"Objekt 21"-Prozess: Sieben Schuldsprüche

"Objekt 21"-Prozess: Sieben Schuldsprüche
Haftstrafen für alle Angeklagten wegen Wiederbetätigung - Urteile nicht rechtskräftig.

Mit neuen Beweisen konfrontierte am Montag der Welser Staatsanwalt Franz Haas die sieben Angeklagten im Alter von 23 bis 33 Jahren im NS-Wiederbetätigungsprozess rund um den rechtsextremen Verein „Objekt 21“ in Desselbrunn (OÖ). Er legte unter anderem eine Rechtsrock-CD des Interpreten „Reichstrunkenbold“ vor. Neben Liedern wie „Arisches Kind“ ist darauf auch ein Bonus-Track zu finden, der angeblich „live in der Waffenschmiede“ aufgenommen wurde. Brisant ist das, weil auch über dem Eingang zum Partyraum des Objekt-21-Klubheims der Schriftzug „Waffenschmiede“ prangte.

CD mit Hakenkreuz

Vor Gericht wollten sich die Angeklagten an einschlägige Live-Konzerte nicht erinnern. Laut Zeugenaussagen sollen dafür aber SMS-Einladungen verschickt. Die CD, auf deren Cover auch ein Hakenkreuz abgebildet ist, hatte ein Unbekannter am 24. Oktober bei der Polizeiinspektion Vöcklabruck hinterlegt. Eine auf der Rückseite angebrachte Markierung soll von einem Stempel des Hauptangeklagten Jürgen W. stammen. „Ich habe keinen solchen Stempel“, widersprach W., der bereits zwei einschlägige Verurteilungen aufweist. Am Hinterkopf hat er einen Reichsadler, auf den Unterarmen SS-Runen und am Ellbogen ein Hakenkreuz eintätowiert. Auch seine Mitangeklagten hatten sich nationalsozialistische Motive in die Haut stechen lassen.

Am Abend zogen sich die Geschworenen zur Beratung zurück. Erst kurz vor Mitternacht fiel das Urteil: Alle sieben Angeklagten wurden – nicht rechtskräftig – zu Haftstrafen zwischen 18 Monaten und sechs Jahren verurteilt. Die Richterin begründete die Strafen mit einer generalpräventiven Wirkung, die nach außen gehen solle. Milderungsgründe sah das Gericht kaum, Einsicht oder Umkehr seien bei den sieben Angeklagten „eher nicht“ zu erwarten.

2011 aufgelöst, war das "Objekt 21" als gewaltbereites rechtsextremes Netzwerk mit Kontakten zum Rotlichtmilieu bekannt. Übergriffe der Vereinigung, die laut dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) untypisch für die kleinstrukturierte Szene aus rund 200 Personen bestand, sind seit 2005 dokumentiert. "Das ist die ganze Palette von Körperverletzung, schwerer Nötigung, Drohungen bis zu Sachbeschädigungen", so DÖW-Experte Andreas Peham im APA-Gespräch.

Im Frühjahr 2010 tauchte das "Objekt 21" erstmals in den Medien auf, als Kopf der Organisation mit einem Schlagring als Logo galt der einstige Anführer des "Kampfverbandes Oberdonau" (Bezeichnung für Oberösterreich während des Dritten Reiches, Anm.). Auch der Körperschmuck des Mannes, der bereits mit dem Gericht zu tun gehabt hat, zeugt von brauner Gesinnung: Er trägt u.a. einen SS-Mann sowie die Schriftzüge "Blood & Honour" und "White Power" als Tattoos. Facebook-Kommentare soll er mit Hakenkreuzen versehen haben.

Im Sommer 2010 stellte sich heraus, dass die rechte Gruppierung auch einen Internet-Versand betreibt. Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung führte daraufhin eine Hausdurchsuchung durch. Im Jänner 2011 wurde das "Objekt 21" schließlich aufgelöst. Zwei Monate später zeigten die Grünen bei der Staatsanwaltschaft Wels an, dass ehemalige Aktivisten erneut im Internet einschlägige Ware zum Kauf anbieten. Im Vorjahr wurde ein Mitglied wegen jahrelangen Handelns von verbotenen Gegenständen rechtskräftig zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt.

