Räder statt Autos in Städten

Belgien Reise
In Gent, der 250.000-Einwohner-Hauptstadt des belgischen Flandern, fahren täglich 12.000 mit dem Rad zum Bahnhof, um dort in den Zug zu steigen. 50.000 Bewohner nutzen den Bahnhof.

Rund 22 Prozent der Wege in der Stadt werden mit dem Rad zurückgelegt. Im Jahr 2000 waren es 14 Prozent.Unser Ziel ist es, Kopenhagen zu schlagen, wo es 40 Prozent sind.“

Diese beeindruckenden Zahlen präsentierte Filip Watteuw der österreichischen Journalistendelegation, die unter der Führung von Landeshauptmannstellvertreter Franz Hiesl (ÖVP) und Landesrat Reinhold Entholzer (SPÖ) diese Woche Brüssel und Gent besuchten.

Räder statt Autos in Städten
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Watteuw ist Mobilitätsstadtrat in Gent. Er ist in der flandrischen Hauptstadt genauso mit dem Rad unterwegs wie sein Bürgermeister. Was ist entscheidend für die Umstieg auf den Drahtesel? „Es braucht Radspuren, die Infrastruktur ist wichtig. Vor allem für Menschen, die nicht so fit sind und die sich fürchten. Sie brauchen komfortable und sichere Radspuren. Man muss eine Atmosphäre schaffen, dass Radfahren wichtig ist“, so der junge, schlanke Stadtrat.

Man habe auch ein Mietsystem eingerichtet, Studenten könnten sich für 35 Euro ein Rad für ein Jahr mieten. 7000 solche Räder gebe es. Die Radwege würden im Winter geräumt. Zudem hat die Stadt den Verein MaxMobiel gegründet, der Räder vermietet, repariert und die Abstellplätze betreut. 25 Arbeitslose finden hier eine sinnvolle Beschäftigung.

KURIER: Matthias Ruete, der Generaldirektor von Transport und Verkehr in der EU-Kommission, hat Ihnen am Montag erklärt, dass die Summerauerbahn (Linz-Summerau) den Sprung auf die Liste der europäischen Transitrouten nicht geschafft hat.
Franz Hiesl: Wir müssen hier nun auf die Eigenfinanzierung setzen. Sie soll um 300 Millionen Euro ausgebaut werden. Die Planung und Genehmigungen sind schon abgeschlossen. Der Bund hat den Ausbau erst für 2019 vorgesehen. Niemand kann derzeit aber aus Gründen der Einhaltung der Maastricht-Kriterien die 300 Millionen aufbringen. Von der EU ist derzeit auch keine Schützenhilfe zu erwarten.

Sie haben nun acht Varianten für die Ostumfahrung Linz festlegen lassen. Da die Mühlkreisautobahn bereits stark belastet ist, ist es vermutlich am effektivsten, wenn man die stadtnahe Variante bevorzugt.
Je stadtnäher man die Linie führt, umso stärker ist der Verkehr verlagerbar. Das ist ein Grundgesetz in der Straßenplanung. Wir haben den Raum von der Donau bis Hagenberg als zu untersuchendes Gebiet festgelegt. 16 Gemeinden sind eingebunden.
Wir haben drei Linien festgemacht. Eine Linie, die sehr nahe an der Donau verläuft, springt an der Stadtgrenze von Linz im Raum Auhof von der A 7 ab und geht zur Steyregger Brücke hin und am Rande der voestalpine vorbei Richtung Ebelsberg. Die am weitest außen liegende Variante würde auf den A1-Anschluss Enns-West hinzielen. Bis Ende des Jahres sollte die Trassenfestlegung erfolgen. Sie wird für zehn, 15 Jahre tiefgefroren. Das ist für Linz langfristig ein wichtiges Projekt.

Die Planungen für die zweite Straßenbahnachse in Linz laufen?
Linz braucht eine weitere Straßenbahnachse, weil wir jetzt schon große Probleme haben, die Menschen, die mit den Zügen am Bahnhof ankommen, weiterzutransportieren. Das nächste Problem ist die Landstraße, weil wir dort nur eine begrenzte Transportkapazität haben. Die Linz-Linien haben nun eine Planung vorgelegt, die einem Super-Mercedes entspricht. Aufwendig, teuer, kostenmäßig unüberschaubar, alle Linzer Probleme lösend, die in den nächsten zehn Jahren kommen – aber mit dem kleinen Makel versehen, dass niemand weiß, wer das bezahlt. Das muss gelöst werden. Wir wollen ein abgespecktes Projekt realisieren. Wir brauchen keine U-Bahn wie Wien, sondern eine oberirdisch geführte Straßenbahnlinie, die finanzierbar ist.

