"Jedes Jahr um drei Prozent kürzen"

Der Spitzenkandidat der Grünen, Rudolf Anschober, im KURIER-Interview
Der Grüne Spitzenkandidat fordert ein nachhaltiges Budget: die Subventionen runterfahren.

Rudolf Anschober (54) ist Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl am 27. September. 2009 erzielten sie 9,2 Prozent der Stimmen. Seit 2003 bilden sie eine Regierungskoalition mit der ÖVP. Die Umfragen prognostizieren ihnen zehn bis zwölf Prozentpunkte.

KURIER: Auf welchen zusätzlichen öffentlichen Badeplätzen an den Salzkammergutseen werden wir nächstes Jahr baden können? Sie haben das im Wahlkampf versprochen.

Rudolf Anschober: Ich hoffe auf mehr als heuer. Oberösterreich hat großartige Seen mit der besten Badequalität Europas. Wir hoffen, dass mehr Zugangsmöglichkeiten für die Privaten da sein werden.Unser Ziel ist es, zusätzliche Privatisierungen zu verhindern. Das droht zum Beispiel in Weyregg. Schön wäre es, wenn wir es schaffen, das Bahnhofsareal in Schörfling, das brach und direkt am See liegt, einer öffentlichen Nutzung zuzuführen. Wir wollen ähnlich wie in Bayern den freien Seezugang in der Verfassung verankern.

Was ist am Traunsee, Wolfgangsee und Hallstätter See?

Wir wollen eine Bestandsaufnahme durch die Gemeinden vor Ort. Bayern will ein Vorkaufsrecht für die öffentliche Hand. Das Land soll Areale zurückkaufen.

Soll es Enteignungen geben?

Nein.

Ihre Partei spricht sich gegen die Schließung von Bädern in den Gemeinden aus, wie das in der Bäderstudie vorgesehen ist.

Ein Drittel der Frei- und Hallenbäder sollen geschlossen werden.

Die Reduzierung erfolgt aus Kostengründen. Das bedeutet, Sie müssen Geld in die Hand nehmen.

Die Instandhaltung der Bäder verursacht wegen der hohen Energiekosten Probleme. Mit einem Energieeffizienzprogramm könnte man deutliche Verbilligungen zustande bringen. Bei älteren Bädern rechnen wir mit einer Reduzierung des Energieverbrauchs um 40 bis 50 Prozent. Wir bereiten dafür ein Landesförderungsprogramm vor.

Sie haben bei der Wahlkampferöffnung eine nachhaltige Budgetführung verlangt. Das Land muss nun die Maastrichter Stabilitätskriterien einhalten. Wo soll das Land sparen?

2016 wird für Oberösterreich das schwierigste Budgetjahr seit Jahrzehnten. Die Steuerreform wird uns viel kosten, dazu kommt der Stabilitätspakt. Ich rechne mit Mindereinnahmen von rund 200 Millionen Euro. Wir werden kürzer treten müssen. Von den Rücklagen werden wir Gelder freimachen müssen, um über 2016 drüber kommen zu können. Es muss alles auf den Tisch, es muss alles evaluiert werden.

Wo soll man einsparen?

Man muss bei den Förderungen schrittweise Reduktionen in der gesamten Legislaturperiode vornehmen.

In welchen Bereichen?

In allen außer dem Sozial- und Gesundheitsbereich. Wenn wir jedes Jahr drei Prozent während der gesamten Legislaturperiode einsparen, dann ist das eine Menge. Dauerförderungen machen keinen Sinn.

Ich höre bei Ihnen eine Angst um Ihren Regierungssitz heraus. Durch den möglichen Einzug der Neos in den Landtag erhöht sich die Prozentzahl für den Landesrat.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Grünen den Regierungssitz verlieren. Es genügt nicht, dass wir zulegen, sondern wir müssen deutlich zulegen.

Wie viel Prozentpunkte benötigen Sie für den Regierungssitz?

