Prozess um Neonazi-Netzwerk: "Rechts sein ist nicht verboten"

Sieben Mitglieder des rechtsextremen Netzwerks "Objekt 21" . Am 4. November kurz vor Mitternacht fiel das Urteil: Alle sieben Angeklagten wurden – nicht rechtskräftig – zu Haftstrafen zwischen 18 Monaten und sechs Jahren verurteilt.
Führungskader des Vereins Objekt 21 wegen NS-Wiederbetätigung vor Gericht.

Mit Schals, Kapuzenjacken und Hüten versuchten am Mittwoch jene fünf Angeklagten, die sich auf freiem Fuß befinden, ihre Identität vor den wartenden Medienleuten zu verbergen. Erst im Schwurgerichtssaal, wo weder fotografiert noch gefilmt werden durfte, entledigten sich Alexander M., Bernd H., Dieter B., Christoph G. und Kevin H. ihrer Maskerade. Ihre in U-Haft sitzenden Kumpane, Jürgen W. und Manuel S., wurden durch einen Seiteneingang unbemerkt an den Reportern vorbei zur Anklagebank geschleust.

Die Sicherheitsvorkehrungen bei der Verhandlung gegen die sieben führenden Kader des rechtsextremen Netzwerks „Objekt 21“ im Landesgericht Wels waren enorm. Verfassungsschützer in Zivil und uniformierte Polizisten sicherten das Gebäudeinnere sowie die Ein- und Ausgänge. Gerichtskiebitze mussten Handys, Laptops und sogar ihre Getränke abgeben. Die Verhandlung begann aber nahezu pünktlich.

Staatsanwalt Franz Haas warf den 23 bis 33 Jahre alten Männern NS-Wiederbetätigung vor. Zwischen 2008 und 2010 sollen sie bei Veranstaltungen die Ideologie des Dritten Reiches massiv verherrlicht und heroisiert haben. Manuel S. hatte sich im Haus des Vaters von Oscar-Regisseur Stefan Ruzowitzky in Desselbrunn eingemietet und dort offiziell einen Freizeit- und Kulturclub namens „Objekt 21“ betrieben. S. war Obmann, Alexander M. sein Stellvertreter. Bernd H. war Schriftführer, Kevin H. sein Stellvertreter. Dieter B. war Kassier und Christoph G. betreute die EDV-Anlage und die Homepage. „Jürgen W. war zwar nicht Mitglied des Vereins, bestimmte aber vor Ort, was tatsächlich zu geschehen hat“, erklärte Haas.

Wortkarg

Im „Party-Raum“ waren Bilder mit NS-Sprüchen wie „Der Führer hat immer recht“ zu sehen. An der Wand hing ein Schild mit der „Schwarzen Sonne“ (aus Hakenkreuzen gebildet) und ein Gemälde des germanischen Gottes „Wotan“ samt zahlreichen Runen – darunter SS-Runen. Auf einem Tisch lag eine „Waffen-SS-Fahne“, im Obergeschoß gab es u. a. einen Reichsadler und die Buchstaben LAH (für Leibstandarte Adolf Hitler) samt Wandbild, das zwei SS-Soldaten zeigt, die mit aufgepflanztem Bajonett gegen einen Juden vorgehen. Bei Liederabenden soll Musik verbotener Rechtsrock-Bands gespielt worden sein. W. und S. werden aber auch Verstöße gegen das Waffengesetz angelastet.

Die Angeklagten bekennen sich nicht schuldig. Die Rädelsführer S. und W. – der beispielsweise ein Hakenkreuz in der Ellbogenbeuge und einen Reichsadler am Hinterkopf eintätowiert hat – entschlugen sich großteils der Aussage und überließen das Reden den Anwälten.

„Rechts ist nicht verboten, auch die Ablehnung anderer Kulturen nicht. Sogar der Besitz und Erwerb von NS-Devotionalien ist legal, solange sie nicht propagandistisch dargestellt werden“, betonte Anwalt Werner Tomanek. Das zu bewerten obliegt nun den Geschworenen. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

2011 aufgelöst, war das "Objekt 21" als gewaltbereites rechtsextremes Netzwerk mit Kontakten zum Rotlichtmilieu bekannt. Übergriffe der Vereinigung, die laut dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) untypisch für die kleinstrukturierte Szene aus rund 200 Personen bestand, sind seit 2005 dokumentiert. "Das ist die ganze Palette von Körperverletzung, schwerer Nötigung, Drohungen bis zu Sachbeschädigungen", so DÖW-Experte Andreas Peham im APA-Gespräch.

Im Frühjahr 2010 tauchte das "Objekt 21" erstmals in den Medien auf, als Kopf der Organisation mit einem Schlagring als Logo galt der einstige Anführer des "Kampfverbandes Oberdonau" (Bezeichnung für Oberösterreich während des Dritten Reiches, Anm.). Auch der Körperschmuck des Mannes, der bereits mit dem Gericht zu tun gehabt hat, zeugt von brauner Gesinnung: Er trägt u.a. einen SS-Mann sowie die Schriftzüge "Blood & Honour" und "White Power" als Tattoos. Facebook-Kommentare soll er mit Hakenkreuzen versehen haben.

Im Sommer 2010 stellte sich heraus, dass die rechte Gruppierung auch einen Internet-Versand betreibt. Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung führte daraufhin eine Hausdurchsuchung durch. Im Jänner 2011 wurde das "Objekt 21" schließlich aufgelöst. Zwei Monate später zeigten die Grünen bei der Staatsanwaltschaft Wels an, dass ehemalige Aktivisten erneut im Internet einschlägige Ware zum Kauf anbieten. Im Vorjahr wurde ein Mitglied wegen jahrelangen Handelns von verbotenen Gegenständen rechtskräftig zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt.

Kontakte nach Deutschland

Die Vereinigung hatte laut Peham enge Kontakte nach Deutschland: zur Aktionsgruppe Passau, nach München, Jena und auch nach Dresden. Dorthin sei man jährlich zu den Neonazi-Aufmärschen gereist, u.a. mit dem wegen Wiederbetätigung zu neun Jahren Haft verurteilten Gottfried Küssel. Umgekehrt traten am vom "Objekt 21" gemieteten Bauernhof im Bezirk Vöcklabruck neben Liedermachern aus Oberösterreich und Wien auch deutsche auf. Das Gebäude gehörte ausgerechnet dem Vater von Regisseur Stefan Ruzowitzky, der für sein KZ-Drama "Die Fälscher" einen Oscar erhielt. Er wurde die unliebsamen Mieter erst mit einer Delogierung los.

Nicht neu ist nach Angaben des Experten die Verbindung zwischen gewaltbereiten Rechtsextremen und dem Rotlichtmilieu: "Solche Kontakte sind seit den späten 1970er-Jahren unter anderem in Wien dokumentiert." Parallelen seien die extreme Gewaltbereitschaft und mafiöse Strukturen. Die nun in einem Wiederbetätigungsprozess Beschuldigten dürften Teil einer größeren kriminellen Organisation gewesen sein, auf deren Konto zahlreiche Straftaten - von Brandstiftung über Raub bis hin zu Menschenhandel - gehen. Derzeit arbeitet die Justiz Anzeigen gegen rund 35 Verdächtige ab, einige mussten sich bereits vor Gericht verantworten.

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