Kontakte nach Deutschland

Die Vereinigung hatte laut Peham enge Kontakte nach Deutschland: zur Aktionsgruppe Passau, nach München, Jena und auch nach Dresden. Dorthin sei man jährlich zu den Neonazi-Aufmärschen gereist, u.a. mit dem wegen Wiederbetätigung zu neun Jahren Haft verurteilten Gottfried Küssel. Umgekehrt traten am vom "Objekt 21" gemieteten Bauernhof im Bezirk Vöcklabruck neben Liedermachern aus Oberösterreich und Wien auch deutsche auf. Das Gebäude gehörte ausgerechnet dem Vater von Regisseur Stefan Ruzowitzky, der für sein KZ-Drama "Die Fälscher" einen Oscar erhielt. Er wurde die unliebsamen Mieter erst mit einer Delogierung los.

Nicht neu ist nach Angaben des Experten die Verbindung zwischen gewaltbereiten Rechtsextremen und dem Rotlichtmilieu: "Solche Kontakte sind seit den späten 1970er-Jahren unter anderem in Wien dokumentiert." Parallelen seien die extreme Gewaltbereitschaft und mafiöse Strukturen. Die nun in einem Wiederbetätigungsprozess Beschuldigten dürften Teil einer größeren kriminellen Organisation gewesen sein, auf deren Konto zahlreiche Straftaten - von Brandstiftung über Raub bis hin zu Menschenhandel - gehen. Derzeit arbeitet die Justiz Anzeigen gegen rund 35 Verdächtige ab, einige mussten sich bereits vor Gericht verantworten.

Auch am dritten Tag des NS-Wiederbetätigungsprozesses gegen sieben führende Mitglieder des rechtsradikalen Netzwerks Objekt 21 in Wels, OÖ, waren wieder Zeugen am Wort. „Ich habe mich von Jürgen W. zu der Gesinnung hinreißen lassen“, versicherte Michael K., ein ehemaliger Arbeitskollege des Hauptangeklagten, am Freitag. Der 29-Jährige habe ein gutes geschichtliches Wissen über den Zweiten Weltkrieg und die Nazi-Zeit gehabt. „Er konnte das gut erklären.“

K. will selbst aber nur ein bis zwei Mal in dem berüchtigten Partyraum des Objekt-21-Vereinsstützpunktes in Desselbrunn zu Gast gewesen sein. Ob ihm dort nicht verdächtige Sprüche, Symbole, Fotos oder Fahnen aufgefallen seien, hakte Ulrike Nill, die vorsitzende Richterin, nach. „Ich habe nichts gesehen, weil mich das nicht interessiert hat“, behauptete K. Allerdings gestand er ein, damals eine rechtsradikale Einstellung gehabt zu haben.

„Der Michael hat sich ab dem Zeitpunkt, als er mit Objekt 21 zu tun hatte, stark verändert“, sagte Katharina B., über ihren Ex-Freund. Er sei plötzlich total rechts gewesen, habe die Hand voller Runen-Tattoos gehabt und sei körperlich aggressiv geworden. „Ich glaube, er hatte unter der Achsel auch ein Hakenkreuz.“ K. habe sich dann immer mehr von ihr entfernt und sie wisse, dass keine andere Frau dahinter gestanden sei. „Er hat gesagt, dass der W. der Oberhäuptling ist und jeder vor ihm Respekt hat.“

K. scheint das bis heute nicht ganz losgeworden zu sein. Als er den Zeugenstand verließ, lächelte er W. zu und wünschte ihm alles Gute.

Drohungen

Auch am Donnerstagabend hatte ein Zeuge den Hauptangeklagten schwer belastet. „Er ist ein Hassprediger, der immer versucht hat, Leute zu fangen“, betonte der Mann, der W. in der Justizanstalt Suben kennengelernt hatte. Er sei in dessen Schuld geraten, daraufhin habe dieser ihn in jeder Weise ausgenutzt und zu Straftaten genötigt: „Ich war so blöd, darauf einzusteigen. Dafür hab’ ich sieben Jahre bekommen.“ Er sei auch bedroht worden, und eines Tages hätten bei seinem Auto die Radmuttern gefehlt.

W. bestreitet diese Vorwürfe und auch, dass er Anführer von Objekt 21 gewesen sei.

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