt da?

Nicht so schlecht. Wir haben uns in den vergangenen zwei Jahren schlechter geredet als wir sind. Wir sind eines der besten Bundesländer und immer noch eine sehr gute Europaregion. Wir dürfen aber den Anschluss nicht verpassen, indem wir uns gegenseitig blockieren. Wir müssen endlich die Bildungsfrage lösen. Ihre Auswirkungen werden wir sowieso erst in zehn Jahren spüren. Aber diese Verantwortung haben wir.

Sie sollten beim Landesparteitag im Jänner wiedergewählt werden, aber plötzlich ist der Linzer Bürgermeister Klaus Luger abgesprungen. Wie haben Sie das erlebt?

Das war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Es hat mehrere Dinge gegeben. Bei meinem Einstieg gab es die Diskussion um Sonja Ablinger, wo mir vorgehalten worden ist, dass ich gegen Frauen wäre. Dabei habe ich die Frauen immer unterstützt. Aber man muss einmal Entscheidungen treffen und wenn diese nicht akzeptiert werden, wird es schwierig. Die Jungen haben immer wieder gesagt, ich sei nicht der Richtige. Sie wussten aber auch nicht, wer der Richtige ist. Diese Uneinigkeit in der Partei liegt nicht an einem Flügel und nicht an einer Person, sondern an vielen. Das war das Grundproblem. Luger war letztendlich der Auslöser für meinen Rückzug. Ich habe mir gesagt, wenn die Jungen nicht hinter mir stehen, wenn der Linzer Bürgermeister als wichtigste Bezirksorganisation nicht mehr hinter mir steht, wenn Kammer und ÖGB nicht mehr hinter mir stehen, dann macht es keinen Sinn mehr. Hans Kalliauer hat im Dezember bekannt gegeben, dass er nicht mehr für das Präsidium und für den Vorstand kandidieren wird.

Sie haben das als illoyal aufgefasst? Sie kommen ja aus der Gewerkschaft und waren Kalliauers Stellvertreter als Arbeiterkammer-Präsident.

Ich habe das als Nicht-Loyalität der Partei gegenüber empfunden. Es braucht keiner zu mir loyal sein. Ich habe immer aus der Perspektive heraus gehandelt, was das Sinnvollste für die Partei ist. Wenn man in einer Funktion ist, sollte man schon daran denken, wie es der Partei geht und wie man das am sinnvollsten handhaben kann. Da haben einige das Ganze nicht mehr gesehen, was für mich der Auslöser war zu sagen, das macht keinen Sinn mehr.

Der unmittelbare Anlass war ja die Ablöse von Peter Binder als Landesgeschäftsführer.

Es gab mehrere Gründe für seine Ablöse. Es gab in der Partei Kritik wegen des Wahlkampfs. Dazu kam Kritik, dass er ein Mandat als Landtagsabgeordneter übernommen hat. Nachdem die Partei in einer Umstrukturierungsphase war und weniger Geld aus der Parteienförderung zur Verfügung stand, habe ich jemand benötigt, der zu 100 Prozent als Geschäftsführer zur Verfügung steht. Für die Umstrukturierung brauchte ich jemanden, der bei den Funktionären bei den schwierigen Entscheidungen außer Kritik steht. Dadurch war ich gezwungen zu handeln.

Interessant war, dass man mir in den Jahren zuvor vorgeworfen hat, keine Entscheidungen zu treffen. Wenn man sie dann trifft, ist es auch nicht recht. Ab und zu ist es schon verrückt.

Was werden Sie nach dem Ausscheiden aus der Politik am 6.Juli beruflich machen?

Das werde ich am 29. Juni in Wien, am Praterstern 3, beim Personalchef der Bahn-Infrastruktur genau erfahren. Ich werde mit ihm ein Gespräch führen und ich werde wieder als Techniker arbeiten.

Sie waren zuletzt ja freigestellter Betriebsrat.

Seit 1993 war ich freigestellter Betriebsrat. Jetzt werde ich als Bautechniker zurückkehren, was ich ursprünglich gemacht habe.

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