"Am Asyl kann Europa scheitern"

Pühringer treibt die Reformen im Gesundheitsbereich voran
Oberösterreichs Landeshauptmann über die Asylthematik, die Pflege und den Schuldenabbau.

Josef Pühringer (65) ist seit 20 Jahren Landeshauptmann von Oberösterreich.

KURIER: Auf Landesebene gibt es wenig ungelöste Frage. Aber das Asylantenthema drückt die ÖVP in den Umfragen nach unten.

Josef Pühringer:Das größte Problem ist der Arbeitsmarkt. Wir haben zwar einen höheren Zuwachs bei der Zahl der Beschäftigten als bei der Anzahl der Arbeitslosen, dennoch liegen wir bei 5,3 Prozent. Die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen hat oberste Priorität.

Das Asylthema ist schwierig, aber es gibt nur eines: Lösungen, Lösungen, Lösungen. Wir arbeiten intensiv daran, aber ohne europäische Lösung wird es letztlich nicht gehen, wenn der Zustrom weitergeht wie bisher.

Die Bezirkshauptleute wurden nun in die Suche nach Quartieren eingeschaltet. Bringt das eine Verbesserung?

Auf der Landesebene arbeitet eine Gruppe ganz intensiv. Ich bringe mich auch selbst ein. Wir haben die Bezirkshauptleute gebeten, mit den Bürgermeistersprechern auf regionale Quartiersuche zu gehen. Wir müssen auf allen Ebenen aktiv sein, damit wir gesamtheitlich das Problem lösen können. Die Zahl der Quartiere steigt spürbar.

Ist Ihre Forderung, dass bis Ende Juli alle Zelte weg sein müssen, realistisch?

Das ist ein absolutes Muss. Das habe ich auch allen Verantwortlichen dargelegt. Wir stellen Plätze zur Verfügung, deshalb erwarte ich, dass die Zelte abgebrochen werden.

Ihre Forderung nach einer Quote, nach der die Flüchtlinge europaweit aufgeteilt werden, ist abgelehnt worden.

Am Asylthema kann Europa scheitern, hat Kommissionspräsident Jean Claude Juncker gesagt. Dieser Aussage schließe ich mich an. Die EU is t nicht nur ein Förderverteilungsverein, sondern sie muss auch die Kraft haben für eine derartige Solidaranstrengung, wenn sie notwendig ist. Es ist undenkbar, dass ein Drittel der Länder die gesamte Verantwortung tragen. Das schafft auch keine Akzeptanz bei der Bevölkerung. Wir leisten unseren Teil, aber die anderen müssen das auch tun.

Verschiedene Länder haben Grenzkontrollen eingeführt. So zum Beispiel Frankreich gegenüber Italien, Ungarn gegenüber Serbien, Serbien gegenüber Mazedonien. Auch Sie haben sich für temporäre Kontrollen ausgesprochen und sind dafür als Rechtsabweichler kritisiert worden.

Ich stehe zu meinen Aussagen. Es kann nicht sein, dass kriminelle Schlepperbanden Flüchtlinge durch Italien bringen, ohne dass die Identität festgestellt wird. Bei uns landen sie und wir können sie dann nicht mehr dorthin zurückbringen, wo sie zuerst angekommen sind. Es muss Grenzkontrollen im EU-Außenbereich geben. Dadurch muss der Zustrom kontrolliert und reguliert werden, denn sonst sind wir auf Sicht gesehen überfordert.

Sie wurden von Funktionsträgern der katholischen Kirche für Ihre Forderung nach Grenzkontrollen kritisiert. Zum Beispiel vom Präsidenten der katholischen Aktion, Bert Brandstätter, oder von Caritas-Direktor Franz Kehrer.

Wenn sie das Problem lösen können, sind sie herzlich eingeladen. Wenn sie dazu nicht in der Lage sind, sollen sie nicht jene kritisieren, die Tag und Nacht arbeiten, um das Problem zu lösen. Es haben mich manche kritisiert, die deutlich weniger Quartiere aufgetrieben haben als wir das getan haben. Aber ich muss das zur Kenntnis nehmen, das ist in der Demokratie so. Ich hab e mit den Betreffenden auch gesprochen und die Sache ausgeredet.

Meine Position zu den Grenzkontrollen hat nichts mit der Unterbringung zu tun, sondern ausschließlich mit dem Realitätssinn, der auch für einen Christdemokraten notwendig ist.Wir dürfen nicht wegschauen, wenn es ein Problem gibt und etwas schönreden, wenn es schwierig ist.

Besteht nicht die Gefahr, dass es Ihnen wieder so geht wie bei der Wahl 2003, als Ihnen die Bundes-ÖVP mit der Vollprivatisierung der voestalpine und der Pensionsreform das Wahlergebnis vermiest hat?

Gegen Bundes- und internationale Themen kann sich die Politik nicht wehren. Wir können sie nicht an der Grenze aufhalten. Ich hoffe sehr, dass wir in den nächsten drei Monaten den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln können, dass es um Oberösterreich geht.

Sie sind nun Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz. Welche Themen sind zu lösen?

Meine Vorsitzführung wird vor allem den Finanzausgleich beinhalten. Die Länder müssen fair behandelt werden, weil sie äußerst dynamische Aufgabenbereiche haben: die Kinderbetreuung, die Pflege, den Sozialbereich und die Gesundheit. Ich hoffe, dass wir bis 2020 eine Verlängerung des Pflegefonds bekommen, denn Pflege ist Menschenrecht. Es muss genügend Geld und Personal da sein. Es geht weiters um Deregulierung, was wichtig ist für die Aufwertung des Standorts.

Die Gemeinden rufen zu Bewältigung ihrer Aufgaben nach mehr Geld.

Jeder hätte gern mehr Geld. Die Länder haben die 22 Prozent angemeldet, die uns aufgrund des bisherigen Steueraufteilungsschlüssels zustehen (Bund 67 %, Ländern 22 %, Gemeinden 11 %). Das ist unsere Minimalforderung. Wir haben die 22 Prozent derzeit nicht, sondern lediglich 20,8 Prozent. Denn der Schlüssel ist durch Einzelfinanzierungen unterwandert worden. Daher wollen wir zu den 22 Prozent zurück. Das wird gar nicht einfach sein. Denn allen Partnern muss klar sein, dass die vergangenen Jahre keine fetten Jahre waren. Da waren die Auswirkungen der Finanzkrise und jetzt die Auswirkungen der Steuerreform. Sie führen zu weniger Einnahmen. Deshalb wird die große Stunde des Verteilens nicht schlagen.

Die Länder wollen ihren Anteil am Abbau der Schulden leisten. Das bedeutet Einschnitte für den Landeshaushalt. Wie werden Sie sie umsetzen?

In Oberösterreich tue ich mir leichter, weil wir eine geringe Verschuldung haben und der Schuldenabbau keine besondere Herausforderung darstellt im Vergleich zu Kärnten, Salzburg oder der Steiermark. Die Herausforderung ist vielmehr, dass wir mit dem vorhandenen Geld die riesigen Aufgabenbereiche Pflege, Kinderbetreuung, Chancengleichheit, und Einrichtungen für Beeinträchtigte im nötigen Ausmaß meistern können.

Werden wir uns Großprojekte wie das Musiktheater in Zukunft noch leisten können?

Wir starten mit dem Westring, dem Universitätsklinikum und der medizinischen Fakultät zwei Projekte, die uns die gesamte nächste Periode beschäftigen werden. Diese Einrichtungen müssen geschaffen werden.

Wir brauchen große Investitionen in der Pflege, in der Bildung und bei der Betreuung der unter Dreijährigen.

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