"Kulturelle Schichtarbeit" beim Festival der Regionen

"Kulturelle Schichtarbeit" beim Festival der Regionen
Am Traunsee-Südufer reflektieren Künstler von 19. bis 28. Juni über das Thema Arbeit und alle seine Facetten.

Den Ebenseern eilt der Ruf voraus, ein besonderer Menschenschlag zu sein: Unangepasst, widerborstig, aber ach solidarisch. Das lässt sich durchaus historisch erklären: Über Jahrhunderte hinweg war die 1607 gegründete Arbeitersiedlung am Traunsee-Südufer nur mit Booten erreichbar.

Die Geschichte der von Berg und See nahezu hermetisch abgegrenzten Salzkammergut-Gemeinde ist untrennbar mit der Industrie verbunden, vor allem mit der Salzproduktion. Auch heute noch, obwohl die Hackler-Idylle im roten Ebensee von Strukturproblemen bedroht ist. Bereits vor Jahren sperrten Spinnerei- und Webereibetriebe zu, die Solvay-Werke stellten die Soda-Produktion ein. Arbeitsplätze gingen verloren und damit auch ein Stück Identität.

Welch herausragende Rolle Arbeit und Arbeiterkultur in Ebensee spielen, ist auch den Protagonisten des Festivals der Regionen nicht entgangen. Von 19. bis 28. Juni übernimmt das Festival die kulturelle Schichtarbeit in der klassischen Arbeiterhochburg. Das Thema kreist um das Hackeln und all das, was es mit sich bringt: Sicherheit, Wohlstand, Identität, Kultur aber auch Abhängigkeiten und Ausbeutung.

260 Künstler aus 23 Ländern sind der Einladung gefolgt, sich mit Ebensee zu beschäftigen. Aus den Einreichungen wurden 35 Projekte ausgewählt. Ein Gutteil kommt aus der Region, die ortsansässigen Vereine haben sich rege an der kulturellen Auseinandersetzung beteiligt. "Die kreative Außensicht, die das Festival bringt, tut uns sehr gut", sagt Bürgermeister Markus Siller (SPÖ). "Den Künstlern ist sofort aufgefallen dass es auch bei uns Probleme gibt. Zum Beispiel einen Mangel an adäquaten Jobs und dass viele Ebenseer auspendeln müssen."

Proletenpassion

Manch Einheimischer wird sich vielleicht in der Filmreihe "Arbeitswelten" wiederfinden, die während des Festivals im Kino Ebensee gezeigt wird. Oder vielleicht gar in der "Proletenpassion 2015 ff.", die am 24. Juni in der Stockschützenhalle in Ebensee ihre Oberösterreich-Premiere feiert. Das Stück, 1976 von Heinz R. Unger und der Band "Schmetterlinge" bei den Wiener Festwochen als "Geschichte der Beherrschten" der "Geschichte der Herrschenden" gegenübergestellt, erlebt fast 40 Jahre später eine Neuauflage.

Regisseurin Christine Eder macht sich daran, die Geschichte der Revolutionen erneut aus zeitgenössischer Sicht zu untersuchen und bis in die Gegenwart weltweiter Proteste von Occupy bis Gezi (2013, Istanbul) fortzuschreiben.

Ein Fixpunkt über zehn Tage Festival ist der tägliche Schichtwechsel. Die Frühschicht beginnt am Traunsee mit einem aktivierenden Vormittagsprogramm, die Tagschicht markiert den Öffnungszeitraum von Ausstellungen. Ab 20 Uhr schließlich beginnt die Nachtschicht mit Konzerten und Performances. Zum Beispiel in der ehemaligen Fleischerei Rohrhofer, wo einst am Faschingsmontag die Abstürze nach dem Ebenseer Fetzenzug prolongiert wurden. www.fdr.at

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