Es sind 10,6 Prozent. 2009 haben wir 9,2 gemacht. Wir müssen in jedem Fall 1,5 Prozent zulegen. Mit jedem zusätzlichen Prozentpunkt steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es Schwarz-Grün weiter gibt. Das ist die Grundsatzfrage dieser Wahl. Geht Oberösterreich in eine blaue oder grüne Richtung? Die Antwort entscheidet über die Koalition und den politischen Kurs. Der Landeshauptmann hat bis heute schwarz-blau nicht ausgeschlossen. Es besteht für jeden ÖVP-Wähler das Risiko, dass er am 28. September mit einem blauen Auge, mit einer schwarz-blauen Koalition aufwacht. Nur wenn Grün stark dazugewinnt, hat Blau keine Chance und es wird wieder Schwarz-Grün geben.

Sie sagen, in der Großindustrie macht eine kleine, aber mächtige Clique Stimmung für Schwarz-Blau. Wer sind diese Leute?

Joachim Haindl-Grutsch, der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung, hat soeben im Buch Mut zur Wahrheit von FPÖ-Obmann Manfred Haimbuchner publiziert. Das sind jene Leute, die behaupten, dass Betriebsansiedelungen durch einen Grünen Landesrat erschwert werden. Sie nennen Beispiele, mit denen der Landesrat gar nichts zu tun hat. Das ist Stimmungsmache. Es ärgert offensichtlich manche, dass eine kleine Lobby von Industriellen Entscheidungen nicht alleine diktieren kann. Ich suche den Dialog und schaue, dass wir Wirtschaft und Umwelt miteinander verträglich organisieren. Aber meine Aufgabe ist es schon, dass wir den Schutz der Lebensgrundlagen in den Mittelpunkt stellen.

Viele Bürger haben das Gefühl, dass der Staat und die Politik dem Flüchtlingsstrom hilflos gegenüberstehen. Gibt es für Sie eine Obergrenze?

Jetzt herzugehen und eine Zahl zu nennen, ist aus meiner Sicht populistisch und nicht realistisch. Wir müssen für die Kriegsflüchtlinge menschenwürdige und wintertaugliche Quartiere zur Verfügung stellen. Das haben wir bei der Ungarnkrise 1956 geschafft, das haben wir bei der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 gemacht, das haben wir beim Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien geschafft. Diese Herausforderung schaffen wir auch heute.

Wir brauchen aber mehr Europa in dieser Frage. Es ist eine Solidar- und Friedensgemeinschaft. Es muss verbindliche Quoten geben, die Staaten müssen zusammenhelfen. Das ist derzeit nicht der Fall. Europa muss sich auch bei den Fluchtursachen engagieren. Es braucht eine Friedensinitiative. Da wäre Europa gefragt.

Wir haben weiters Flüchtlingslager vor Ort, die eine Überforderung der Nachbarstaaten darstellen. Der Libanon, der etwa so groß ist wie Oberösterreich, hat 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Hier braucht es Hilfe der EU.

Die FPÖ fordert, das Heer an der Grenze aufzustellen, die Grenzen zu sichern und Schengen außer Kraft zu setzen.

Das europäische Recht widerspricht dem.

Wie beurteilen Sie Schlepper? Sind das Dienstleister, wie das der Leitartikler in einem rosa Blatt geschrieben hat, oder sind sie Kriminelle, die man einsperren soll?

Es gibt Transporte, wo die Menschen auf das Unwürdigste behandelt werden. Das ist organisierte Kriminalität. Es darf hier keine Verharmlosungen geben. Es gibt aber zum Beispiel für Flüchtlinge aus Syrien keinen Weg, legal nach Europa zu kommen. So treibt man die Menschen in die Hände der Schlepper. Ein erster Schritt könnte das Aussetzen der Dublin-Regelung sein. Es sollte das Botschaftsasyl reaktiviert werden, also die Möglichkeit, außerhalb Europas legal Asyl beantragen zu können.

Ist Österreich ein Einwanderungsland?

Österreich ist genauso wie Deutschland immer ein Einwanderungsland gewesen. Auch die Wirtschaft sagt, dass wir aus wirtschaftlichen Überlegungen die Einwanderung benötigen.

Wir haben einen Facharbeitermangel. Wir brauchen nun ein großes Qualifizierungsprogramm: für schlecht ausgebildete jungen Oberösterreicher und für die Asylwerber.

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