Bei dieser Studienreise haben wir gesehen, dass sowohl Brüssel als auch Gent stark auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und des Fahrradnetzes setzen. Was sind Ihre Schlüsse?
Wir haben für den Großraum Linz, also für Linz und 15 bis 20 km rundherum, einen Gesamtverkehrsplan entwickelt. Wir setzen nicht nur auf die Straße, sondern auch auf alle anderen Möglichkeiten wie die Straßenbahn, die Regiotram etc., sodass es Alternativen zum Auto gibt. 2025, also in rund zehn Jahren, wird die Mobilität noch um 25 Prozent höher sein als heute. Der Großraum Linz hat rund 48 Prozent aller Arbeitsplätze Oberösterreichs. 36 Prozent der Bewohner leben hier. Wir haben ein gut ausgebautes Staßensystem. Das gilt auch für Linz, aber wir stehen nach dem Bau des Westrings an. Linz wird wegen der Einpendler immer viel Autoverkehr haben. Wir brauchen aber Alternativen für die Autofahrer, dass sie die Möglichkeit haben, vom Auto umzusteigen. Speziell für jene, die im verdichteten Umkreis von Linz wohnen. Sie sollen auf die Schiene umsteigen können, sie sollen aber auch im Radverkehr Möglichkeiten finden, die sie jetzt nicht haben.
Wir haben hier in Belgien gesehen, dass es auf viele Kleinigkeiten ankommt. Dass man beispielsweise das Rad gut und sicher abstellen kann, dass man einen kurzen Weg zum Zug hat, es braucht Betreuung und Verleihsysteme. Nach dem Ausbau der touristischen Radwege werden wir uns nun auf den Alltagsverkehr konzentrieren.

KURIER: Der Radverkehr wird sowohl in Brüssel als auch in Gent massiv forciert. Was lernen wir daraus?
Reinhold Entholzer: Sie sind uns voraus. Bei uns ist das Radfahren vor allem touristisch, aber im Alltagsverkehr nicht so üblich. Während in Gent täglich 12.000 das Rad zum Bahnhof nutzen, haben wir rund um den Linzer Bahnhof 1700 Stellplätze. Wir sollten versuchen, solche Konzepte nachzuahmen.

Gibt es bereits konkrete Überlegungen?
Dort, wo wir Haltestellen umbauen oder aufrüsten, machen wir nicht nur Park-and-Ride-Anlagen, sondern auch Bike-and-Ride-Anlagen und errichten Fahrradboxen.

Die Regiotram wird in Belgien ausgebaut. Ist das für Sie eine Bestätigung für Ihr Konzept einer Regiotram anstelle der Mühlkreisbahn?
Nicht nur für die Mühl- kreisbahn. Wir machen das bereits jetzt bei der Verlängerung der Straßenbahn bis nach Traun und Ansfelden. Richtung Ansfelden werden wir sicher mit Garnituren ähnlich der Regiotram fahren. Denn die Straßenbahn endet bei einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Die Regiotram fährt zwar auf denselben Gleisen, erreicht aber eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h. Das heißt, wir können den Fahrplan auf eine Geschwindigkeit von 80 km/h auslegen.

Wann soll Ansfelden fertig sein?
Den ersten Abschnitt Richtung Traun werden wir im Herbst 2015 eröffnen. 2016 soll Traun fertig sein. Dann werden wir über die Verlängerung nach Ansfelden nachdenken.

Es ist auch eine Verbindung nach Gallneukirchen angedacht.
Hier reden wir noch von einem ganz weit entfernten Zeitpunkt. Baubeginn vielleicht 2020, Fertigstellung 2025. Wir sind gerade dabei, eine Trasse freizuhalten. Dabei stehen wir vor der Problematik, dass zwar alle eine Regiotram wollen, aber niemand will sie vor der eigenen Haustür haben. Sie verwechseln das, denn sie fürchten einen Lärm wie bei der Summerauerbahn. Dabei sind die Fahrzeuge ganz neu und lärmarm. Wir fahren auch nicht in der Nacht. Wir müssen das mit den Betroffenen besprechen. Aber wir müssen sie sehr nahe zu den Orten bauen, damit sie genützt wird. Alles, was über 500 Meter fußläufig hinausgeht, führt dazu, dass es den Menschen zu weit ist.

Wie geht es mit der zweiten Straßenbahnachse in Linz voran?
Wir haben bereits einige Gespräche mit der Stadt gehabt. Wir müssen ein Projekt erstellen, das wir finanziell realisieren können. Wir werden einen Teil oberirdisch machen, wo man dann vielleicht in 15 bis 20 Jahren sagt, jetzt haben wir das Geld, jetzt verlegen wir sie unterirdisch. Wir sollten uns hier nichts verbauen.
Ende Juli sollte auch die Entscheidung des Bundesdenkmalamtes zur Eisenbahnbrücke vorliegen. Wenn sie aus dem Denkmalschutz herausfällt, wovon ich ausgehen, wird die Brücke neu gebaut. Wir brauchen sie für den öffentlichen Verkehr genauso wie für den Individualverkehr, mit Rad- und Gehwegen und zwei Straßenbahngleisen. Es muss hier auch eine finanzielle Beteiligung des Landes geben. Nach ersten Schätzungen kostet der Neubau rund 70 Millionen Euro.

Im Zuge der Diskussion um die Verbreiterung der Nibelungenbrücke für die Radfahrer gibt es ernst zu nehmende Stimmen, die für eine eigene Brücke für Fußgeher und Radfahrer plädieren.
Das ist durchaus denkbar. Man muss aber gleichzeitig überlegen, wie man die Radwege weiterführt.

Wann wird die Regiotram nach Rohrbach realisiert?
Die ÖBB haben uns mitgeteilt, dass sie 2017 vier Regionalstrecken zusperren. Wir brauchen diese Strecken aber zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs. Wir könnten frühestens 2017, 2018 beginnen. Wir müssen den Bau auch mit dem Bau des Westrings abstimmen.

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